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FFG, DFFF, ARD Eckpunkte 2.0 & Mediatheken: Interview mit Produzentenallianz-Geschäftsführer Christoph Palmer

Im Interview mit dem medien­po­li­ti­schen Magazin Promedia spricht Produ­zen­ten­al­lianz-Geschäfts­führer Christoph Palmer über das neue Filmför­de­rungs­gesetz, den Stand beim Deutschen Filmför­der­fonds, die Auswir­kungen der ARD-Eckpunkte 2.0 und die geplante Verlän­gerung der Verweil­dauern von Produk­tionen in den Media­theken.

Der Beitrag im Wortlaut:

„Das könnte schnell zur Sackgasse werden“

Für die deutsche Filmwirt­schaft war 2016 ein wichtiges Jahr: Es gab zahlreiche Preise für deutsche Kino- und Fernseh­filme und das neue FFG wurde vom Deutschen Bundestag verab­schiedet. Zudem haben sowohl die ARD als auch das ZDF neue Rahmen­ver­ein­ba­rungen mit den Produ­zenten abgeschlossen, die ihnen eine realis­ti­schere Vergütung und bessere Möglich­keiten für eine digitale Verwertung sichern. „Unsere Bewertung des neuen FFG fällt durchaus gemischt aus“, so Dr. Christoph E. Palmer in einem promedia-Gespräch. Trotz einiger Verbes­se­rungen konnten sich die Produ­zenten weder beim Erlös­kor­ridor noch bei einer größeren Flexi­bi­lität des Auswer­tungs­fensters durch­setzen. Fragen an den Geschäfts­führer der Produ­zen­ten­al­lianz zum FFG, zur Ausrichtung der FFA, zum DFFF und zur Verein­barung mit der ARD.

promedia: Herr Palmer, das novel­lierte FFG tritt am 1. Januar 2017 in Kraft. Wie zufrieden sind Sie mit dem Gesetz, da ja nur einige der wichtigsten Ziele der Produ­zen­ten­al­lianz bei der FFG-Novel­lierung erreicht worden sind?
Palmer:
Unsere Bewertung des neuen FFG fällt durchaus gemischt aus. Zu begrüßen ist, dass es gelungen ist, die Finan­zierung der FFA für die nächsten Jahre auf (relativ) sichere Beine zu stellen. Besonders bedeutsam ist hier, dass die Schieflage, die sich in den letzten Jahren insbe­sondere im Bereich der Abgaben der Video­wirt­schaft und der auslän­di­schen VoD-Anbieter aufgrund verschie­dener Umstände ergeben hatte, beseitigt werden konnte. Gerade bei letzteren hat ja nun auch die EU Kommission grünes Licht gegeben. Bei der Verteilung der Förderung auf Projektfilm und Referenz­film­för­derung hätte man sich auch andere Lösungen vorstellen können. Die jetzt vorge­sehene jeweils ungefähr hälftige Dotierung dürfte aber überwiegend auf Konsens stoßen. Die Reali­sie­rungs­raten geför­derter Drehbücher waren in der Vergan­genheit weitgehend unbefrie­digend. Insofern macht es sicher Sinn, hier eine inten­sivere und begleitete Förderung erfolg­ver­spre­chender Drehbücher zu versuchen. Man wird sicher erst nach einigen Jahren beurteilen können, ob dieser Versuch gelungen ist.

Auch die Konzen­tration der Verga­be­kom­mis­sionen und die Neure­ge­lungen zu deren Besetzung aus einem Exper­tenpool sind grund­sätzlich zu begrüßen, auch wenn sich erst erweisen muss, ob dies nicht zu einer unsteten Entschei­dungs­praxis führen wird. Besonders wichtig war uns die Neure­gelung des § 63 Abs. 3 FFG (neu), die nun vorsieht, dass auf der Grundlage einer noch zu erlas­senden Richt­linie geregelt werden kann, dass der Eigen­anteil des Produ­zenten auch durch Lizenz­vor­ab­ver­käufe darge­stellt werden kann. Das war eine langjährige und schon bei der letzten Novelle vorge­tragene Forderung der Produ­zen­ten­al­lianz. Auch der Wegfall der Verpflichtung, Eigen­mittel in Höhe von 2 % einzu­setzen, ist ein erfreu­licher Schritt, der die leider allzu oft schwierige Eigen­ka­pi­tal­po­sition der Produ­zenten berück­sichtigt.

promedia: Die Produ­zenten hatten einen Erlös­kor­ridor gefordert, der nicht im Gesetz verankert ist. Was hätte der Ihnen gebracht?
Palmer:
Mit unserer Forderung, bei FFA geför­derten Filmen in allen Verwer­tungs­ver­trägen verpflichtend einen nicht verre­chen­baren Korridor zu Gunsten der Produ­zenten vorzu­sehen, sind wir leider nicht durch­ge­drungen. Ein solcher Korridor hätte dazu beigetragen, dass die unglück­selige Konstel­lation, dass die Produ­zenten zur Finan­zierung ihrer Produktion in der Regel alle verfüg­baren Rechte vorab veräußern müssen und bei der Rückde­ckung der geleis­teten Inves­ti­tionen an letzter Stelle stehen, ein Stück weit (gefordert waren maximal 10 %) aufge­brochen worden wäre. Dies hätte dazu beitragen können, den Produ­zenten eine höhere Chance zu geben, ihre in den Film inves­tierten Mittel zurück­zu­decken, Rücklagen für neue Produk­tionen bilden und auch vermehrt Rückzah­lungen der Förder­mittel vornehmen zu können. Es bleibt nun die Hoffnung, dass die Diskus­sionen, die in den letzten beiden Jahren um diesen Erlös­kor­ridor geführt wurden, dazu beigetragen hat, den Produ­zenten die Wichtigkeit solcher Regelungen klar zu machen und es ihnen künftig (hoffentlich) häufiger gelingen wird, einen solchen Korridor auf vertrag­licher Ebene durch­zu­setzen.

promedia: Auch die Auswer­tungs­fenster werden nicht verändert. Noch ist das Kino der wichtigste Auswer­tungs­platz. Hätte sich eine größere Flexi­bi­li­sierung für die meisten Produ­zenten wirklich gelohnt?
Palmer:
Wir hätten uns in der Tat eine größere Flexi­bi­li­sierung der Auswer­tungs­fenster gewünscht. Die Festschreibung von im Wesent­lichen unver­än­derten Regelungen für die gesamte Geltungs­dauer des neuen FFG halten wir für einen Fehler. Die Diskussion, die in den USA wenige Tage nach Verab­schiedung des FFG über die künftige Gestaltung der Auswer­tungs­ab­folge entbrannt ist, macht deutlich, dass hier inter­na­tional viel im Fluss ist. Hier wäre es sicher klüger gewesen, wenn das FFG einen Mecha­nismus vorsehen würde, der es erlauben würde, auch ohne Geset­zes­än­derung auf inter­na­tionale Entwick­lungen zu reagieren.

promedia: Die Produ­zenten haben doch auch nichts davon, wenn das Kino geschwächt wird, also muss man sich doch arran­gieren?
Palmer:
Wir hätten volles Vertrauen in Produ­zenten und Verleiher gehabt, dass sie eine solche größere Flexi­bi­lität verant­wor­tungsvoll und im Sinne einer optimalen Verwertung, die die Kinos nicht beschädigt hätte, genutzt hätten.

promedia: Werden die Verän­derung beim FFG dazu führen, dass die Eigen­kap­t­al­basis der Produ­zenten gestärkt wird?
Palmer:
Mit Ausnahme der Neure­ge­lungen zum Erfor­dernis des Einsatzes eines Eigen­an­teils ist das leider nicht der Fall, zumal ja auch die Erfolgs­dar­lehen wegge­fallen sind. Auch im Verhältnis zu den TV-Sendern hätten wir uns gewünscht, dass das FFG Regelungen vorsieht, die angemessene Rechte­tei­lungen (z. B. unter Berück­sich­tigung und in Abhän­gigkeit von der Höhe der von den Sendern gestellten Finan­zie­rungs­an­teile) hätten befördern können. Auch hier fehlte dem Gesetz­geber offen­sichtlich der Mut für eine Neure­gelung, die die Position der Filmher­steller substan­tiell verbessert hätte.

promedia: Die FFA will stärker teurere Filme fördern, die auch mehr Zuschauer erreichen sollen. Dafür wurde die kultu­relle Filmför­derung deutlich aufge­stockt. Können Sie mit dieser Arbeits­teilung leben?
Palmer:
Wir haben die Stärkung der kultu­rellen Filmför­derung durch die BKM von Anfang an begrüßt. Wir hoffen, dass sie dazu beiträgt, dass besondere Filme entstehen, die auch beim Zuschauer Erfolg haben. Umgekehrt wenden wir uns aber auch gegen eine Fokus­sierung der FFA-Förderung allein auf (vermeintlich) erfolg­reiche Filmpro­jekte und der BKM-Förderung allein auf die besonders schwie­rigen, kommer­ziell wenig aussichts­reichen Filme. Eine solche Sicht­weise könnte in der FFA allzu leicht dazu führen, dass nur noch eine bestimmte Art von Filmen (Komödien, Sequels etc.) gefördert würde. Das könnte dann ganz schnell zu einer Sackgasse werden.

promedia: Wenn die FFA vor allem noch Spitzen­för­derung, für Filme mit mindestens 500.000 Zuschauern betreibt, sind die Länder­förder dann mehr in der Pflicht, mittel­große Filme zu fördern?
Palmer:
Leider können auch bestens besetzte Verga­be­kom­mis­sionen nicht verlässlich vorher­sehen, welche Filme mindestens 500.000 Zuschauer erreichen werden. Selbst Verleih­un­ter­nehmen, die über fertige Filme zu entscheiden haben, liegen in ihrer Einschätzung oft daneben. Zudem können 500.000 Zuschauer bei einem hoch budge­tierten Film sogar beinahe als Misserfolg anzusehen sein, während 150.000 Zuschauer bei entspre­chenden Heraus­brin­gungs­kosten bei einem kleineren Film schon ein Erfolg sind. Auch diese Filme können und sollen nach unserer Auffassung weiterhin von der FFA gefördert werden. Die gleiche Bandbreite von Filmen sollte aber auch Zugang zu den Länder­för­de­rungen haben. Manche Filme werden auch künftig nur reali­siert werden können, wenn die Bundes­för­derung der FFA (und des DFFF) und die Länder­för­de­rungen zusam­men­kommen, andere auch dann, wenn sie nur Länder­för­derung erhalten. Insofern sollten die Verga­be­kom­mis­sionen sowohl auf Bundes wie auf Länder­ebene weiter frei sein, aus der Gesamtheit der ihnen vorge­legten Projekte dieje­nigen auszu­wählen, die sie für förder­würdig erachten.

promedia: Wie ist es mit dem DFFF? Sie haben gefordert, vor allem den DFFF zu stärken. Inwieweit würden davon die Produ­zenten – die teilweise auch im Ausland drehen profi­tieren und nicht nur die Studio­be­triebe?
Palmer:
Der DFFF war bei seiner Einführung ein fortschritt­liches und inter­na­tional wettbe­werbs­fä­higes Instrument. Diese Bedeutung hat er inzwi­schen nicht nur wegen der Begrenztheit der verfüg­baren Mittel (EUR 50 Mio.), sondern auch wegen der Begren­zungen bei den förder­baren Produk­ti­ons­arten (nicht reine VFX Arbeiten, nicht für deutsche High-End- TV-Produk­tionen, bestehende Kappungs­grenzen, etc.) verloren. Um hier inter­na­tional wieder eine dem Produk­ti­ons­standort Deutschland entspre­chende Rolle spielen zu können, braucht es deshalb eine deutliche Ausweitung der Förder­mög­lich­keiten. Ob diese durch eine entspre­chende Aufsto­ckung der bereit­ste­henden Haushalts­mittel oder vielleicht doch durch eine steuer­ba­sierte Regelung bereit­ge­stellt werden können, ist in den nächsten Wochen und Monaten noch intensiv zu disku­tieren. In jedem Fall würde eine solche erwei­terte Förderung dazu führen, dass deutlich mehr in Deutschland produ­ziert werden könnte und dies auch mit Budgets, die es ermög­lichen würden, den Erwar­tungen des inter­na­tio­nalen Publikums zu entsprechen. Das käme nicht nur den Studios in Deutschland, sondern auch Tausenden von Filmschaf­fenden zu Gute. Aber auch deutsche Produ­zenten würden davon profi­tieren, da jede Produktion, die unter Mitwirkung eines deutschen Produ­zenten entsteht, die Möglichkeit mit sich bringt, Rechte und damit Auswer­tungs­po­ten­tiale für sich zu sichern. Und schließlich wäre auch der deutsche Fiskus ein Gewinner, denn alle verfüg­baren Unter­su­chungen haben gezeigt, dass sich entspre­chende Inves­ti­tionen in die Produk­ti­ons­för­derung auch für den Staat durch höhere Steuer und Sozial­ver­si­che­rungs­ein­nahmen rasch amorti­sieren.

promedia: Anfang des Jahres haben Sie mit der ARD eine neue Grund­satz­ver­ein­barung abgeschlossen Wie fällt die Bilanz nach einem Jahr aus? Wird sie in der Praxis Buchstabe für Buchstabe umgesetzt?
Palmer:
Die ARD ist kein homogenes Gebilde mit einem einheit­lichen Vorgehen. Zwar hat jede einzelne ARD-Anstalt den Eckpunkten 2.0 zugestimmt, aber die neun Landes­rund­funk­an­stalten, aus denen diese „Arbeits­ge­mein­schaft der Rundfunk­an­stalten Deutsch­lands“ besteht, haben zum Teil höchst unter­schied­liche Hinter­gründe und Praktiken bei der Handhabung und Organi­sation von Auftrags­pro­duk­tionen. Einige von ihnen sind – aus unserer Perspektive – fortschrittlich und zeigen eine hohe Bereit­schaft, die Eckpunkte 2.0 gemeinsam mit den Produ­zenten umzusetzen. In anderen Häusern muss man sich erst an die verän­derten Rahmen­be­din­gungen gewöhnen und tut sich damit derzeit an manchen Stellen vielleicht noch ein bisschen schwer. Insgesamt kann man aber konsta­tieren, dass wir auf einem guten Weg sind.

„Buchstabe für Buchstabe“ konnten die Eckpunkte 2.0 in diesem Jahr noch gar nicht umgesetzt werden, da zum Beispiel die Regelungen zu den zusätz­lichen Kalku­la­ti­ons­po­si­tionen erst ab dem 1. Januar 2017, also mit dem Beginn der Beitrags­pe­riode 2017–2010 gelten. Im Übrigen handelt es sich nicht um eine „Grund­satz­ver­ein­barung“, sondern um eine Selbst­ver­pflichtung, die die ARD nach sehr inten­siven Konsul­ta­tionen mit der Produ­zen­ten­al­lianz abgegeben hat.

promedia: Welche Vorteile hat dieses Papier den Produ­zenten gebracht?
Palmer:
Die Eckpunkte 2.0 bringen den Produ­zenten zum Beispiel erheb­liche Fortschritte im Bereich der Kalku­lation. Früher wurden notwendige Berufs­bilder und bestimmte allge­meine Kosten nicht anerkannt und mussten von den Produ­zenten selbst finan­ziert werden. Ab nächstem Jahr werden beispiels­weise Producer oder Headautor bei fiktio­nalen Serien oder projekt­be­zogene Rechts­be­ratung und Archiv­arbeit anerkannt. Weiter kann der Produzent durch die Eckpunkte anhand eines klar definierten Werte­ka­talogs durch­setzen, durch Mitfi­nan­zierung Rechte zu erwerben, die er selbst verwerten kann. Durch das neue Leistungs­modell in den Eckpunkten 2.0 werden die Produ­zenten künftig am Erfolg ihrer Werke teilhaben – das gab es bei der Auftrags­pro­duktion noch nie. Für presti­ge­trächtige Auszeich­nungen oder Nominie­rungen und Wieder­ho­lungen werden seit Anfang des Jahres Punkte gesammelt. Die zehn Produk­tionen eines Genres – es gibt sieben davon, von Fernsehfilm bis Kinder/Animation – mit den meisten Punkten erhalten Entwick­lungs­ver­träge mit einem Gesamtwert von 3,2 Mio. Euro. Pro Jahr! Und diese Prämien werden nicht aus den normalen Programm­töpfen gespeist, sondern kommen zusätzlich dazu. Über die Laufzeit ergibt das 12,8 Mio. Euro.

promedia: Die Produ­zenten können mehr Verwer­tungs­rechte behalten, wenn ihr Finan­zie­rungs­anteil höher ist. Wie viele Produ­zenten können das wirklich nutzen?
Palmer:
Das können alle Produ­zenten nutzen, auch solche, die nicht über große Rücklagen verfügen. In der Vergan­genheit mussten zahlreiche Kosten­po­si­tionen aus der Handlungs­umlage und dem Gewinn­anteil des Produ­zenten gedeckt werden, weil sie vom Auftrag­geber nicht anerkannt wurden. Mit den Regelungen zum Kalku­la­ti­ons­rea­lismus in den Eckpunkten 2.0 ändert sich das. Wenn sich jetzt zeigt, dass zwischen Kalku­lation und Sender­budget eine Lücke sichtbar wird, kann der Produzent diese Lücke zum Beispiel aus seinem Gewinn­anteil schließen und die einge­setzten Mittel durch eigene Verwertung refinan­zieren und vermehren.

promedia: Wo stimmen die Bezie­hungen zwischen Produ­zenten und der ARD trotz dieses Eckpunk­te­pa­piers noch immer nicht?
Palmer:
Ein Punkt, mit dem wir in den Eckpunkten 2.0 alles andere als zufrieden waren, war die Betei­ligung von 16 % an den Brutto­er­lösen, die den Sendern aus der Zweit­ver­wertung entstehen. Das war und ist uns zu wenig. Deshalb wird dieser Punkt jetzt neu evaluiert, und ich bin zuver­sichtlich, dass dabei eine sachge­rechte Lösung entsteht.

promedia: Welche Chancen bestehen für kleinere Produ­zenten, Rechte, die sie behalten auch z.B. über digitale Platt­formen zu verwerten?
Palmer:
Ich glaube nicht, dass sich die Chancen der kleineren von denen der größeren Produ­zenten unter­scheiden. Letzten Endes kommt es auf die Produktion an: Wenn sie gelungen ist und beim Publikum ankommt, wird sie auch ihren Weg zu einer kommer­zi­ellen Zweit­ver­wertung finden. Abgesehen davon darf man nicht vergessen, dass es eine syste­ma­tische Verwertung durch die Produ­zenten in Deutschland bisher nicht gegeben hat. Die Produ­zenten hatten ja norma­ler­weise kaum Rechte, die sie überhaupt hätten verwerten können. Weil wir wissen, dass es für diese Rechte einen Markt gibt, können wir auch darauf vertrauen, dass sich eine effektive Vermarktung dieser neuen Rechte ergibt. Falls die Produ­zenten dies nicht selbst in die Hand nehmen können oder wollen.

promedia: Die Beiträge von ARD und ZDF werden länger in den Media­theken zu sehen sein. An der Ausweitung der Mediathek arbeiten die Länder. Die KEF hat einen höheren Beitrag für die Rechte­ver­gütung bewilligt. Erfolgt jetzt eine realis­tische faire Vergütung für die Medien­theken-Nutzung?
Palmer:
Schwie­riges Thema. Die Politik will die Verweil­dauern in den Media­theken verlängern, weil es den Beitrags­zahlern nicht zu vermitteln ist, dass Inhalte, die sie mit dem Rundfunk­beitrag voll finan­ziert zu haben glauben, nach einem vermeintlich willkürlich festge­legten Zeitraum nicht mehr zugänglich sind. Die Sender befürchten, von den kommer­zi­ellen VoD-Angeboten – von Netflix bis YouTube – abgehängt zu werden, wenn die lineare Programm­nutzung tatsächlich einmal signi­fikant abnehmen sollte. Das ist bei den jüngeren Zuschauern ja schon jetzt so. Deshalb wollen sie ihre Media­theken technisch aufrüsten, wie es das ZDF jetzt schon vorge­macht hat, und schaffen neue, non-lineare „Programme“ wie das junge Angebot Funk, das nichtmal mehr auf einen Ausspiel­kanal beschränkt ist. Dazwi­schen stehen die Produ­zenten, die durch verlän­gerte Media­the­ken­nut­zungen ihrer Werke der Möglichkeit beraubt würden, ihre mühsam erkämpfen Verwer­tungs­rechte zu reali­sieren.

Was wir brauchen, ist ein markt­kon­former finan­zi­eller Ausgleich für die verrin­gerten ökono­mi­schen Chancen. Ein erster Teilerfolg ist der Media­theken- Gewinn­zu­schlag von bis zu 1% der kalku­lierten Herstel­lungs­kosten, den das ZDF in seinen neuen Rahmen­be­din­gungen angekündigt hat und der für vollfi­nan­zierte Auftrags­pro­duk­tionen gilt, bei denen die Sender in der Regel ohnehin alle Auswer­tungs­rechte kontrol­lieren. Bei teilfi­nan­zierten und Kopro­duk­tionen sowie Förder­pro­duk­tionen, deren Herstel­lungs­kosten nicht vollständig von der Sende­an­stalt getragen werden, muss es dem Produ­zenten jedoch möglich sein, sein Investment durch die Auswertung von Zweit­ver­wer­tungs­rechten zurück­zu­ver­dienen, indem er diese entgeltlich an Dritte, z. B. einen DVD-Vertrieb oder eine kommer­zielle VoD-Plattform lizen­ziert. Deshalb gibt es für diese Produk­ti­ons­arten folge­richtig auch keinen Media­theken-Gewinn­zu­schlag. Niemand aber wird solche Rechte erwerben, wenn diese Programme gleich­zeitig kostenlos in öffentlich-recht­lichen Media­theken zugänglich sind, was bedeutet, dass das Investment der Produ­zenten verloren wäre: Durch die langfristige unent­gelt­liche Media­theken-Nutzung wird also ein komplettes Geschäfts­modell und die Existenz der dahinter stehenden unabhän­gigen Produk­ti­ons­un­ter­nehmen in Frage gestellt. Das darge­stellte Problem der unent­gelt­lichen Media­theken der öffentlich-recht­lichen Sender wäre deutlich geringer, wenn Produ­zenten und Sender gemeinsam von einem kommer­zi­ellen Online-Angebot wie Germany‘s Gold hätten profi­tieren können. ZDF und Landes­rund­funk­an­stalten hätten selbst ein Interesse daran entwi­ckelt, Produk­tionen nicht allzu lange unent­geltlich anzubieten, um die Markt­chancen eines eigenen Angebots nicht zu beschä­digen. Da das Kartellamt diese Tür für eine markt­kon­forme Lösung des Problems jedoch leider verschlossen hat, muss jetzt die Gesetz­gebung dahin­gehend verändert werden, dass wenigstens Programme, in die auch der Produzent inves­tiert hat, von einer länger­fris­tigen Media­the­ken­nutzung ausge­nommen werden. Da ist noch einiges an Überzeu­gungs­arbeit zu leisten, aber es wäre nicht das erste Mal, dass wir uns mit vernünf­tigen Argumenten und pragma­ti­schen Lösungs­mög­lich­keiten durch­setzen.

Aus: Promedia Nr. 1/2017. Wiedergabe mit freund­licher Geneh­migung des Promedia-Verlags.