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12. RÄStV: Verleger legen „Münchener Erklärung“ vor

Die Ausein­an­der­setzung um die Auftritte von ARD und ZDF im Internet gehe mit unver­min­derter Härte und Schärfe weiter, schreibt Michael Hanfeld in der Frank­furter Allge­meinen. An diesem Donnerstag träten die großen Zeitschrif­ten­verlage mit einer Erklärung hervor, in der sie ihre Forde­rungen an die Medien­po­litik formu­lieren. Eine „illustre Runde sonst hart mitein­ander konkur­rie­render Medien­häuser“ finde sich da zusammen, „wie wir sie so noch nie gesehen haben“, meint Hanfeld und zählt auf: Hubert Burda, Heinz Bauer, Dirk Ippen, Bernd Kundrun von Gruner + Jahr, Mathias Döpfner vom Springer-Verlag, der Madsack-Gruppe und dem Deutschen Zeitschrif­ten­ver­le­ger­verband.

Deren Befund sei eindeutig und kämpfe­risch formu­liert: „Die freie und unabhängige Presse in Deutschland ist in Bestand und Entwicklung durch die ständige Expansion des öffentlich-recht­lichen Rundfunks bedroht“, sagten sie. Und deshalb sei ARD und ZDF Einhalt zu gebieten: „Brand­brief an die Medien­po­litik“ (frei zugänglich)

„Auf zum Kampfe“, heißt es in der Süddeut­schen Zeitung: Medien­kon­zern­herren und Verbände wetterten in einer „Münchner Erklärung“ gegen das Internet-Nachrich­ten­portal von ARD/ZDF. Hans-Jürgen Jakobs schreibt, die Lage schiene sich zu entspannen, zum Beispiel habe sich Springer-Chef Mathias Döpfner „recht moderat“ geäußert: „Wenn die öffentlich-recht­lichen Sender generell auf ihre Werbe­erlöse verzich­teten, ja, dann könnte man die Online-Pläne gelas­sener sehen. Regeln seien hier ohnehin schwer zu verfolgen.“ Da komme es wie ein Donner­schlag, so Jakobs weiter, dass vier Medien­kon­zern­herren und zwei Verbände an diesem Donnerstag eine "Münchner Erklärung" veröf­fent­lichten. Womöglich sei einigen Verle­ger­ver­tretern und Lobby­isten aufge­fallen, dass die Verhand­lungen um den neuen Rundfunk­staats­vertrag und damit um Gebote und Verbote für ARD und ZDF im Internet noch nicht abgeschlossen sind – und ein Ausein­an­der­brechen der Front, gerade jetzt, schädlich wäre: „Wie ein Donner­schlag“ (frei zugänglich)

Ebenfalls in der Süddeut­schen Zeitung legen Lutz Hachmeister, Kai Burkhardt, Claudia Huber, Gisela Schmalz und Stephan Weichert „Thesen zu einer neuen Medien­po­litik“ vor: „Es rappelt in der Kiste“ (frei zugänglich)

Eine solche Allianz habe es in Deutschland noch nie gegeben, heißt es bei Spiegel online: Nahezu alle großen Zeitungs- und Zeitschrif­ten­verlage richteten gemeinsam Forde­rungen an die deutsche Medien­po­litik. Kernpunkt: ARD und ZDF müssten in ihren Online­ak­ti­vi­täten gebremst werden und sollen keine Werbung mehr senden dürfen. Eine Gruppe von Medien­wis­sen­schaftlern um Lutz Hachmeister vom Institut für Medien- und Kommu­ni­ka­ti­ons­po­litik (IfM) in Berlin habe es wunderbar formu­liert: „Das öffentlich-recht­liche Fernsehen ist ermattet unter der Last seiner konstant hohen Alimen­tierung“, schrieben Hachmeister und seine Kollegen in einem lesens­werten Beitrag in der „Süddeut­schen Zeitung“. Geld ohne Wettbewerb, könnte man auch sagen, schade der Kreati­vität: .Verleger fordern Zäune für ARD und ZDF“ (frei zugänglich)

Unter­dessen meldet die Deutsche Presse­agentur, ZDF-Intendant Markus Schächter habe gesagt, die „Münchner Erklärung“ sei „schon heute ein Papier von gestern“. Das Dokument verkenne, dass die eigent­liche Gefahr für die Zukunft unserer Medien­ordnung von inter­na­tio­nalen Megaplayern wie Google, Yahoo oder Gazprom.Media drohe. Auch die Grünen hätten Kritik an dem Papier geübt. Die Verle­ger­lobby höre nicht auf, den falschen Gegner anzugreifen, erklärten hätten Medien­ex­perten der Partei gesagt. Mit Blick auf die engen Grenzen, die ARD und ZDF im nächsten Rundfunk­staats­vertrag gezogen werden sollten, wirke die Erklärung „lächerlich und anachro­nis­tisch“.

Die Presse­mit­teilung des VDZ im Wortlaut:

„Münchner Erklärung": Verlage fordern neue Rahmenbedingungen für duales Mediensystem

Führende deutsche Verlags­ma­nager und Verleger legen Grund­satz­papier zum Verhältnis privater Presse und öffentlich-recht­lichen Rundfunk vor / Forderung nach Werbe­verbot, Entkom­mer­zia­li­sierung und Begrenzung öffentlich-recht­licher Medien im Internet auf Bewegtbild und Audio

In der Ausein­an­der­setzung um die geplante Expansion von ARD und ZDF ins Internet haben führende deutsche Verlags­ma­nager und Verleger jetzt ein gemein­sames Grund­satz­papier vorgelegt. Ziel der Erklärung ist es, neue Rahmen­be­din­gungen für ein faires Mitein­ander von freier, unabhän­giger Presse und öffentlich-recht­lichem Rundfunk anzuregen. Der ständige Wandel auf den Medien­märkten erzwingt Reformen. Die Verfasser fordern eine grund­sätz­liche Neuaus­richtung der Medien­po­litik sowie konkrete Verbes­se­rungen im 12. Rundfunk­än­de­rungs­staats­vertrag. Zu den Erstun­ter­zeichnern der "Münchner Erklärung" gehören die Chefs namhafter Verlage wie Burda, Gruner+Jahr, Axel Springer, Bauer, Ganske, Madsack, Ippen und Medien­holding Nord sowie der Verband Deutscher Zeitschrif­ten­ver­leger (VDZ).

Aus Sicht der Unter­zeichner müssen die Medien­an­gebote öffentlich-recht­licher Anstalten im Internet auf Bewegt­bilder und Audio begrenzt werden. In allen ihren Medien sollten sie künftig keine Werbung mehr annehmen, auf jede Form der kommer­zi­ellen Finan­zierung verzichten und die Betei­ligung an privat­wirt­schaft­lichen Unter­nehmen vollständig abbauen. "Jede darüber hinaus­ge­hende Expansion der staatlich finan­zierten Rundfunk­an­stalten ist ebenso unnötig wie gefährlich für den Bestand und die Entwicklung der privat­wirt­schaftlich verfassten Presse und damit für den gesamten Medien­plu­ra­lismus in Deutschland", heißt es in der Erklärung.

Zum aktuellen Rundfunk­än­de­rungs­staats­vertrag fordern die Unter­zeichner entschiedene Nachbes­se­rungen. "Mit den Formu­lie­rungen des derzei­tigen Entwurfs wird es nicht gelingen, das Expan­si­ons­streben der öffentlich-recht­lichen Sender in geordnete Bahnen zu lenken", schreiben die Verfasser.

Der staatlich finan­zierte und organi­sierte Rundfunk mit einer Vielzahl von Angeboten und einem jährlichen Gebüh­ren­auf­kommen von über 7 Milli­arden Euro ist der größte Medien­an­bieter in Deutschland. Die Verleger erkennen darin eine eklatante Verzerrung der Märkte. "Staatlich finan­zierte Medien sind ein recht­fer­ti­gungs­be­dürf­tiger Sonderfall, der für den Bereich der Presse einschließlich ihrer Online-Angebote und auch für weitere Internet-Medien keines­falls legiti­miert werden kann", schreiben sie. Die wettbe­werbs­ver­zer­rende Konkurrenz erscheint besonders bedenklich, da die Online-Angebote deutscher Verlage Qualität und Vielfalt bieten, nachhaltige Finan­zie­rungs­mo­delle aber noch nicht gefunden sind.

Die Erklärung wurde bislang von folgenden Verlegern, Vorstands­vor­sit­zenden und Geschäfts­führern unter­zeichnet: Dr. Hubert Burda (Verleger und VDZ-Präsident), Wolfgang Fürstner (Geschäfts­führer VDZ), Dr. Mathias Döpfner (Vorstands­vor­sit­zender Axel Springer AG), Dr. Bernd Kundrun (Vorstands­vor­sit­zender Gruner +Jahr), Heinz Bauer (Verleger Bauer Verlags­gruppe), Thomas Ganske (Verleger Ganske Verlags­gruppe), Herbert Flecken (Vorsit­zender der Geschäfts­führung Verlags­ge­sell­schaft Madsack GmbH & co. KG), A. Asghar Azmayesh (Sprecher der Geschäfts­führung medien holding:nord GmbH), Dr. Dirk Ippen, Verleger Münchener Zeitungs-Verlag GmbH & Co. KG, Dr. Rudolf Thiemann, Verleger Libori­us­blatt GmbH & Co., Hamm, Dr. Klaus Driever, Geschäfts­führer Verlags­gruppe Weltbild

Die Forde­rungen der Münchner Erklärung in Kurzfassung: Die Unter­zeichner erklären zur grund­sätz­lichen Rolle öffentlich recht­licher Rundfunk­an­stalten:

(1) Öffentlich-recht­liche Medien sind auf Bewegtbild und Audio zu begrenzen. Jedes andere Mittel der journa­lis­ti­schen Darstellung hat zu unter­bleiben.

(2) Werbe­fi­nan­zierung sowie sonstige kommer­zielle Finan­zierung Öffentlich-recht­licher Medien­an­gebote sind vollständig auszu­schließen.

(3) Betei­li­gungen öffentlich-recht­licher Rundfunk­an­stalten an privat­wirt­schaft­lichen Unter­nehmen müssen gänzlich abgebaut und untersagt werden.

zum Entwurf des 12. Rundfunk­än­de­rungs­staats­ver­trags vom 12. Juni 2008:

(4) Keine elektro­nische Presse. Journa­lis­tisch-redak­tio­nelle Texte dürfen nur als sendungs­be­glei­tende Randbe­tä­tigung zulässig sein. Dies ist zweifelsfrei und einklagbar im Gesetz festzu­schreiben.

(5) Enge Grenzen sind umso wichtiger, als ARD und ZDF schon jetzt Strategien entwi­ckeln, um die vorge­se­henen Regelungen des 12. Rundfunk­än­de­rungs­staats­ver­trags Makulatur werden zu lassen. Die Umwid­mungen der digitalen ZDF-Kanäle sind ein klarer Beleg.

(6) Der vorlie­gende Entwurf muss geändert werden, um dem verfas­sungs- und europa­recht­lichen Abstands­gebot zur privaten Online-Presse zu entsprechen

(7) Online-Angebote von ARD und ZDF dürfen nur Inhalte konkreter Sendungen behandeln und nicht länger als bis zu 7 Tage nach deren Ausstrahlung angeboten werden. Der Sendungs­bezug ist kenntlich zu machen.

(8) Auch bei jeder sonstigen Ausweitung des Angebots von tradi­tio­nellen Fernseh­tä­tig­keiten auf Online-Dienste muss die Begrenzung auf unter­stüt­zende Tätig­keiten im Verhältnis zum Haupt­pro­gramm gewähr­leistet sein.

(9) Ratge­ber­portale sind in der Negativ­liste zweifelsfrei auszu­schließen.

(10) Der Drei-Stufen-Test muss von unabhän­gigen Dritten unter Betei­ligung der betrof­fenen privaten Medien durch­ge­führt werden. Entschei­dungen müssen einklagbar sein. Der Test gilt für neue und für bestehende Angebote.

(11) Alle Betei­ligten müssen auf Ebene der politi­schen Entscheider zu Rundfunk- und Teleme­di­en­staats­ver­trägen öffentlich angehört werden.

(12) Wir fordern die Fortsetzung einer breiten öffent­lichen Diskussion über Auftrag und Grenzen des öffentlich-recht­lichen Rundfunks.

Das Dokument im Wortlaut auf den Seiten des VDZ: „Münchner Erklärung“ (Link auf PDF-Dokument; frei zugänglich)