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Kreativverbände fordern Alternative zur Senkung des Rundfunkbeitrags

Auf Initiative des Verbands der Agenturen hätten sich der Bundes­verband Regie, der Verband Deutscher Drehbuch­au­toren, die Kinosektion der Allianz Deutscher Produ­zenten – Film & Fernsehen, der Berufs­verband Kinema­to­grafie, der Bundes­verband Schau­spiel, die SPIO und der Verband Deutscher Filmpro­du­zenten in einem Offenen Brief an die Länder-Regie­rungs­chefs gewandt, meldet Blickpunkt:Film. Darin plädierten die Verbände dafür, den Rundfunk­beitrag nicht um 30 Cent pro Monat zu senken und die Mehrein­nahmen auch nicht ausschließlich als stille Reserve zu nutzen, sondern in besseres Programm zu inves­tieren:  Kreativ­ver­bände plädieren für höhere Programm­in­ves­ti­tionen

Im Wortlaut:

Mehr Investitionen für ein besseres Programm

Eine Alternative zur Senkung des Rundfunkbeitrags

An die Minis­ter­prä­si­den­tinnen und Minis­ter­prä­si­denten von:
Baden-Württemberg, Herrn Winfried Kretschmann
Bayern, Herrn Horst Seehofer
Brandenburg, Herrn Dietmar Woidke
Hessen, Herrn Volker Bouffier
Mecklenburg-Vorpommern, Herrn Erwin Sellering
Nieder­sachsen, Herrn Stephan Weil
Nordrhein-Westfalen, Frau Hannelore Kraft
Rheinland Pfalz, Frau Malu-Dreyer
Saarland, Frau Annegret Kramp-Karren­bauer
Sachsen, Herrn Stanislaw Tillich
Sachsen-Anhalt, Herrn Reiner Haseloff
Schleswig-Holstein, Herrn Torsten Albig
Thüringen, Herrn Bodo Ramelow

An:
den Regie­renden Bürger­meister von Berlin, Herrn Michael Müller
den Präsi­denten des Bremer Senats, Herrn Carsten Sieling
den Ersten Bürger­meister der Hanse­stadt Hamburg, Herrn Olaf Scholz

08. Juni 2016

Sehr geehrte Damen und Herren,

wenn Sie am 16. Juni über die Höhe des Rundfunk­bei­trags befinden, bitten wir Sie nachdrücklich, die folgenden Überle­gungen in Ihre Entscheidung einzu­be­ziehen:
Eine Senkung des Rundfunk­bei­trags um 30 Cent pro Haushalt wird von den Bürgern lediglich als symbo­li­scher Akt gesehen werden. Dem einzelnen Beitrags­zahler verschafft dieser Schritt keinen spürbaren finan­zi­ellen Vorteil. Angesichts des steigenden Finanz­be­darfs der Sender, bei dem der eigent­liche Programm­aufwand momentan gerade einmal 40% beträgt, halten wir eine zusätz­liche Inves­tition in die Produktion fiktio­naler Programme (deren Etats leider noch immer im Schatten der Ausgaben für Sport­rechte stehen) für dringend notwendig.

Wir möchten an dieser Stelle die seit mehreren Gebüh­ren­pe­rioden fortschrei­tenden Einspa­rungen bei Auftrags­pro­duk­tionen und Kino-Kopro­duk­tionen im fiktio­nalen Bereich in Erinnerung rufen.

Im fiktio­nalen Programm­be­reich sind in den letzten zehn Jahren zum Einen weniger Filme in Auftrag gegeben worden, zum Anderen ist bei der Herstellung der reale (= infla­ti­ons­be­rei­nigte) Produk­ti­onswert pro Film um beinahe ein Drittel der Kosten gesunken.
Hersteller fiktio­naler Programme sind überwiegend mittel­stän­dische Filmpro­duk­tionen, deren – oft einzige – Auftrag­geber die öffentlich-recht­lichen Sende­an­stalten sind, die damit eine dominie­rende wirtschaft­liche Markt­macht besitzen. Drastische Kürzungen der Herstel­lungs­budgets, stagnie­rende oder sinkende Gagen/Honorare, die Verdichtung der Arbeits­leistung durch eine Reduzierung der Produk­ti­onstage bei gleich­zei­tiger Erhöhung der täglichen Arbeitszeit schaffen für Kreative, Produ­zenten und weitere Filmschaf­fende immer öfter Arbeits­ver­hält­nisse am Rande der sozialen Verträg­lichkeit. Programm­qua­lität wird unter diesen Bedin­gungen zu Lasten der Produ­zenten und Urheber aufs Spiel gesetzt, das Ausschöpfen von Innova­ti­ons­po­ten­zialen blockiert. Hinzu kommt, dass die Sende­an­stalten gleich­zeitig ihre Nutzungs- und Verwer­tungs­mög­lich­keiten der Filme erweitern, jedoch vermehrt nur noch Einmal­ver­gü­tungen mit der alter­na­tiv­losen Abgabe aller weiteren Rechte anbieten. Bereits im letzten KEF Bericht bemerkte die Kommission hierzu: „Die ARD-Rundfunk­an­stalten erbringen die zusätz­lichen Einspa­rungen insbe­sondere in den Bereichen Urheber- und Leistungs­ver­gü­tungen sowie Auftrags- und Ko-Produk­tionen.“ Dies darf nicht so weiter­gehen!
 
ARD und ZDF haben in ihren Anmel­dungen zum Programm­aufwand für 2017 – 2020 einen Mehrbedarf von 337,5 Mio.€ angemeldet, der endlich ausge­wo­ge­neren Vertrags­be­din­gungen bei Fernseh­auf­trags- und Kino-Ko-Produk­tionen ermög­lichen und das heißt: finan­zieren soll. Von diesem Mehrbedarf hat die KEF wegen nicht ausrei­chend nachge­wie­sener Berech­nungen des Mehrbe­darfs jedoch nur 75% genehmigt. Wir anerkennen ausdrücklich das Bemühen der Anstalten, mit diesen Anmel­dungen die fatale Entwicklung der letzten Jahre im Programm­be­reich umzukehren und dem Programm und damit dem eigent­lichen Auftrag der Anstalten wieder mehr Bedeutung zukommen zu lassen. Und wir danken der KEF dafür, dass sie diese Gegeben­heiten erkannt und den Mehrbedarf im Programm­be­reich mit immerhin 75% anerkannt hat.

Wir sind aller­dings der Überzeugung, dass der von ARD und ZDF für die Gebüh­ren­pe­riode 2017 –
2020 angemeldete Mehraufwand materiell in der Tat in voller Höhe berechtigt war und auch weiterhin erfor­derlich ist, um die Fehlent­wick­lungen der letzten Jahre umzukehren und dem Programm im öffentlich-recht­lichen Fernsehen wieder die Bedeutung und Wertigkeit zukommen zu lassen, auf die die Bürger zu recht Anspruch erheben. Aufgrund des ermit­telten Gebühren­über­schusses von 542,2 Mio.€ fordern wir deshalb, den angemel­deten Mehrbedarf unter Nachweis der Verwendung zu 100%, also mit 337,5 Mio.€, anzuer­kennen. Weitere 200 Mio.€ sollten als Rücklage für den ab 2021 zu erwar­tenden finan­zi­ellen Mehrbedarf genutzt werden. Die verblei­bende Differenz zum Gesamt­über­schuss sollte als Innova­ti­ons­för­derung in das Programm fließen, und hier vor allem in hochwertige fiktionale Auftrags- und Kino-Ko-Produk­tionen, die das Potential auch für den inter­na­tio­nalen Markt haben sollten.

Wir plädieren dafür, den Rundfunk­beitrag weder zu senken noch die Mehrein­nahmen ausschließlich als stille Reserve für den leider aufgrund von Pensions- und Verwal­tungs­kosten- Lasten noch immer wachsenden Finanz­bedarf der Sende­an­stalten zu nutzen. Die überschüs­sigen Mittel sollten den Sende­an­stalten zweck­ge­bunden für Programm­in­no­va­tionen überlassen werden. Eine Inves­tition in die Auftrags- und Ko-Produktion von Filmen wäre ein Gewinn für Alle.

Von einer Bereit­stellung eines zusätz­lichen Postens für fiktionale Programme aus dem von der KEF für 2017 – 2020 ermit­telten Gebühren­über­schusses würden nach unserer Überzeugung auch die deutschen Sende­an­stalten langfristig profi­tieren und auf dem inter­na­tio­nalen Markt konkur­renz­fähig bleiben. Zudem würde die Haushalts­abgabe beim Beitrags­zahler auf größere Akzeptanz stoßen, da er unmit­telbar einen Gegenwert erkennen kann. Ein weiterer positiver Effekt wäre, dass die Länder durch die Auslastung von Filmpro­duk­ti­ons­firmen und fair bezahlten Produ­zenten sowie endlich angemessen vergü­teten Urhebern höhere Rückflüsse in Form von Steuern, Abgaben und Ausgaben im Wirtschafts­kreislauf erhielten.

Wir bitten Sie nachdrücklich, diesen Vorschlag zur Verwendung der Mehrein­nahmen zu berück­sich­tigen, der dem Gebüh­ren­zahler, den Urhebern und Programm­her­stellern und den Anstalten hilft. Auf jeden Fall aber: verzichten Sie bitte auf eine Senkung der Haushalts­abgabe!

Die Vorstände der Verbände
Verband der Agenturen für Film, Fernsehen und Theater e.V. (VdA)
Bundes­verband Regie e.V. (BVR)
Verband Deutscher Drehbuch­au­toren e.V. (VDD)
Kinosektion der Allianz Deutscher Produ­zenten – Film & Fernsehen e.V.
Berufs­verband Kinema­to­grafie e.V. (BVK)
Bundes­verband Schau­spiel e.V. (BFFS)
Spitzen­or­ga­ni­sation der Filmwirt­schaft e.V. (SPIO)
Verband Deutscher Filmpro­du­zenten e.V. (VDFP)