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Berlinale Debatte: Neustart-Sehnsüchte und Dieter Kosslick

Er sei ihr Gesicht und ihre Seele: Seit 16 Jahren leite Dieter Kosslick die Berlinale. Zu lange, so die Aussagen mancher. Es werden struk­tu­relle und perso­nelle Neuerungen gefordert. Von Chris­tiane Peitz in der ZEIT. Seit dem 1. Mai 2001 leite Dieter Kosslick die Inter­na­tio­nalen Filmfest­spiele Berlin. Sein mehrfach verlän­gerter Vertrag ende am 31. Mai 2019. Dann wird er 18 Jahre im Amt gewesen sein. Sein Vorgänger de Hadeln war 20 Jahre im Amt. Am 4. Dezember wird es in der Akademie der Künste in Berlin eine von Kultur­staats­mi­nis­terin Monika Grütters anberaumte Podiums­dis­kussion geben und einen Tag darauf wird es im Haus der Kulturen der Welt eine Tagung des Berlinale-Aufsichtsrats geben – am 5. Dezember. Das Gremium habe, berichtet Peitz, Kosslick gebeten, seine Ideen für eine mögliche Neustruk­tu­rierung vorzu­stellen. „Die Spatzen pfeifen es von den Dächern, dass es künftig eine Gewal­ten­teilung geben soll – und dass Kosslick wohl genau dies vorschlagen wird. Eine Chefin oder ein Chef für die Filmkunst, eine weitere Person fürs Gesell­schaft­liche und fürs Geschäft­liche – bei den Konkur­renten in Cannes und in Venedig ist das längst üblich.“ Peitz bezeichnet die Berlinale weiter als „Riesen­tanker“, der einen Geschäfts­führer oder eine Präsi­dentin und eine künst­le­rische Leitung benötigen würde: „Zwei neue Namen, zwei neue Gesichter aus der inter­na­tio­nalen Festi­valwelt“.

Bei einem histo­ri­schen Abriss seiner Amtszeit und Handlungen betont Seitz: „Dann lockte er die Deutschen. Die Branche hatte die Berlinale unter de Hadeln zuletzt gemieden, wenn nicht gehasst. Kosslick führte eine eigene Reihe ein, die Perspektive Deutsches Kino, zeigt bis heute vier, drei, zwei einhei­mische Werke im Wettbewerb. 1516 deutsche Produk­tionen und Kopro­duk­tionen zählt die Berlinale seit Kosslicks Amtsan­tritt insgesamt.“

Ein weiteres Dilemma der Berlinale sei der Termin. Da die Oscar-Verleihung in den Februar gelegt wurde, sei es schwer Stars zur Berlinale zu bekommen. Seitz weiter: „Wer Oscar-Filme und ihre Stars nach Berlin locken will, müsste das Festival in den Dezember verlegen. Ein struk­tu­relles Dilemma, kein perso­nelles.“

Peitz appel­liert, dass das Festival wohl ein neues Gesicht brauche, aber es Dieter Kosslick es verdiene, „..dass er zwei letzte, gute Jahre hinlegen“ könne. Auch, dass „er würdig verab­schiedet und nicht zum Opfer seines Erfolgs“ gemacht werde. „Dass vor lauter Neustart-Sehnsüchten nicht plötzlich alles passé ist, was die Berlinale ausmacht.“ Ein schwä­bi­scher Human Touch

Mehr Trans­parenz bei der Nachfol­ge­suche
Kai Müller analy­siert im Tages­spiegel, was der Erneue­rungs­wunsch, den 79 Regis­seure geäußert haben, bedeute. So würde u.a. „mehr Trans­parenz“ bei der Nachfol­ge­suche gefordert. Besonders auffallend sei an dem Aufruf, dass mit ihm ein Konflikt offen zutage“ treten würde, „zwischen der Festi­val­leitung, die sich vor allem um die deutsche Filmszene bemüht zu haben meint, und eben dieser Filmszene.“
Müller sieht in der Erklärung eine "Sehnsucht, den Bedeu­tungs­verlust aufzu­halten, den das Festival in den vergan­genen Jahren inter­na­tional erlitten hat. Und sie mündet in der Forderung seitens der Filme­macher, stärker an den die Zukunft des Festivals betref­fenden Entschei­dungen beteiligt zu werden." Für die Neube­setzung des Inten­danten der Berlinale ist Kultur­staats­mi­nis­terin Monika Gründers zuständig. Ein Sprecher aus ihrem Hause habe bekundet: „weitere Möglich­keiten zu einer trans­pa­renten Debatte über die zukünftige Struktur und inhalt­liche Ausrichtung der Berlinale anzubieten“. Berlinale, die nächste

Ebenfalls im Tages­spiegel: Hochhäusler: "Der deutsche Film fühlt sich dort nicht mehr gut aufge­hoben“ / Reihe "Perspektive Deutsches Kino .. im Grunde ein Ghetto“
Der Regisseur Christoph Hochhäusler hat den Aufruf zur Zukunft der Berlinale mit unter­zeichnet. Im Interview mit Chris­tiane Peitz für den Tages­spiegel erklärt er die Kritik am Berliner Filmfes­tival. "Wir haben auch das Gefühl, dass die Berlinale im 16. Jahr Kosslick ein bisschen ausge­leiert ist. Also sehr stark an Profil verloren hat, auch inter­na­tional. Der deutsche Film fühlt sich dort nicht mehr so gut aufge­hoben. Das Festival ist vollkommen unüber­sichtlich geworden.." Hochhäuser weiter: „Vor allem halte ich die Reihe „Perspektive Deutsches Kino“ für proble­ma­tisch. Im Grunde ist sie ein Ghetto, kein inter­na­tio­naler Gast verirrt sich je dorthin. Das deutsche Kino schmort im eigenen Saft und ist auf der Berlinale wie wegge­sperrt – während der Anteil deutscher Filme im Haupt­pro­gramm nicht gestiegen ist.“
Zur Frage nach dem Wunsch­kan­di­daten: „Wir haben uns unter den Initia­toren des Aufrufs früh darauf verständigt, dass wir eine Namens­dis­kussion vermeiden wollen. Aber unser Wunsch­kan­didat wäre jemand, der vor allem kurato­risch erfahren ist, der wirklich glaubhaft fürs Kino brennt, der nicht Funktionär ist, nicht aus der Förder­bü­ro­kratie kommt, der nicht in alle Richtungen Beißhem­mungen hat, weil er die deutsche Szene schon zu gut kennt – also jemand, der frei künst­le­rische Entschei­dungen treffen kann.“ "So verschwinden tolle Filme im Sumpf des Mittel­mä­ßigen“

(Bis hier alle frei zugänglich)

taz.de: "Ein so beein­dru­ckend breites Bündnis gab es selten im deutschen Film."
Filme­macher fordern „Neuanfang“

(auf Wunsch frei zugänglich)

Süddeutsche Zeitung: Tobias Kniebe sieht in der Erklärung der 79 Regis­seure und Regis­seu­rinnen ein offen ausge­spro­chenes Misstrauen gegen Kultur­staats­mi­nis­terin Monika Grütters, die den Berlinale-Chefposten zu vergeben habe und hinter den Kulissen seit einiger Zeit auf der Suche sei. Kniebe weiter: „Eine inter­na­tionale Findungs­kom­mission braucht man nur, wenn man den bisher Zustän­digen nicht zutraut, eine Persön­lichkeit zu identi­fi­zieren, die tatsächlich über die nötigen Quali­fi­ka­tionen verfügt.“ Wer bitte brennt fürs Kino?
(SZ, Ausgabe Nr. 271 vom 25./26.11.17)

Martin Blaney nennt in Screen­daily weitere poten­tielle Namen für eine Nachfolge: Kirsten Niehuus, Petra Müller, Diana Iljine, Christine Dollhofer oder Alexander Horwarth. High-profile German filmmakers call for Berlin Film Festival overhaul


Berlinale-Debatte: Festi­val­di­rektor Dieter Kosslicks Reaktion

Auf Spiegel Online reagierte Festi­val­di­rektor Dieter Kosslick auf die Erklärung von 79 deutschen Filme­ma­chern zu einer möglichen Neuge­staltung der Berlinale. 

79 Filme­macher fordern einen Neuanfang der Berlinale. Jetzt hat sich der Chef des Festivals in einer Stellung­nahme geäußert – bleibt aber vage. Auf die Forderung nach einer Findungs­kom­mission, die nach dem Willen der Regisseur*innen eine heraus­ra­gende kurato­rische Persön­lichkeit finden soll, die für das Kino brennt, gehe Kosslick in seiner Stellung­nahme nicht direkt ein, so im Artikel im Spiegel. Kosslick zur Sache: "Das Berufungs­ver­fahren liegt in Händen der Staats­mi­nis­terin für Kultur und Medien, Prof. Monika Grütters. (…) Der Aufsichtsrat hatte mich aufge­fordert, einen Vorschlag zu einer möglichen Neustruk­tu­rierung der Berlinale zu unter­breiten. Diesen Vorschlag werde ich – völlig unabhängig von meiner Person – dem Aufsichtsrat vorlegen." Kosslick reagiert auf Erklärung der Filme­macher

Blickpunkt:Film: Kosslicks Vertrag läuft Ende Mai 2019 ausKosslick reagiert auf Erklärung der Filme­macher

Tages­spiegel: Debatte um Berlinale-Neuanfang: Politik unter­stützt Forderung nach Trans­parenz und Parti­zi­pation bei der Neube­setzung von Inten­danzen
Die Grünen hätten signa­li­siert, dass sie die Forderung von 79 Regis­seu­rinnen und Regis­seuren für einen Neuanfang bei der Berlinale unter­stützen würden. Der Berliner Abgeordnete Daniel Wesener, bis zum letzten Jahr Landes­vor­sit­zender, erinnerte dazu an das Beispiel der Berliner Volks­bühne. Jüngste Berliner Erfah­rungen deuten darauf hin, dass man sich mit etwas mehr Trans­parenz und Parti­zi­pation bei der Neube­setzung von Inten­danzen und künst­le­ri­schen Leitungen eine Menge Ärger ersparen kann", habe er bei Twitter dazu geschrieben. Um die Berufung von Chris Dercon als Nachfolger des langjäh­rigen Volks­bühnen-Inten­danten Frank Castorf hatte es monatelang Streit gegeben.
Dutzende Filmschaf­fende fordern "Neuanfang" für Berlinale

Kommentar zur Berlinale-Debatte in der Berliner Zeitung von Harry Nutt:
Dabei sei das Anliegen der Filmprofis durchaus ernst zu nehmen, schreibt Nutt: "Sie verleihen ihrer Sorge Ausdruck, dass die politische Entschei­dungs­schwäche auch ihrer künst­le­ri­schen Reputation schaden könne." Endlich Druck im Kultur­kessel