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Die Rede von Peter Boudgoust: „Gestärkte Partnerschaft“

Die Rede von Peter Boudgoust, Vorsit­zender der ARD, im Wortlaut (bitte beachten Sie, dass de gehaltene Rede in einigen Punkten von diesem Manuskript abweicht):

„Schulter-Schluss – Gemeinsame Perspek­tiven der Fernseh­pro­duktion“

Gestärkte Partnerschaft

Sehr geehrte Damen und Herren,

für die Einladung, bei Ihrer Haupt­ver­sammlung sprechen zu können, danke ich Ihnen sehr. Als Sie vor knapp einem Jahr in einem großen Kraftakt die Allianz Deutscher Produ­zenten gegründet haben, ist in der Branche darüber speku­liert worden, ob die neue starke Inter­es­sens­ver­tretung einen „Aufstand der Produ­zenten“ gegenüber den öffentlich-recht­lichen Rundfunk­an­stalten plant. Einen solchen Aufstand hat es im ersten Jahr des Bestehens der Allianz nicht gegeben, wohl aber vielfältige Kontakte mit Herrn Raff, die den Boden für regel­mäßige Gespräche zwischen ARD und der Allianz Deutscher Produ­zenten bereiten sollten.

Auch in der Berufung meines alten Stutt­garter Bekannten Christoph Palmer zum Haupt­ge­schäfts­führer Ihres Verbandes kann ich kein Signal für feind­liche Konfron­ta­tionen erkennen. Insofern fühle ich mich heute in Ihrer Mitte als Gast und Mitstreiter für ein gemein­sames Ziel: Starke kreative Filmpro­duk­tionen für unser Publikum zu reali­sieren. Ein Publikum, das Sie als Produ­zenten und wir als Sender auf der großen Kinoleinwand erreichen, im Fernsehen und in Zeiten der Digita­li­sierung zunehmend auch auf neuen Vertriebs­wegen. Doch so vielfältig wie Sie heute hier vertreten sind, so unter­schiedlich sind oft die Inter­essen – beginnend in der Konkurrenz unter Produ­zenten bei der Jagd nach noch nicht erzählten Geschichten, bei den Gesprächen mit Redak­tionen über Stoff­ent­wick­lungen, die dann im positiven Fall einer Zusam­men­arbeit zu Verhand­lungen über Auftrags­budgets und Rechte­auf­teilung mit den Herstel­lungs­lei­tungen und Honorar- und Lizenz­ab­tei­lungen von ARD und ZDF führen. Dass hier die Vorstel­lungen manchmal diver­gieren, liegt einer­seits in der Natur der unter­schied­lichen Rollen, die Produ­zenten und Fernseh­sender in diesem gemein­samen Prozess einnehmen müssen. Darüber hinaus stellt sich die Frage, wo im Angesicht neuer techni­scher und gesell­schaft­licher Entwick­lungen neue Wege beschritten werden müssen. Hier werden Sie bei der ARD offene, faire und gesprächs­be­reite Partner finden.

Denn eines möchte ich Ihnen versi­chern: Ich glaube an die Kraft gestärkter Partner­schaft. Das gemeinsame Ziel, die gemeinsame Vision als Grundlage jeder Partner­schaft teilen wir. Im prakti­schen Umgang beginnt Partner­schaft beim Zuhören und der Bereit­schaft zu flexiblen Lösungen von Problemen. Insofern gefällt mir Ihr Bild vom „Schul­ter­schluss“ sehr gut, dass Sie als Motto für die heutige Veran­staltung gewählt haben. Ein ähnliches Bild hat Herr Thies vor einem halben Jahr in einem Interview bemüht, als er von einer „Schick­sals­ge­mein­schaft“ von Produ­zenten und Sendern „im Ringen um das bestmög­liche programm­liche Angebot für den Zuschauer“ gesprochen hat.

Aller­dings sahen die öffentlich geführten Debatten des letzten Jahres nicht immer nach Schul­ter­schluss und Schick­sals­ge­mein­schaft aus. Online­jour­na­lismus, Rundfunk­än­de­rungs­staats­vertrag und Dreistu­fentest waren Reizworte in der öffent­lichen Ausein­an­der­setzung über die Festsetzung der neuen Rundfunk­gebühr. Ich meine: Wir haben da manchmal zu viel überein­ander und zu wenig mitein­ander geredet.

Im erbit­terten Streit der Verlage mit den Vertretern von ARD und ZDF hat die junge Allianz Deutscher Produ­zenten nicht die Chance zum öffent­lichen Schul­ter­schluss mit ihren Haupt­auf­trag­gebern – nämlich ARD und ZDF – ergriffen. Das ist schade, denn geschwächte oder gar krisen­ge­schüt­telte Sender können die Schick­sals­ge­mein­schaft mit den Produ­zenten nur im gemein­samen Strudel in den wirtschaft­lichen Abgrund suchen. So weit sind wir glück­li­cher­weise nicht. Ich sehe unsere Chance für eine gestärkte Partner­schaft darin, dass wir früher, inten­siver und mehr mitein­ander reden und dann gezielt für unsere gemein­samen Inter­essen auch öffentlich einstehen. Hierfür haben wir unter den Inten­danten in der ARD die Einrichtung eines regel­mä­ßigen Gesprächs­kreises mit der Allianz beschlossen, mit dem klaren Ziel, weniger überein­ander als mitein­ander zu reden.

Es gibt noch eine andere Front­linie: Im deutschen Feuil­leton ist im letzten Jahr
viel polemi­siert worden über mögliche schäd­liche Einflüsse des Fernsehens auf die Entwicklung des Kinos in Deutschland. Das Reizwort war hier der sogenannte „amphi­bische Film“ – wenn für eine große inter­na­tionale Produktion unter deutscher Feder­führung sowohl eine Kinofassung als auch eine mehrteilige Fernseh­fassung gefertigt werden wie bei „Der Untergang“, „Die Päpstin“, „Henri IV“ oder „Budden­brooks“. Hier hat das Fernsehen ja promi­nente Fürsprecher wie etwa Dominik Graf gefunden, der sich offen zu den ureigenen Gestal­tungs­mög­lich­keiten der Fernseh­äs­thetik bekannt hat.

Aber es gilt auch anders­herum: Ich darf Ihnen versi­chern, in der ARD gibt es viele Fernseh­ver­ant­wort­liche wie mich, die das Kino lieben und viel vom Kino für das Fernsehen gelernt haben. Die Ästhetik der Fernseh­filme, der „Tatorte“ der letzten Jahre spricht hier Bände! Und zwei aktuelle Beispiele belegen, wie gut unsere Fernseh- und Kinoland­schaft in Deutschland unter maßgeb­licher Betei­ligung der vielfäl­tigen Produ­zen­ten­land­schaft und der ARD aufge­stellt ist:

Die Nominierung der amphi­bi­schen Filmpro­duktion „Baader-Meinhoff-Komplex“ für den Oscar als beste auslän­dische Produktion ist ein großar­tiger Beleg für die ästhe­tische Kraft des Kinos in Deutschland – Sie wissen, dass bei dieser Produktion der Constantin die ARD mit der Degeto und dem NDR als redak­tio­nellem Feder­führer maßgeb­licher Partner sind.

Das andere großartige Beispiel ist die Teilnahme von gleich zwei deutschen Produk­tionen im Inter­na­tio­nalen Wettbewerb der heute begin­nenden Berlinale: „Alle anderen“ von Maren Ade und „Sturm“ von Hans-Christian Schmid. Bei Filme sind von den Regis­seuren auch produ­ziert worden, beide Filme wären ohne die ARD und ARTE nicht entstanden. Sie sind redak­tionell feder­führend vom SWR entwi­ckelt und betreut worden. Aber auch der BR und der WDR sind ganz wesent­liche Partner dieser Filme.

Was diese beiden Beispiele für mich am eindrucks­vollsten belegen, ist die ganze Kraft unserer vielfäl­tigen Produk­ti­ons­land­schaft in Deutschland. Auf der einen Seite die große Constantin Film. Wir brauchen die Big Player: die UFA, Studio Hamburg, die Constantin, die Bavaria – auch wenn die Bavaria bis heute nicht Mitglied der Allianz Deutscher Produ­zenten ist. Produk­tionen wie „Baader-Meinhoff-Komplex“, „Mogadischu“ oder „Budden­brooks“ wären ohne die gewaltige Markt­kenntnis und das große finan­zielle Engagement, zu denen nur die ganz Großen der Branche in der Lage sind, nicht möglich. Und wir brauchen in gleichem Maße die Kraft der Kreativen, die sich ebenso häufig nur in den kleinen oder mittel­großen Produk­ti­ons­firmen zu ungeheuren Leistungen aufschwingen kann, manchmal sogar in Erstlings­filmen: „Das Leben der anderen“ fällt mir als Beispiel ein, „Vier Minuten“, „Wer früher stirbt, ist länger tot“, genauso wie die Filme von Fatih Akin –  oder eben die beiden aktuellen Wettbe­werbs­bei­träge der Berlinale.

Auch unsere Fernseh­pro­duk­ti­ons­land­schaft ist eine der kreativsten und quali­tativ hochwer­tigsten in ganz Europa. Von der Berlinale bis zum Fernseh­film­fes­tival in Baden-Baden am Ende des Jahres, von den großen Fernseh­pro­duk­tionen bis zu den „Debüt“-Reihen von ARD und ZDF zeigt sich die große künst­le­rische und handwerk­liche Qualität, mit der wir unser Publikum verwöhnen.

Im künst­le­ri­schen Erfolg wie in der finan­zi­ellen Krise liegt die Chance auf Zukunfts­fä­higkeit in der ehrlichen Analyse der eigenen Fähig­keiten und der eigenen Möglich­keiten. Volker Herres, der Programm­di­rektor Deutsches Fernsehen, hat erst kürzlich wieder an den grund­le­genden Programm­auftrag erinnert, den wir bei ARD und ZDF mit der BBC teilen: „To make the good popular and the popular good“.

Wir ringen gemein­samen mit Ihnen in allen Programm­be­reichen um Innova­tionen, wir wollen exzel­lente, einzig­artige Geschichten erzählen und zu wichtigen Themen der Zeit mit relevanten Filmen Stellung beziehen wie zu Beginn dieser Woche mit der Produktion „Willkommen zuhause“ über einen deutschen Afgha­nis­ten­heim­kehrer.

Mehrwert – Public Value – bieten wir unserem Publikum auch durch besondere Programm­wochen – wie in diesem Jahr zum Thema Ehrenamt. Auch wollen wir unsere Filme noch besser zu Themen­schwer­punkten vernetzen, indem z.B. auf einen Fernsehfilm eine Dokumen­tation zum gleichen Thema folgt oder das Thema eines Spiel­films in einer politi­schen Talksendung noch einmal aufge­griffen wird.
Der Film „Mogadischu“ mit der anschlie­ßenden Sendung von Anne Will und zusätzlich noch der Dokumen­tation zum selben Thema ist ein Beispiel dafür.

Das schließt für uns in der ARD ganz klar auch den Online­be­reich mit ein, denn Erreich­barkeit für alle ist eine der Grund­be­din­gungen öffentlich-recht­lichen Rundfunks: In Form von einem „Seven-days-Catch-up“ in Media­theken, durch Video-on-demand-Angebote, Online-Foren, Pocdasts und anderes mehr müssen wir als Sender uns auf die verän­derten Lebens­ge­wohn­heiten unseres Publikums flexibel einstellen. Auch hierfür brauchen wir Ihre Unter­stützung. Über den fairen Ausgleich der Rechte in den Verwer­tungs­ketten werden wir mit Ihnen einen offenen Dialog führen.

Denn erst gemeinsam sind wir stark:
Die ARD braucht starke, überle­bens­fähige Produ­zenten. Kleinere und mittlere Produ­zenten in den Regionen, Mittel­große und die ganz Großen in den Medien­zentren der Republik. Produ­zenten mit dem Riecher für Themen, die unter die Haut gehen.

Sie – die Produ­zenten – brauchen verläss­liche, finan­ziell ausrei­chend ausge­stattete und mutige Landes­rund­funk­an­stalten, Sie brauchen innovative Redak­tionen, die sich ebenso leiden­schaft­liche wie Sie für Themen und Stoffe begeistern. Gestärkte Partner­schaft auf dieser Grundlage wünsche ich mir für unser Verhältnis. Wenn wir unsere Kräfte bündeln, können wir gemeinsam unsere Vision mit starken Programmen verwirk­lichen. Unser Publikum hat es verdient.