Skip to main content
News

DFFF-Leiterin Berg: „Normalzustand erreicht“

Im Interview mit dem medien­po­li­ti­schen Magazin Promedia (Juni-Ausgabe) sagt Christine Berg, Projekt­lei­terin des DFFF, andere europäische Länder zögen nach den großen Erfolgen des DFFF nach. Italien habe ein neues Tax-Incentive-Modell auf die Beine gestellt, Großbri­tannien seines verfeinert, Ungarn, Öster­reich wollen ein eigenes Förder­pro­gramm initi­ieren, Frank­reich habe seins gerade vorge­stellt. „Die neuen Förder­arten der anderen Länder sind übrigens allesamt sehr nah am DFFF.“ Der DFFF habe nach zwei Jahren erfolg­reicher Förder­tä­tigkeit „quasi den ,Normal­zu­stand‘ erreicht“, es gehe nicht mehr ganz so hektisch zu. Insgesamt sei die Zahl und Qualität der Anträge auch in diesem Jahr vergleichbar mit 2008. Zur Weiter­ent­wicklung des DFFF sagt sie, es habe bereits eine Vielzahl von internen Gesprächen gegeben, „und es wird auch in diesem Jahr eine Exper­ten­runde geben, in der wir den DFFF und dessen Wirkungs­me­cha­nismen genau­estens analy­sieren.“ Die Frage sei, was der DFFF bisher geleistet hat: „Ist es richtig, im Jahr 99 Filme zu fördern? Ist es richtig, die großen Budgets zu fördern? Möchte man die ganz großen oder eher die mittleren und kleinen Filme? Sind genug deutsche Filme bedacht worden?“

Der Beitrag im Wortlaut:

  • DFFF erwartet für 2009, dass der Fonds wieder wie 2007 und 2008 ausge­schöpft wird
  • Nach Verab­schiedung des FFA-Haushalts nimmt Zahl der Antrag­steller deutlich zu
  • Mehrere europäische Länder entwi­ckeln Förder­mo­delle nach dem Vorbild des DFFF

„Wir haben im Moment einen gefühlten Januar statt Mai“

  • Interview mit Christine Berg, Projekt­lei­terin des Deutschen Filmför­der­fonds (DFFF)

Aufgrund des Deutschen Filmför­der­fonds (DFFF) ist Deutschland innerhalb von zwei Jahren zu einem der gefrag­testen Standorte der Filmin­dustrie weltweit geworden. „Es gibt keine vergleichbare Subvention, die eine so hohe Rendite für den Staat abwirft“, erklärte Kultur­staats­mi­nister Bernd Neumann vor dem Kultur-und Medien­aus­schuss des deutschen Bundes­tages. Seit 2007 seien 198 Filme mit insgesamt 118,5 Millionen Euro gefördert worden. In die Herstellung der Filme hätten die daran betei­ligten Produk­ti­ons­firmen allein in Deutschland über 752 Millionen Euro inves­tiert. Die Projekt­lei­terin des DFFF Christine Berg erwartet trotz ungüns­ti­gerer Rahmen­be­dingen auch für 2009 eine ähnlich hohe Antragsflut wie 2007 und 2008.

promedia: Frau Berg, ist der deutsche Spielfilm, gemessen an den Anträgen, die bei Ihnen bisher in diesem Jahr gestellt worden sind, in einem schlech­teren Zustand als 2008?
Berg: In keiner Weise. Auch in diesem Jahr haben wir tolle und viel verspre­chende Filmpro­duk­tionen gefördert, und das wird sich beim Blick auf unsere Liste mit den avisierten Projekten auch in den nächsten Monaten fortsetzen. Was wir in der Tat verspüren, ist eine leichte zeitliche Verzö­gerung bei der Antrags­stellung. Das liegt sicherlich auch darin begründet, dass die Wirkung des DFFF zur Zeit von vier Faktoren beein­flusst wird: Zum ersten sind wir quali­tativ auf einem sehr hohen Niveau angelangt. Wir sehen das nicht zuletzt an den Anträgen, die wir in diesem Jahr auf den Tisch bekommen haben. Dazu zählen auch wieder große Filme wie „The Ghost“ von Roman Polanski oder auch „Freche Mädchen 2“. Darüber hinaus gibt es wieder eine Reihe schöner kleinerer Dokumen­tar­filme. Wir können also auch in diesem Jahr wieder die ganze Palette der Genres bedienen.

Zum zweiten merken wir in quanti­ta­tiver Hinsicht, dass es in den ersten vier Monaten nicht ganz so bewegt war wie in den letzten zwei Jahren. Das mag daran liegen, dass zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abzuschätzen ist, ob und in welcher Form die Finanz­krise mögli­cher­weise auch die Filmin­dustrie erreichen wird. Zum anderen hat sicherlich auch die durch die FFGDis­kussion verur­sachte verspätete Zuteilung der Referenz­mittel der FFA für Unsicherheit gesorgt. So etwas spüren wir natürlich auch. Nachdem jetzt der FFA-Haushalt verab­schiedet wurde und auf die Geneh­migung durch den BKM wartet, werden uns Projekte avisiert, die sich vorher eher etwas verhalten gezeigt haben. Aus diesem Grunde haben wir im Produk­ti­ons­zyklus der Filmwirt­schaft im Moment auch eher einen „gefühlten“ Januar statt den tatsäch­lichen Monat Mai. Vermutlich wird sich 2009 alles etwas mehr in die zweite Jahres­hälfte verschieben und die Haupt­drehzeit nicht im Sommer sein, sondern vielmehr im Herbst.

Des Weiteren sieht sich der DFFF in seinem dritten Jahr inter­na­tional mit deutlich mehr Wettbewerb konfron­tiert – andere europäische Länder ziehen nach den großen Erfolgen des DFFF jetzt nach. Italien, zum Beispiel, hat ein neues Tax-Incentive-Modell auf die Beine gestellt, Großbri­tannien hat seines verfeinert. Ungarn und Öster­reich wollen ein eigenes Förder­pro­gramm initi­ieren und Frank­reich hat sein neues Programm gerade erst auf den Filmfest­spielen in Cannes vorge­stellt. Die neuen Förder­arten der anderen Länder sind übrigens allesamt sehr nah am DFFF. Das freut uns natürlich, weil wir wissen, dass wir es richtig gemacht haben.

Zum Vierten: Als der DFFF 2007 gestartet ist, war es ein ganz beson­deres Jahr: Es gab viele Projekte, die auf 2007 geschoben wurden, weil man in der Branche natürlich wusste, dass der DFFF in den Start­lö­chern stand. Mittler­weile, nach zwei Jahren erfolg­reicher Förder­tä­tigkeit, haben wir quasi den „Normal­zu­stand“ erreicht. Es geht nicht mehr ganz so hektisch zu, deshalb ist ein Vergleich zwischen diesen Jahren auch nicht aussa­ge­kräftig genug, wenn wir den Zustand der produ­zie­renden Filmwirt­schaft bewerten wollen. Aber insgesamt ist die Zahl und Qualität der Anträge auch in diesem Jahr vergleichbar mit 2008.

promedia: Das heißt, es finden gegen­wärtig weniger inter­na­tionale Kopro­duk­tionen statt?
Berg: Nein, es stehen bei uns auch in diesem Jahr mehrere inter­na­tionale Kopro­duk­tionen in der Pipeline, die uns schon länger avisiert worden sind. Wir haben uns auch gerade in Cannes mit vielen inter­na­tio­nalen Produ­zenten getroffen, die uns bestätigt haben, dass der DFFF immer noch das unbüro­kra­tischte, schnellste und attrak­tivste System ist.

promedia:
Es wurde darüber disku­tiert, die 60 Millionen aufzu­stocken. Sehen Sie diese Notwen­digkeit 2009 auch noch?
Berg: Dafür möchte ich zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Prognose abgeben. Wir haben im letzten und im vorletzten Jahr Filmpro­jekte mit jeweils 59 Millionen Euro gefördert und damit dafür gesorgt, dass ein Vielfaches dieser Summe in der deutschen Filmwirt­schaft ausge­geben wurde. Daran lässt sich aber auch erkennen, dass schon ein einziges zusätz­liches Projekt ausge­reicht hätte, und unsere Mittel wären knapp geworden. Dabei rede ich gar nicht über große inter­na­tionale Projekte, es können durchaus auch nur ein oder zwei Projekte aus Deutschland sein, die dazu kommen – und unser Budget wäre ausge­reizt.

promedia: Unter den Antrags­stellern im letzten Jahr waren mehrere Filme größeren Produk­ti­ons­vo­lumens. Sind solche Filme dieses Jahr wieder dabei oder geht die Tendenz hin zu kleineren Filmen?
Berg: Bei den deutschen Filmen ist ganz klar zu erkennen, dass die durch­schnitt­lichen Budgets gestiegen sind im Vergleich zu früheren Jahren. Diese Steigerung kommt unmit­telbar der Profes­sio­na­lität der Produk­tionen zu Gute und fördert zugleich die deutsche Filmwirt­schaft insgesamt. Dieses Niveau wird sich aus unserer Sicht halten. Der DFFF hat es in kurzer Zeit geschafft, nicht nur die durch­schnitt­lichen Herstel­lungs­kosten zu steigern, sondern auch inter­na­tionale Kopro­duk­tionen nach Deutschland zu locken und den Beschäf­ti­gungs­effekt in der deutschen Filmwirt­schaft zu erhöhen. Vor dem DFFF waren Filme mit einem Budget von über 10 Millionen die große Ausnahme, jetzt gibt es immer mehr dieser aufwän­digen Projekte – auch in diesem Jahr. Die zweite Kategorie sind die großen inter­na­tio­nalen Projekte wie Polanskis „The Ghost“, der momentan in Deutschland abgedreht wird – oder auch der Steven Frears Film „Chéri“, der auf der Berlinale lief. Ich erwarte, dass wir noch weitere dieser großen inter­na­tio­nalen Kopro­duk­tionen mit  US-ameri­ka­ni­scher Betei­ligung in diesem Jahr bekommen werden. Spannend bleibt, ob wir auch die ganz großen Produk­tionen wieder nach Deutschland locken können. „Speed Racer“ war ein Film, der unglaublich viel Geld nach Deutschland gebracht hat, in dieser Größen­ordnung werden auch in den USA nicht viele Filme im Jahr reali­siert. Diese Kategorie ist natürlich ein bedeu­tender wirtschaft­licher Faktor und wir können von Glück reden, in Deutschland mit Studio Babelsberg ein Studio zu haben, das inter­na­tional mitmischt und die entspre­chenden Kontakte hat. Übrigens haben unsere Kollegen aus Frank­reich uns in Cannes beglück­wünscht, da sie den neuen Tarantino-Film „Inglou­rious Basterds“ – der ja in Frank­reich spielt – gern auch im eigenen Land gehabt hätten. Dass es nicht so kam, ist auch der Arbeit der letzten Jahre von Studio Babelsberg zuzuschreiben. Aber auch Studio Hamburg, Bavaria und MMC werden in nächster Zeit mit größeren Produk­tionen kommen.

promedia: Wenn die Konkurrenz jetzt besser aufge­stellt ist als in der Vergan­genheit, bedeutet das, den DFFF nachbessern zu müssen?
Berg: Der DFFF zeichnet sich dadurch aus, dass er kein starres System ist, das auf die nächsten 50 Jahre beschränkt ist. Wir befinden uns im Moment im dritten Jahr, es gab bereits eine Vielzahl von internen Gesprächen, und es wird auch in diesem Jahr eine Exper­ten­runde geben, in der wir den DFFF und dessen Wirkungs­me­cha­nismen genau­estens analy­sieren. Der DFFF ist ganz bewusst so flexibel angelegt, dass man relativ schnell auf Verän­de­rungen reagieren kann. Ich bin davon überzeugt, dass der DFFF ein exzel­lentes Förder­instrument ist, doch es gibt natürlich immer wieder Feinheiten, die man verbessern kann und nachjus­tieren muss. Wir müssen sehen, welche neuen innova­tiven Ideen wir brauchen, um auch weiterhin im inter­na­tio­nalen Wettbewerb bestehen zu können.

promedia:
Welche sind das?
Berg: Man muss ganz grund­sätzlich analy­sieren, was der DFFF bisher geleistet hat. Ist es richtig, im Jahr 99 Filme zu fördern? Ist es richtig, die großen Budgets zu fördern? Möchte man die ganz großen oder eher die mittleren und kleinen Filme? Sind genug deutsche Filme bedacht worden? Solche Dinge muss man sich genau betrachten, um den DFFF aktuell auf die Bedürf­nisse und den Bedarf des Marktes auszu­richten. Wenn wir erkennen, dass er an der einen oder anderen Stelle verjüngt, verschlankt oder noch weiter geöffnet werden sollte, muss man die entspre­chenden Stell­schrauben anziehen. Ein Beispiel: Der DFFF funktio­niert sehr gut bei den Dokumen­tar­filmen, was anfangs niemand glauben wollte, weil jeder angenommen hatte, dass dieses Genre bzw. kleine Filme beim DFFF eher heraus­fallen oder behindert würden. Das Gegenteil ist der Fall. Wir haben im letzten Jahr mehr Dokumen­tar­filme gefördert als 2007. Dadurch wurde die Dokumen­tar­film­szene deutlich aufge­wertet, und auch die Verleiher sind insgesamt risiko­freu­diger geworden. Bei 99 geför­derten Filmen muss natürlich auch genau analy­siert werden, ob auch nur Kinofilme gefördert wurden und keine „verkappten Fernseh­spiele“. Der DFFF ist eine reine Kinoför­derung und wird es auch bleiben. Auch muss darüber nachge­dacht werden, wie man es schafft, die eine oder andere inter­na­tionale Produktion mehr nach Deutschland zu holen.

promedia: Was waren die wichtigsten Effekte des DFFF in den letzten zwei Jahren für die deutsche Filmwirt­schaft?
Berg: Wir haben es geschafft, mehr inter­na­tionale Kopro­duk­tionen nach Deutschland zu holen. Damit wurde eine Tür geöffnet, die zugleich neue Finan­zie­rungs­quellen auftat: Deutsche Produ­zenten können mit anderen Ländern verstärkt kopro­du­zieren. Zudem sind die Budgets eindeutig erhöht worden, was einem Film immer zu Gute kommt. Bei allem, was die Qualität verbessert, die der Kinobe­sucher letzt­endlich auf der Leinwand sieht, hat der DFFF stark mitge­wirkt. In der deutschen Produk­ti­ons­land­schaft hat ein starker Know-how-Transfer statt­ge­funden nicht nur mit Filmen wie „Speed Racer“ oder „Valkyrie“, die im visuellen Bereich in Deutschland deutliche Spuren hinter­lassen haben. Firmen wie Scanline oder Trixter sind plötzlich bei großen ameri­ka­ni­schen Filmen, im Wettbewerb, wenn es um digitale Effekte geht. Filmun­ter­nehmen aus Deutschland werden weltweit bekannt, so wie Arri als eine der führenden Kamera­firmen in der Welt bekannt ist. Leute aus dem Ausstat­tungs­be­reich, aber auch Masken- und Kostüm­be­reich werden von inter­na­tio­nalen Produk­tionen gebucht, weil ihre Arbeit mittler­weile weit über die Grenzen anerkannt wird. Das alles ist ganz eindeutig auch auf den DFFF zurück zu führen.

promedia: Wie würde unsere Filmwirt­schaft gegen­wärtig ohne den DFFF dastehen?
Berg: Der DFFF ist ein Glücksfall und das beste Konjunk­tur­paket, das sagen uns auch immer wieder die Produ­zenten. Beim DFFF wird nicht nur Geld vergeben, sondern es findet ein großer Austausch von Erfah­rungen und Infor­ma­tionen statt. Dadurch, dass wir nahezu alle Produ­zenten auf unserem Tableau haben, lassen sich die Erfah­rungen auch verall­ge­meinern und für eine Verbes­serung unserer Förderung wieder nutzen. Und der DFFF hat es geschafft, dass alle ein bisschen zusam­men­rücken und mehr gemeinsame Vorhaben planen. Wir spüren den positiven Effekt auf die Branche, der auch über die insti­tu­tio­nelle Kraft des DFFF ausgeht, weil der Fonds für die wirtschaft­liche Entwicklung der Branche wichtige Impulse gibt. Es ist ein in sich geschlos­sener Kreislauf. (DK)

Aus: Promedia Nr. 6/2009, S. 37/38 – Wiedergabe mit freund­licher Geneh­migung des Promedia-Verlags.