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Dr. Christoph E.Palmer: „2009 noch mit einem blauen Auge davongekommen“

Im Interview mit dem medien­po­li­ti­schen Magazin Promedia (September-Ausgabe) spricht Christoph E. Palmer, Vorsit­zender der Geschäfts­führung der Produ­zen­ten­al­lianz, über die wirtschaft­liche Situation der Produ­zenten in diesem und im nächsten Jahr. über Digita­li­sierung, Piraterie, die Zukunft der FFA  und das Interesse der Sender an hochwer­tigen Inhalten: „Nur gute Quali­täts­pro­gramme erlangen Zuschauer-Akzeptanz, lassen sich verkaufen und sind erfolg­reich"

Der Beitrag im Wortlaut:

  • Produ­zen­ten­al­lianz rechnet für 2010 mit Auftrags­rück­gängen von privaten TV-Sendern
  • Produ­zenten wollen sich an einem fairen Lasten­aus­gleich zur Kinodi­gi­ta­li­sierung betei­ligen
  • Allianz erwartet für den Herbst Verein­barung mit der ARD über Neureglung der Terms of Trade

„Das Kino muss der Premiumort für das Filmerlebnis werden“

  • Interview mit Dr. Christoph E. Palmer, Vorsit­zender der Geschäfts­führung der Allianz Deutscher Produ­zenten

Die Zahl der Kinobe­sucher in Deutschland ist in den ersten sechs Monaten erneut gestiegen: Mit 65,0 Millionen Besuchern waren von Anfang Januar bis Ende Juni vier Millionen Menschen mehr im Kino (6,5%) als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Auch der deutsche Film konnte seine starke Markt­stellung behaupten. In Deutschland produ­zierte und kopro­du­zierte Filme erzielten mit 16,3 Millionen Besuchern im ersten Halbjahr einen Markt­anteil von 25,4 Prozent – nach dem Rekord­ergebnis im Vorjahr (33,9%) ist dies der zweit­höchste Wert.

So erfreulich die Situation für die Kinofilm­pro­du­zenten im 1. Halbjahr 2009, so fraglich ist es die Aussicht für 2010. Der Deutsche Filmför­der­fonds (DFFF) hat in den ersten sechs Monaten dieses Jahres nur 17,7 Mio. Euro an Förder­mitteln für 23 Filmpro­duk­tionen vergeben. Das ist nur etwas mehr als ein Viertel der zur Verfügung stehenden Mittel. Auch die TV-Produ­zenten, die sich für 2009 noch sehr zufrieden zeigen, erwarten für 2010 einen Auftrags­rückgang vor allem der privaten Sender.

promedia: Herr Palmer, die Allianz besteht seit 18 Monaten. Wie reprä­sen­tativ ist sie inzwi­schen für die Produ­zen­ten­land­schaft?
Palmer:
Zur Gründung der Allianz umfasste der Verband ungefähr 80 Mitglieds­firmen. Nach 18 Monaten sind wir nun auf 120 Mitglieds­firmen angewachsen. Das zeigt, dass die Allianz durch Beitritte von Firmen eine große Relevanz erfährt. Wir bilden aber noch nicht die komplette deutsche Produk­ti­ons­land­schaft ab. Es ist also noch einiges zu tun, aber wir sind auf einem guten Weg, denn allein in diesem Jahr haben sich über 20 neue Firmen der Allianz angeschlossen. Mit der Gründung der Sektion Animation ist zudem eine vierte Sektion, mit einem beacht­lichen techno­lo­gi­schen Innova­ti­ons­po­tenzial für die gesamte Szene und Produk­ti­ons­land­schaft, hinzu­ge­treten. Die vollständige Integration des Anima­ti­ons­be­reiches in die Allianz hat Priorität. Ich freue mich auch über den Anschluss etlicher Nachwuchs­firmen zur Allianz. Wir streben eine Mischung aus großen Firmen, mittel­stän­di­schen Firmen und kleinen Nachwuchs­pro­du­zenten an. Das alles macht die deutsche Produ­zen­ten­land­schaft aus.

promedia: In den letzten Wochen gab es wider­sprüch­liche Meldungen über die wirtschaft­liche Situation der Produ­zenten. Wie sehen Sie die wirtschaft­liche Lage im Bereich der Spiel­film­pro­du­zenten?
Palmer:
Die wirtschaft­liche Situation im Jahr 2009 kann noch als ordentlich bezeichnet werden. Die Genres, sowohl im Fernseh­auf­trags­pro­duk­ti­ons­be­reich wie im Kinobe­reich, folgen bei der Auftrags­vergabe anderen Inter­vallen als die übrige Wirtschaft. Wir haben ein längeres Vorlaufs- und Beauf­tra­gungs­in­tervall. Insofern sind wir 2009 noch mit einem blauen Auge davon­ge­kommen. Gleichwohl fürchten wir, dass sich die Krise der Wirtschaft, insbe­sondere der werbe­trei­benden Wirtschaft, im Jahr 2010 voll auf die Produk­ti­ons­land­schaft auswirken wird. Es wird bei den Fernseh­auf­trags­pro­duk­tionen zu einer Diffe­ren­zierung zwischen öffentlich-recht­lichem und privatem Bereich kommen, weil die Privaten im Ergebnis mit massiv nachlas­senden Werbe­bu­chungen leben müssen, während im öffentlich-recht­lichen Bereich bisher keine drama­ti­schen Tendenzen erkennbar sind. Die Einnahmen sind dort im letzten Jahr zwar um rund 40 Millionen Euro zurück­ge­gangen, bei Roherträgen von 7,26 Milli­arden Euro für das öffentlich-recht­liche System fällt dies jedoch nicht ins Gewicht. Es entspricht 0,5 Prozent der GEZ-Einnahmen. Und für 2009 rechnet man nach der Gebüh­ren­er­höhung mit zusätz­lichen 340 Millionen. Im privaten Fernseh­markt sieht es mit Werbe­rück­gängen von 15–25 Prozent ganz anders aus. Für den Kinobe­reich schließlich muss ich einen großen Vorbehalt machen: Es wird 2010 alles von der Weiter­ent­wicklung der FFA und des FFG abhängen.

promedia: Bernd Neumann hat angekündigt, umgehend nach der Wahl mit einer Novel­lierung des FFG zu beginnen. Wie bewerten Sie diese Ankün­digung?
Palmer:
Wir haben in diesem Jahr mit dem FFG und der FFA ein Wechselbad der Gefühle erlebt. Deshalb bin ich bei endgül­tigen Festle­gungen vorsichtig. Es spricht viel dafür, dass es nach der Bundes­tagswahl eine umfas­sende FFG-Novelle geben wird. Diese Novelle muss dann klug aufge­setzt werden, so dass das Solidar­prinzip der FFA-Finan­zierung, ausgelegt auf Dauer­haf­tigkeit und Verläss­lichkeit, erhalten bleibt. Viele führen Solida­rität und Einzah­l­er­ge­rech­tigkeit im Mund und leisten trotzdem Vorbe­halts­zah­lungen. Es gibt einen schönen Spruch: „An den Taten sollt ihr sie erkennen, nicht an den Worten.“ Vor der Bundes­tagswahl wird nichts Richtung­wei­sendes mehr geschehen. Danach wird es mit der dann regie­renden Koalition, wenn möglich aber partei­über­greifend, darum gehen, mit allen Kräften die FFA- Finan­zierung auf dauer­hafte und sichere Grund­lagen zu stellen und insbe­sondere dieses Gespenst der Vorbe­halts­zah­lungen zu vertreiben.

promedia: Der Kompromiss, den der Staats­mi­nister erarbeitet hat, sieht mit der Digita­li­sierung der Kinos ein Junktim vor. Ein Teil der Geldmittel dafür sollen aus dem Haushalt der FFA kommen. Das würde bedeuten, dass die Produ­zenten mögli­cher­weise weniger Förder­mittel zur Verfügung zu haben…
Palmer:
Die Produ­zenten haben sich in den letzten Jahren damit einver­standen erklärt, dass wir im Haushalt der FFA eine so genannte Digita­li­sie­rungs­rücklage gebildet haben. Dies waren keine Mittel, die in die Produktion geflossen sind, sondern gebundene Mittel. Nach der Grund­sys­te­matik hätte dies eigentlich in den allge­meinen Finanztopf der FFA, zur Ausschüttung für die verschie­denen Förder­zwecke, gehen müssen. Die Produ­zenten wären in der Vergan­genheit bereit gewesen, dieses Instru­men­tarium der notwen­digen Digita­li­sierung solida­risch mit zu tragen. Wenn die Kinos also ihre Zahlungs­vor­be­halte zurück­nähmen, stünde das digitale Sparschwein wieder zur Verfügung. Darüber hinaus haben wir uns bereit erklärt, zusammen mit den Verleihern und den Kinos Abrech­nungs­mo­delle zu entwi­ckeln, die zur beschleu­nigten Finan­zierung der flächen­de­ckenden digitalen Umstellung beitragen würden. Wir werden uns auch in Zukunft an einem fairen Lasten­aus­gleich betei­ligen.

promedia: Bedeutet dies, dass die Produ­zenten auf einen Teil der Einnahmen verzichten würden?
Palmer:
Dazu waren wir in der Vergan­genheit bereit und sind es auch jetzt. Wenn wir in Zukunft attrak­tivere Kinobe­din­gungen gewähr­leisten können, dann werden wir uns auch in Zukunft als Teil der Solidar­ge­mein­schaft verstehen.

promedia: Die Kinobe­treiber führen wirtschaft­liche Gründe ins Feld, weshalb sie nicht mehr die Abgaben in bishe­riger Höhe leisten wollen. Wäre dies für sie ein Weg, wenn die Kinobe­treiber zwar weniger, aber dafür wieder unein­ge­schränkt zahlen würden?
Palmer:
Nun muss man berück­sich­tigen, dass den Produ­zenten bereits durch die Novelle des FFG etwa 25 Prozent weniger Förderung aus Referenz­mitteln zur Verfügung stehen. Eine weitere Kürzung, insbe­sondere der Referenz­för­derung, würde diese Förder­sys­te­matik insgesamt äußerst schwierig machen. Wir wären jedoch bereit, die Gesamtheit der Förder­instru­mente und sonstige Ausgaben der FFA insgesamt auf den Prüfstand zu stellen und kritisch auf Einspar­mög­lich­keiten zu durch­leuchten. Wir sind jedoch entschieden dagegen, einen Bereich isoliert heraus­zu­nehmen und weiter in der Referenz­för­derung zu sparen.

promedia: Verleiher, Kinobe­sitzer und FFA versprechen sich von der Digita­li­sierung und den 3D- Filmen steigende Besucher­zahlen, höhere Umsätze und damit mehr Gewinn für die Produ­zenten. Teilen Sie diesen Optimismus?
Palmer:
Gerade angesichts der Heraus­for­derung durch neue Abspiel­formen und der Piraterie durch das Abfilmen in den Kinos gewinnt der ursprüng­liche Kinoort wieder an Authen­ti­zität. Das Kinoer­lebnis auf der großen Leinwand, das Gemein­schafts­er­lebnis und das Ausgehen in das Kino sind immer dem Abspielen eines kleinen, mitge­schnit­tenen Filmchens in einem anderen Format überlegen. Das ist die große Chance des Kinos.

Das Kino muss jedoch stärker der Premi­umort für das Filmerlebnis werden. Das kann nur gelingen, wenn das Kino auch in Zukunft technisch auf der Höhe der Zeit ist. In diesem Zusam­menhang sind Digita­li­sierung und 3D-Projektion von beson­derer Wichtigkeit. Neue Besucher­schichten zu gewinnen und alte zu erhalten gelingt nur, wenn man auf dem „Erleb­nis­klavier“ vorn mitspielt. Die Kinos müssen diesen Innova­ti­ons­schritt bald gehen, ansonsten wird das Kino als Begeg­nungs­stätte für große Besucher­massen unattraktiv. Deshalb ist es in meinen Augen ein Akt des Selbst­er­haltes, dass Kinobe­treiber, Verleiher und wir, die wir als Produ­zenten am Beginn der Wertschöp­fungs­kette stehen, Interesse daran haben.

promedia: 3D-fähige Kinos benötigen natürlich 3D-Filme. Besteht nicht angesichts der derzei­tigen wirtschaft­lichen Situation die Gefahr, dass die ameri­ka­ni­schen Unter­nehmen die Gewinner sein werden, weil sie mit sehr viel Aufwand 3D-Filme produ­zieren können und der deutsche Film „hinten herunter fällt“?
Palmer:
Viele Produk­ti­ons­pro­zesse sind bereits digita­li­siert. Inzwi­schen ist die Technik gut genug, um den gesamten Produk­ti­ons­prozess digital abzuwi­ckeln. In den vergan­genen Jahren ist in Deutschland viel, beispiels­weise in Hochleis­tungs­ka­meras, inves­tiert wurden. Für 3D, da haben Sie recht, werden sich jedoch zunächst nur einzelne Filme eignen. Die gesamte Angebots­pa­lette kann nicht auf Knopf­druck umgestellt werden, weil die Zusatz­kosten nicht unerheblich sind. Auf der anderen Seite ist es wichtig, dass eben diese Projekte statt­finden und wir diese neuen Formen der Präsen­tation nicht ausschließlich ameri­ka­ni­schen Produk­tionen überlassen. Es muss Referenz­bei­spiele geben, die belegen, dass es erfolg­reich ist, 3D-Filme hier zu produ­zieren und abzuspielen.

promedia: Benötigt man dann nicht auch für die Produ­zenten eine 3D-Förderung?
Palmer:
Darüber kann in Verbindung mit dem Gesamt­paket der zukünf­tigen Ausrichtung der FFA gesprochen werden.

promedia: Die Kinobe­sitzer haben kürzlich gefordert, dass statt Masse mehr hochwertige deutsche Filme in die Kinos kommen. Ist das Missver­hältnis zwischen der Zahl der geför­derten Filme und der Filme mit hohen Besucher­zahlen auch ein Thema für die Allianz?
Palmer:
Das ist eine uralte Diskussion. Richtig ist zunächst, dass es, bei der großen Zahl der Kinostarts deutscher Filme, der einzelne Film noch schwerer hat, die Aufmerk­samkeit, die Kritik und das Publikum auf sich zu ziehen. Auch wir würden uns wünschen, dass alle Filme unserer Mitglieder und der gesamten deutschen Produ­zen­ten­land­schaft erfolg­reich sind. Leider ist die Formel, sichere Kinoer­folge vorher­zu­sagen, noch nicht erfunden. Der DFFF hat mit seiner Forderung nach einer gesicherten kommer­zi­ellen Kinover­wertung bereits zu einer verstärkten Ausrichtung der Filme auf eine Kinover­wert­barkeit geführt. Im Übrigen geht die erhöhte Zahl deutscher Kinofilme einher mit einem erhöhten Prozentsatz der Kinozu­schauer deutscher Filme. Ziel muss es sein, die Zahl der hochwer­tigen deutschen Filme zu steigern. Hierzu bedarf es zunächst einer Diskussion darüber, was unter den Förde­rungs­richt­linien des FFG als ein hochwer­tiger Film anzusehen ist. An diesen Kriterien müssen wir noch feilen. Ganz sicher kann zu einem erfolg­reichen Film nicht nur der kommer­zielle Mainstream-Film rechnen. Es geht um eine Balance zwischen kommer­zi­ellem Erfolg und künst­le­ri­schem Anspruch. Filme nicht nur als Wirtschafts-, sondern auch als Kulturgut anzusehen, hat die Stärke des deutschen Kinos ausge­macht. Deshalb muss Raum für das ein oder andere Wagnis bleiben. Quoten und Zuschau­er­zahlen können nicht die einzigen Kriterien sein.

promedia: Ein Teil der Förder­mittel kommt aus den Ländern. Müsste diese Diskussion demnach nicht auch mit den Länder­för­derern geführt werden, denn manche Filme entstehen nur aus Stand­ort­in­ter­essen?
Palmer:
Ich betrachte es als einen beson­deren Vorteil der deutschen filmwirt­schaft­liche Wirklichkeit, dass wir nicht nur ein oder zwei Produk­ti­ons­zentren haben. Es hat sich in Deutschland eine Produk­ti­ons­land­schaft entwi­ckelt, die auch in der Breite sehr beachtlich ist. Davon profi­tiert die Filmpro­duk­ti­ons­land­schaft als Ganzes. Die in den Ländern zur Verfügung gestellten Mittel würden nicht auf die großen Produk­ti­ons­standorte umgeklappt werden, sondern wären nicht mehr vorhanden, da bin ich mir sicher. Deshalb bin ich davon überzeugt, dass die föderale Ausrichtung zu einem Mehrwert für den Film und das Kino insgesamt geführt hat. Ich hoffe, dass nach der Bundes­tagswahl mit der Haushalts­sa­nierung, die sowohl den Bund als auch die Länder erreichen wird, die Förder­mit­tel­vo­lumina der Länder nicht zusam­men­ge­strichen werden. Wir werden mit Argus­augen aufpassen, dass die zarten Pflänzchen nicht einge­stampft werden, sondern die Mittel in allen Ländern mindestens auf dem jetzigen Stand verbleiben.

promedia: Die Fernseh­sender betei­ligen sich auch an der Finan­zierung deutscher Filme. Erwarten Sie hier eine Reduzierung?
Palmer:
Es ist im Eigen­in­teresse des deutschen Sender­quar­tetts, das Auftrags­vo­lumen für Filmpro­duk­tionen im Fernsehen zu halten. Nur gute Quali­täts­pro­gramme erlangen Akzeptanz bei den Zuschauern, lassen sich verkaufen und sind erfolg­reich. Deshalb kann die Erkenntnis bei den Sendern aus Rückgängen bei den Werbe­ein­nahmen und Gebühren nicht darin bestehen, mehr Wieder­ho­lungen zu senden oder Konserven aus dem Ausland zu kaufen. Sie müssen statt­dessen innovative, inter­es­sante Formate und attraktive Stoffe, die unabhängige Produ­zenten entwi­ckelt haben, zeigen. Ich will den Appell formu­lieren, dass schon im Eigen­in­teresse der Sender eine quali­täts­volle Produk­ti­ons­land­schaft erhalten bleiben muss. Das ist die Basis unserer Zusam­men­arbeit.

promedia: Die Verhand­lungen mit den Sendern über eine Verbes­serung der Terms of Trade, inklusive der Onlinen­ut­zungs­rechte, laufen seit etlicher Zeit. Gibt es Fortschritte?
Palmer:
Wir verhandeln nicht mit den vier Sende­fa­milien zusammen, sondern getrennt mit der ARD, dem ZDF, ProSiebenSat.1 und der RTL-Gruppe. Am Weitesten sind wir momentan in den Gesprächen mit der ARD. Es finden zahlreiche Arbeits­gruppen und große Gesprächs­runden statt und im September eine weitere wichtige große Verhand­lungs­runde. Mit der ARD befinden wir uns erst seit etwa einem halben Jahr im Gespräch, dafür ist der Stand der Diskussion überra­schend positiv. Wir kommen in fast allen Bestand­teilen unseres Forde­rungs­ka­talogs voran. Mit dem ZDF sind wir bei den Auslands­rechten (Erlös­be­tei­ligung) durch die alten Verträge bereits weiter voran­ge­schritten als mit der ARD. Auf diesen Verträgen wollen wir aufbauen. Die Gespräche mit dem ZDF werden erst im September aufge­nommen. Mit RTL haben wir die Gespräche Mitte August in Köln begonnen und mit ProSiebenSat.1 werden wir dies im Herbst in München tun. Natürlich hat die Werbe­krise die Gespräche mit den privaten Sende­fa­milien nicht einfacher gemacht. Gleichwohl müssen wir auch in diesen Gesprächen voran­kommen. Bei der ARD bin ich sehr zuver­sichtlich, im Herbst einen Abschluss erzielen und auch beim ZDF hoffe ich darauf.

promedia: Was können die Produ­zenten den Sendern an Gegen­leistung bieten, außer dem Versprechen, immer gute Filme zu liefern?
Palmer:
Eine Überlegung ist es, über faire Modelle der Rechte­teilung stärker nachzu­denken. Eine weitere Überlegung ist, für die Sender als verläss­licher Partner, auch gegenüber der Öffent­lichkeit und in der Politik, zur Verfügung zu stehen. Ich glaube, dass die Politik einer mittel­stän­disch orien­tierten deutschen Produk­ti­ons­wirt­schaft gegenüber manchmal aufge­schlos­sener ist als den großen öffentlich-recht­lichen Sendern gegenüber.

Der Vorteil für die öffentlich-recht­lichen Sender ist es, in uns einen verläss­lichen Partner gegenüber der Politik zu haben, aber auch in der Quali­täts­de­batte gegenüber der Öffent­lichkeit, die nach meinem Eindruck mitunter die Programm­qua­lität der öffentlich- recht­lichen Sender zu kritisch beurteilt. Wenn ich dies mit inter­na­tio­nalem Maßstab vergleiche, komme ich zu dem Ergebnis, dass wir in der Bundes­re­publik Deutschland insgesamt über ein beträcht­liches Quali­täts­pro­gramm in einer erstaun­lichen Vielfalt verfügen.

Dies ist nicht nur eine materielle, sondern auch eine ideelle Partner­schaft. Was die Privaten wiederum betrifft, glaube ich, kann man mit uns hervor­ra­gende neue Formate, Sendein­no­va­tionen und auch Export­schlager entwi­ckeln. Das heißt, wir sind für die Privaten verläss­liche Serien-, aber auch Show- und Format­partner sowie Entwick­lungs­la­bo­ra­torium und in der Lage, daraus Export­qua­li­täten zu entwi­ckeln.

promedia: Der Film hat mit Piraterie zu kämpfen. SPD und Grüne haben eine „Kultur­flatrate“ ins Spiel gebracht. Mit ihr sollen Urheber­rechte vergütet werden, die aus der Inter­net­nutzung entstehen. Wäre das ein Modell, mit dem auch die Produ­zenten leben könnten?
Palmer:
Der überwie­gende Teil der Filmschaf­fenden in Deutschland hofft, dass dieses Konzept abgelehnt wird. Wir sind dabei, uns mit den großen Verbänden auf ein Positi­ons­papier zu verstän­digen, welches die Schwächen des Konzeptes einer „Kultur­flatrate“ offenbart. Auf den ersten Blick ist es faszi­nierend zu sagen, man solle eine einfache, maßvolle und gleiche Abgabe erheben. Zum einen muss man jedoch sehr genau definieren, für wen die Abgabe erhoben wird und wie sie einge­zogen wird. Überhaupt ist unklar, wie sie inter­na­tional organi­sierbar ist. Zweitens muss man klären, was es für das ordnungs­po­li­tische Modell bedeutet, welches damit vom Urheber­recht komplett Abstand nimmt. Drittens sind die Auswir­kungen auf alle anderen Urheber­rechts­be­reiche zu erheben.

Das Modell der „Kultur­flatrate“ ist unserer Meinung nach nicht durch­dacht. Es klingt nach einem bequemen Weg, das Internet als einen rechts­freien Raum zu gestalten. Deshalb hat es in bestimmten Kreisen eine gewisse Akzeptanz gefunden. Wir glauben, dass der Urheber­schutz eine wichtige Errun­gen­schaft ist, die auch bei neuen Verbrei­tungs­wegen zu sichern ist. Wir glauben, dass der bequeme Weg hier der falsche ist und rufen deshalb die Grünen auf, mit uns an Konzepten zu arbeiten, die das Internet eben nicht als einen rechts­freien Raum begreifen, sondern Wege finden wollen, in einem angemes­senen Verhältnis die Inter­essen von Verbrau­chern und Filmschaf­fenden in Einklang zu bringen. (HH)

Aus: Promedia Nr. 9/2009, S. 45–47 – Wiedergabe mit freund­licher Geneh­migung des Promedia-Verlags.