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Alexander Kluge: Die Begabungsreserve des öffentlich-rechtlichen Rundfunks liegt im Hörfunk – Vor allem muss man das Selbstbewusstsein der Produktionssphäre aufrechterhalten

„Auch im öffentlich-recht­lichen Rundfunk sind die wichtigsten Begabungen aus dem Hörfunk gekommen: Günther Jauch, Thomas Gottschalk . . . Die Radio­mo­de­ra­toren haben eine große Nähe zu dem, was in den Menschen immer gegen­wärtig ist. Das ist Mündlichkeit und das Hören. Das Ohr unter­scheidet besser, wem ich vertrauen kann, als das Auge, das sich durch Werbung schneller täuschen lässt. Die Begabungs­re­serve liegt im Hörfunk.“

Zum aktuellen Fernseh­pro­gramm äußert Kluge: „Im Moment haben Sie eine Fehlent­wicklung. So viel Krimi­na­lität wie derzeit in den Krimis durch­de­kli­niert wird, gibt es in der Gesell­schaft gar nicht. Das ist die Anpassung an angeb­liche Zielgruppen. Eine Zielgruppe ist nichts Wirkliches.“ An einer anderen Stelle kriti­siert er: „Die versam­melten Samstags­pro­gramme des deutschen Fernsehens sind inter­na­tional nicht konkur­renz­fähig. Man kann sie in keinem anderen Land vorführen, das ist für gebüh­ren­fi­nan­ziertes Fernsehen eine Affen­schande.“ Er hebt aber auch das Fernsehen als „Leitmedium“ hervor: „Weil es im Netz keine zentrale Stelle gibt, geht man zu dem gemein­samen Ort, das ist das öffentlich-recht­liche Fernsehen. Das ist ein hohes Gut, man hat ein Vertrau­ens­ver­hältnis zu den Leitmedien.“

Kluge äußert weiterhin zu einer durch Algorithmen und Strea­ming­dienste verän­derten Realität: „Vor allem muss man das Selbst­be­wusstsein der Produk­ti­ons­sphäre aufrecht­erhalten, wenn sich sonst alles in Infor­matik auflöst. Wir brauchen mensch­liche Arbeit in der Gesell­schaft. Wir müssen die schwie­rigere Arbeitswelt vertei­digen gegen die Vertei­lerwelt.“

Auch hebt er hervor, dass „ein intaktes öffentlich-recht­liches System“ es vermag, dass in unserem Land ein Medien­mogul wie Berlusconi nicht Minis­ter­prä­sident werden könne und „es lässt einen Sender wie Fox nicht zu, der im Weißen Haus einen Präsi­denten beschert.“

Auszüge aus dem Interview mit Diemut Roether (S. 7-14) in dem 40-seitigen Sonderheft des Branchen­fach­dienstes epd medien. Das Heft wurde anlässlich seines 70-jähriges Bestehens veröf­fent­licht und enthält viele lesens­werte Artikel. epd-medien Sonder­ausgabe 70 Jahre