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Pressemitteilung

Appell der Produzentenallianz an die Abgeordneten des EU-Parlaments in einem offenen Brief: „Folgen Sie nicht der Aufforderung von Vizepräsident Andrus Ansip zu einer erneuten Erörterung der SatCab-Verordnung!“

Berlin, 11. Dezember 2017 – Die Allianz Deutscher Produ­zenten – Film & Fernsehen e.V. (Produ­zen­ten­al­lianz) wendet sich in einem offenen Brief an alle Abgeord­neten des Europäi­schen Parla­ments, den Forde­rungen nach einer erneuten Erörterung der SatCab-Verordnung im Plenum am 12. Dezember 2017 nicht zu folgen. Zuletzt hatte in einem außer­ge­wöhn­lichen Schritt der Vizeprä­sident der Europäi­schen Kommission, Andrus Ansip, die Abgeord­neten schriftlich dazu aufge­fordert, die Beschluss­fas­sungen des juris­ti­schen Ausschusses und der mitbe­ra­tenden Ausschüsse INTA, ITRE, IMCO und CULT vom 21. November 2017 rückgängig zu machen. Die Beschluss­fassung sieht vor, im Entwurf der SatCab-Verordnung das Ursprungs­land­prinzip bei rundfunk­nahen Diensten (Media­theken) auf Nachrichten und Bericht­erstat­tungen zum Tages­ge­schehen zu beschränken. Hiermit wurde eine sinnvolle Regelung mit richtigem Maß beschlossen, die von der Produ­zen­ten­al­lianz ausdrücklich begrüßt und lange eindringlich gefordert wurde. Die Ausfüh­rungen von Kommissar Ansip in seinem Schreiben vom 4. Dezember 2017 stellen sich demge­genüber aus Sicht der Produ­zen­ten­al­lianz als klar irreführend dar, wie die Produ­zen­ten­al­lianz konkret in sieben Punkten im nachfol­genden Schreiben darstellt:

Offener Brief an die Abgeord­neten des Europäi­schen Parla­ments mit der Bitte den Forde­rungen auf eine erneute Erörterung der SatCab-Verordnung nicht zu folgen

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Abgeordnete des Europäi­schen Parla­ments,

in einem sehr außer­ge­wöhn­lichen Schritt hat sich der Vizeprä­sident der Europäi­schen Kommission, Andrus Ansip, mit Schreiben vom 4. Dezember 2017 an Sie als Mitglied des Europäi­schen Parla­ments gewandt und Sie und die anderen Mitglieder des Parla­ments aufge­fordert, Beschluss­fas­sungen des juris­ti­schen Ausschusses des Europäi­schen Parla­ments und der mitbe­ra­tenden Ausschüsse INTA, ITRE, IMCO, CULT wieder rückgängig zu machen. Diese hatten sich dafür einge­setzt, das in dem Entwurf einer Kabel und Satel­li­ten­ver­ordnung auch für rundfunknahe Dienste (Media­theken) vorge­sehene Ursprungs­land­prinzip auf Nachrichten und Bericht­erstat­tungen zum Tages­ge­schehen zu beschränken. Folge der Einführung des Ursprungs­land­prinzips wäre, dass Rundfunk­sender für ihre Media­theken Rechte nur noch in dem Land erwerben müssen, in dem die Mediathek veran­staltet wird, und die Programme dann ohne weiteren Rechts­erwerb von dort aus in ganz Europa anbieten könnten. Kommissar Ansip fordert Sie und die Abgeord­neten in seinem Schreiben nunmehr auf, das Ursprungs­land­prinzip auch auf alle Eigen- und Auftrags­pro­duk­tionen der Sender zu erweitern. Dies begründet er damit, dass die Sender nur so 90 bis 95 % ihres Programmes für ein europa­weites Angebot bereit­stellen könnten.

Die Ausfüh­rungen in dem Schreiben des Kommissars Ansip sind jedoch extrem irreführend. Und dies aus folgenden Gründen:

1.   Kommissar Ansip verschweigt, dass natürlich schon heute europa­weite Lizenzen ohne weiteres erworben werden können. Sie müssten nur entspre­chend dem erwei­terten Auswer­tungs­gebiet auch angemessen vergütet werden.

2.   Die Rechte­klärung für eine entspre­chend europa­weite Lizenz ist bei Fremd­pro­duk­tionen auch keineswegs schwierig, da der Produzent des Filmes in der Regel über die entspre­chenden Rechte verfügt. Hat sich der Produzent hingegen für eine terri­torial abgegrenzte Verwertung in Europa entschieden, um eine Refinan­zierung der Produktion zu ermög­lichen, gibt es gute Gründe, eine europa­weite Verfüg­barkeit in den Media­theken, die nach dem Motto „buy 1 – get 27 for free“ funktio­nieren würde, eben nicht zuzulassen.

3.   Die Befür­worter einer umfas­senden Geltung des Ursprungs­land­prinzips haben bislang die Sorgen der Produ­zenten und Kreativen damit zu besänf­tigen versucht, dass es den jewei­ligen Lizenz­gebern weiterhin freistehen soll, auf der Anwendung von Geoblo­cking Maßnahmen und damit einer terri­torial begrenzten Verbreitung zu bestehen. Wenn Kommissar Ansip aber seinen Vorschlag nunmehr damit begründet, dass in dessen Folge bis zu 95 % des Programmes europaweit verfügbar wären, macht er überdeutlich, dass Produ­zenten und andere Lizenz­geber künftig faktisch nicht in der Lage sein werden, auf entspre­chenden terri­torial begrenzten Lizenzen zu bestehen.

4.   Das Schreiben von Kommissar Ansip ist auch in sich wider­sprüchlich, indem er einer­seits erklärt, jeder fünfte Europäer habe ein Interesse am grenz­über­schrei­tenden Zugang zu Inhalten, und gleich­zeitig zusätz­liche Vergü­tungen erst und nur dann verspricht, wenn tatsächlich gestei­gerte Zuschau­er­zahlen erreicht werden.

5.   In keiner Weise erklärt Kommissar Ansip im Übrigen, wie Produ­zenten und Lizenz­geber entspre­chend höhere Lizenz­erlöse bei Geltung des Ursprungs­land­prinzips würden durch­setzen können. Die Erfahrung auf natio­naler Ebene ist eine ganz andere. Hier argumen­tieren die Rundfunk­sender stets, dass zusätz­liche Online Nutzer (allen­falls) schwin­dende TV Zuschau­er­zahlen kompen­sieren würden und deshalb Zusatz­zah­lungen nicht in Betracht kommen.

6.   Weiterhin völlig unberück­sichtigt lässt Kommissar Ansip die drama­ti­schen Folgen, die eine europa­weite Verfüg­barkeit der Online Dienste der Sender mit sich bringen würde. Sie würde – wie auch durch mehrere Studien belegt wurde – zum Wegbrechen des europäi­schen Lizenz­marktes führen, da poten­tielle Lizenz­nehmer im europäi­schen Ausland Filme aus dem Ursprungsland nicht mehr für eine Auswertung in ihren Ländern erwerben würden, da ihnen das Risiko für eine eigen­ständige Verwertung im Hinblick auf die europa­weite Verfüg­barkeit der gleichen Programme in den Media­theken der Ursprungs­länder zu hoch wäre. Die Vorschläge Ansips würden somit die Refinan­zier­barkeit von Programm­in­ves­ti­tionen schwer beein­träch­tigen und damit zu erheb­lichen Rückgängen in der Produk­ti­ons­tä­tigkeit in allen Mitglieds­staaten und auch in Deutschland führen.

7.   Und auch das letzte Argument von Kommissar Ansip, seine Vorschläge würden europäische Online Anbieter gegenüber ihren ameri­ka­ni­schen Konkur­renten stärken und die Schaffung von „EU Netflixes“ ermög­lichen, geht fehl. Wie falsch dieser Vergleich ist, zeigt sich schon daran, dass Netflix seinen Erfolg nicht darauf aufbaut, Rechte nur für ein Land zu erwerben und die Programme dann von dort aus weltweit auszuüben. Ganz im Gegenteil erwirbt Netflix in Überein­stimmung mit dem geltenden Urheber­recht Rechte für alle von Netflix bedienten Auswer­tungs­ge­biete. Zum Anderen würde der Vorschlag des Kommissars Ansip Tür und Tor für Umgehungen öffnen, da jeder VoD Anbieter auch einen TV Sender in Europa gründen könnte und daran angehängt eigene „rundfunknahe VoD-Dienste“ anbieten und dann das Ursprungs­land­prinzip für sich nutzen könnte.

Wir bitten Sie und alle Mitglieder des Europäi­schen Parla­ments deshalb, den Forde­rungen auf eine erneute Erörterung der Regelungen der Sat/Cab Verordnung nicht Folge zu leisten.

gez. Alexander Thies, Vorsit­zender des Gesamt­vor­stands
Dr. Christoph E. Palmer, Vorsit­zender der Geschäfts­führung
Allianz Deutscher Produ­zenten – Film & Fernsehen e.V.

Die Allianz Deutscher Produ­zenten – Film & Fernsehen ist die maßgeb­liche Inter­es­sen­ver­tretung der deutschen Produ­zenten von Film-, Fernseh- und anderen audio­vi­su­ellen Werken. Sie vereint ca. 250 Produk­ti­ons­un­ter­nehmen aus den Bereichen Animation, Dokumen­tation, Kinofilm, TV-Enter­tainment, TV-Fiktion und Werbung.