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BKM Neumann: „Hier ist keiner erpressbar“

Im Interview mit dem medien­po­li­ti­schen Magazin Promedia (August-Ausgabe) spricht Kultur­staats­mi­nister Bernd Neumann über seinen Einsatz für ein Staatsziel Kultur, den Konflikt um die FFA-Finan­zierung, Kinodi­gi­ta­li­sie­rungs­hilfen, Antipi­ra­te­rie­stra­tegien und die nächste Wahlpe­riode. Zwar habe sich noch nicht dazu geäußert, ob er gegebe­nen­falls in der nächsten Regierung das Amt des Kultur­staats­mi­nisters wieder ausüben will, er erklärt aber, dass ihm „die Aufgabe des Staats­mi­nisters für Kultur und Medien viel Spaß und Freude macht“.

Der Beitrag im Wortlaut:

  • Bernd Neumann tritt weiter für das Staatsziel „Kultur“ im Grund­gesetz ein
  • Kultur­staats­mi­nister erwartet nach Kompro­miss­vor­schlag Lösung des Konfliktes mit Kinobe­treibern
  • Neben der FFA sollen auch der Bund und die Länder die Digita­li­sierung der Kinos finan­ziell unter­stützen

 „Ich selbst verstehe mich mehr als Moderator“

Als Bernd Neumann (CDU) 2005 das Amt des Kultur­staats­mi­nisters von Christina Weiss übernahm, waren wichtige Probleme im Bereich der Filmför­derung und der Medien ungelöst: Der Filmpro­duk­ti­ons­standort Deutschland verlor gegenüber der inter­na­tio­nalen Konkurrenz zunehmend an Boden, mit großzü­gigen finan­zi­ellen Subven­tionen wurden Filmpro­du­zenten nach England, Ungarn, Tsche­chien oder Kanada gelockt. Deutsche Produ­zenten waren durch zahlreiche gesetz­liche Regelungen benach­teiligt. Zudem musste das Filmför­der­gesetz an die verän­derte Rezep­ti­ons­be­din­gungen für Filme angepasst werden und die Digita­li­sierung der Kinos stand auf der Tages­ordnung. Ungeklärte Urheber­rechts­fragen belas­teten die Kreativen und mit dem 2. Korb des Urheber­rechts drohte eine teilweise Enteignung im Internet. Vor großen Heraus­for­de­rungen stand auch die Deutsche Welle, deren Etat seit Jahren rückläufig war und die ihre Aufgabe und ihr Profil neu definieren musste.

Die deutsche Filmwirt­schaft ist trotz der Krise in guter Verfassung und die Deutsche Welle ist, auch Dank eines erhöhten Etats, heute in der Lage, auf den globalen Umbruch der Medien­re­zeption zu reagieren.

Der Markt­anteil des deutschen Films ist gestiegen, auch Dank des Deutschen Filmför­der­fonds, durch den von 2006 – 2009 180 Millionen Euro in die deutsche Filmwirt­schaft fließen, und für die nächsten drei Jahre ist noch einmal das gleiche Volumen zugesi­chert. Schwie­riger als gedacht erwies sich die Novel­lierung des Filmför­der­ge­setzes (FFG), weil ein Teil der Kinobe­treiber mit der jetzigen Einzahlung in den „Fördertopf“ nicht einver­standen sind. Mancher sah bereits die Filmför­derung des Bundes gefährdet. In einem promedia-Gespräch zeigt sich der Kultur­staat­mi­nister aber optimis­tisch, dass auch dieser Konflikt gelöst und das FFG Bestand haben wird. Man müsse, so Neumann, den Konflikte möglichst rational bearbeiten und „dazu gehört, dass wir das tun, was nötig ist, um den Bedenken des Bundes­ver­wal­tungs­ge­richts gerecht zu werden und den Klagen und Beschwerden einiger Kinoketten die Grundlage zu entziehen. Das alles soll in einem Gesamt­paket, in das auch die Diskussion über die Abgabenhöhe einbe­zogen wird, erledigt werden.“

promedia: Herr Neumann, Ihre Arbeit als Kultur­staats­mi­nister wird inzwi­schen auch von vielen Feuil­le­to­nisten gelobt, die Ihren Amtsan­tritt anfangs skeptisch begleitet haben. Warum konnten Sie als Kultur­staats­mi­nister nicht Ihre Fraktion überzeugen, für ein Staatsziel Kultur im Grund­gesetz zu plädieren?
Neumann: Bei der Entscheidung hat sich wohl ein Argument durch­ge­setzt, das sich aller­dings nicht gegen den Stellenwert der Kultur richtet: Eine Mehrzahl der Kolle­ginnen und Kollegen stand generell der Aufnahme von Staats­zielen in die Verfassung skeptisch gegenüber. Denn es wurde ja auch gefordert, den Sport und die Nachhal­tigkeit als Staats­ziele aufzu­nehmen.

Für mich aller­dings hat die Kultur eine prinzi­pi­ellere Bedeutung, denn sie allein ist Grundlage unserer Identität, sie prägt unser Land und unsere Gesell­schaft und hält sie zusammen.

Deshalb trete ich für die Aufnahme der Kultur ins Grund­gesetz ein und gebe dieses Ziel auch nicht auf.

promedia: Hätte eine solche Grund­ge­setz­än­derung Ihre Arbeit erleichtert?
Neumann: Nein, ich habe auch ohne Staats­ziel­be­stimmung alles erreicht, was in der Koali­ti­ons­ver­ein­barung festge­halten wurde und was ich mir darüber hinaus vorge­nommen hatte. Ich konnte in dieser Legis­la­tur­pe­riode den Kultur­haushalt um mehr als 10 Prozent erhöhen, hinzu kommen das Sonder­in­ves­ti­ti­ons­pro­gramm in der Höhe von 400 Mio. Euro für den Erhalt von kultu­rellem Erbe und 100 Mio. Euro aus dem Konjunk­tur­paket II zur Erneuerung der kultu­rellen Infra­struktur. Dennoch hätte die Aufnahme der Kultur als Staatsziel im Grund­gesetz eine positive Signal­wirkung für die Kultur – insbe­sondere auch in der Fläche.

promedia: Sie haben damit Jahr für Jahr eine Erhöhung Ihres Budgets erreicht, nachdem es vorher reduziert worden war. Rechnen Sie damit, in den nächsten Jahren Abstriche verkraften zu müssen?
Neumann: Wir können derzeit natürlich nicht vorher­sagen, wie die gesamt­wirt­schaft­lichen Entwick­lungen verlaufen und welche Auswir­kungen dies auf den Bundes­haushalt haben wird. Sicherlich wird es in den nächsten Jahren angesichts der bestehenden Haushalts­be­las­tungen nicht einfach werden. Ich bin aber zuver­sichtlich und werde weiter für die Stärkung von Kultur kämpfen.

promedia: Wie groß sehen Sie die Gefahr, dass durch das neue Kosten­dämp­fungs­gesetz in den nächsten Jahren die Kommunen vor allem an der Kultur sparen?
Neumann: Es muss hier Überzeu­gungs­arbeit geleistet werden, dass es gerade in wirtschaft­lichen Krisen­zeiten falsch wäre, in einem Bereich zu sparen, der für den gesell­schaft­lichen Zusam­menhalt und die eigene Identität von hoher Bedeutung ist. Ich versuche in diesem Sinne meine Kollegen in den Ländern und Kommunen zu unter­stützen und zu motivieren.

promedia: Sie haben sich in den vergan­genen Jahren sehr stark für den deutschen Film engagiert. Konter­ka­riert die Ausein­an­der­setzung um das FFG jetzt nicht alle Ihre Bemühungen, weil ein wichtiges Ketten­glied der Förderung gefährdet ist?

Neumann: Ich habe Filmför­derung immer als eine Aufgabe für alle begriffen, die am deutschen Film beteiligt und inter­es­siert sind. Dazu gehören nicht nur die staat­lichen Stellen (Bund und Länder), sondern natürlich auch die Filmwirt­schaft. Nur so ist auch das FFG entstanden – als ein Selbst­hil­fe­gesetz, das sich im Laufe der Jahre als wichtiges Instrument in unserer Förder­land­schaft bewährt hat. Ich habe aber auch immer wieder betont, dass das System von dem Konsens der gesamten Branche lebt.

Deshalb haben wir ja die letzte Novel­lierung des FFG in unendlich vielen Gesprächen mit allen Betei­ligten abgestimmt. Wenn nun von einer Zahler­gruppe einge­wandt wird, dass im Zeichen der Wirtschafts­krise die Belastung durch die Beiträge zum FFG zu groß sei, so werden wir darüber mit allen Zahler­gruppen reden und mögli­cher­weise eine neue Regelung im Konsens herbei­führen.

Die Filmwirt­schaft selbst muss wissen, wie viel ihr der deutsche Film wert ist. Ich selbst verstehe mich da mehr als Moderator, aber gerade deshalb bin ich auch zuver­sichtlich.

promedia: Fühlen Sie sich von der Reaktion einiger Kinoketten aber dennoch nicht auch persönlich betroffen?

Neumann: Ich bin schon sehr lange in der Politik aktiv, und im Laufe dieser Zeit erlebt man Erfreu­liches wie Enttäu­schendes. Weil ich aber Politik nicht nur mit dem Kopf, sondern auch mit Herz betreibe, sind mir Emotionen nicht fremd. Jeder weiß, wie wichtig mir gerade das Wohl der Kinos ist – und damit meine ich das Wohl aller Kinos, der großen und der kleinen. Ich habe mich immer auch für die kleinen Kinos einge­setzt, und das wird auch in Zukunft so bleiben. Gleichwohl muss man Konflikte möglichst rational bearbeiten und dazu gehört, dass wir das tun, was nötig ist, um den Bedenken des Bundes­ver­wal­tungs­ge­richts gerecht zu werden und den Klagen und Beschwerden einiger Kinoketten die Grundlage zu entziehen. Das alles soll in einem Gesamt­paket, in das auch die Diskussion über die Abgabenhöhe einbe­zogen wird, erledigt werden.

promedia: Wird es im nächsten Jahr eine „große Novel­lierung“ geben, mit wesent­lichen Verän­de­rungen?
Neumann: Ich habe bereits zum Ausdruck gebracht, dass das FFG auf einem Konsens aller Betei­ligten beruht. Doch Konsens lässt sich häufig nur durch Kompro­misse erreichen. Wir werden uns in der nächsten Legis­la­tur­pe­riode deshalb erneut um diese Kompro­misse bemühen müssen. Dabei möchte ich nicht von vornherein Themen­ge­biete ausschließen. Aber schwer­punkt­mäßig werden wir uns mit Höhe und Form der Abgaben befassen, wozu auch die gesetz­liche Normierung der Beiträge der Fernseh­ver­an­stalter gehört.

promedia: Wie erpressbar ist die Filmwirt­schaft durch die Forde­rungen der Kinos?
Neumann: Hier ist keiner erpressbar, denn bei allen geht es ja um die Zukunft der Kinos, und diese werden nicht den Ast absägen, auf dem sie sitzen. Die Kinos brauchen die deutschen Filme, nur mit ameri­ka­ni­schen Block­bustern würden sie Profil und Zuschauer verlieren. Sie prägen ihr Bild als eine Erleb­nis­stätte, die im Herzen unserer Gesell­schaft verwurzelt ist. Darauf kann niemand verzichten, der im Kultur­be­reich lebt. Das ist auch der Grund, warum ich mich als Kultur­staats­mi­nister für eine Verstän­digung mit allen Kinos einsetze.

promedia: Wie realis­tisch sehen Sie die Chance, trotz der Ausein­an­der­setzung um das FFG, schnell mit der Digita­li­sierung der Kinos zu beginnen?
Neumann: Je schneller die Betei­ligten in der FFA zu einem Konsens kommen, desto schneller werden wir ein wirtschaftlich tragfä­higes Modell der Digita­li­sierung umsetzen können. Die FFA ist ein wichtiger Partner bei allen denkbaren Modellen zur Digita­li­sierung der Kinos. Ich habe deshalb einen Vorschlag gemacht, der einen Digita­li­sie­rungs­prozess innerhalb eines Zeitraumes von fünf Jahren umfasst. Besonders wichtig ist mir dabei, dass alle Kinos einbe­zogen werden, die einen regulären Spiel­be­trieb haben. Einen Ausverkauf unserer Kinoland­schaft kann und darf es nicht geben. Mein Modell basiert darauf, dass die FFA in den kommenden beiden Jahren etwa 30 Mio. Euro bereit­stellen kann. Das geht aber nur, wenn alle Klagen zurück­ge­nommen werden und die Filmtheater vorbe­haltlos ihre Beiträge nach dem Gesetz entrichten. Grund­sätzlich positive Signale dazu höre ich gerade vom HDF Kino.

Zusätzlich werde ich mich dafür einsetzen, dass auch Bund und Länder diesen Umstel­lungs­prozess unter­stützen. Nur auf diesem Wege werden wir gewähr­leisten können, dass alle Kinos berück­sichtigt werden.

promedia: Warum soll die Digita­li­sierung der Kinos teilweise staatlich subven­tio­niert werden, während andere Medien wie Zeitungen oder das Radio diesen kompli­zierten Prozess ohne Subven­tionen bewäl­tigen müssen?
Neumann: Förde­rungen sind auf vielfältige Art und Weise denkbar, wie durch finan­zielle Hilfen, aber auch durch die für eine Branche günstige Gestaltung von Rahmen­be­din­gungen. Wenn ich mir andere Medien­be­reiche anschaue, so haben wir auch dort versucht, mindestens indirekt Hilfen zu geben. Es werden dem öffentlich-recht­lichen Fernsehen z.B. durch den Beihil­fe­kom­promiss in Brüssel und dessen Umsetzung im Rundfunk­staats­vertrag, Angebote ermög­licht, die seiner beson­deren Funktion als Infor­ma­tions-, Bildungs- und Unter­hal­tungs­medium entsprechen. Kommer­zielle Felder haben wir dagegen für die privat­rechtlich tätigen Unter­nehmen eröffnet z.B. dadurch, dass wir die möglichen Aktivi­täten der öffentlich-recht­lichen Anstalten im Online-Bereich deutlich begrenzen.

promedia: Der Schutz der Urheber­rechte begleitet Ihre Amtszeit von Anfang an. Man hat den Eindruck, dass sich trotz des 2. Korbes nicht viel zum Schutz der Urheber gebessert hat, im Vergleich auch zu neuen techni­schen Möglich­keiten. Wie bewerten Sie heute den Schutz des Urheber­rechts in den digitalen Medien in Deutschland? Muss einem als Kreativer um seine beruf­liche Existenz nicht Angst und Bange werden?
Neumann: Es kann nicht sein, dass auf der einen Seite immer pflicht­schuldig betont wird, wie sehr unsere Gesell­schaft von der Arbeit unserer kreativen Köpfe abhängt, und es anderer­seits hinge­nommen wird, wenn den Kreativen ein Teil ihrer wirtschaft­lichen Grundlage vorent­halten wird. Diese Grund­auf­fassung muss auch in der digitalen Welt gelten. Denn ohne eine angemessene Vergütung wird es irgendwann kein kreatives Schaffen, keine Kreativen mehr geben. Der sogenannte 2. Korb war hier ein sehr wichtiger Schritt, mit dem eindeutig klarge­stellt wurde, dass auch im Internet das Urheber­recht unein­ge­schränkt gilt. Mit dem sogenannten Durch­set­zungs­gesetz im Urheber­recht wurde ein Auskunfts­an­spruch gegen Dritte in das Urheber­rechts­gesetz eingefügt, der die Bekämpfung von Urheber­rechts­ver­letzung auch im Internet erleichtert. Leider wird dieses durch andere gesetz­liche Bestim­mungen konter­ka­riert. Im September gilt diese Regelung ein Jahr, eine gute Gelegenheit, um auszu­werten, was die Einführung dieses Anspruches in der Praxis gebracht hat. In jedem Fall müssen wir darüber hinaus den beson­deren Gefähr­dungen, denen das Urheber­recht im Internet ausge­setzt ist, noch stärker entge­gen­treten.

promedia: Sie wollen die franzö­si­schen Erfah­rungen mit dem Antipi­ra­te­rie­gesetz studieren. Planen Sie, sofern die CDU wieder die Regierung mit stellt, ein ähnliches Gesetz in Deutschland?
Neumann: Wie Sie wissen, hat der franzö­sische Verfas­sungsrat das jüngste franzö­sische Gesetz zur Bekämpfung von Urheber­rechts­ver­let­zungen im Internet teilweise für unzulässig erklärt. Ich finde es jedoch wichtig, dass die franzö­sische Regierung am Ball bleibt und zügige Nachbes­se­rungen des Gesetzes angekündigt hat. Mir war immer klar, dass das franzö­sische Modell nicht eins zu eins in Deutschland umzusetzen ist. Aber ich bin dafür, die Erfah­rungen aus anderen Ländern in die Debatte einzu­be­ziehen. Mir wäre es natürlich lieber, die Überle­gungen in dieser Hinsicht würden in Deutschland schneller voran­schreiten. Ich werde mich daher dafür einsetzen, dass nach der Bundes­tagswahl dieses Thema erneut aufge­griffen wird. Natürlich müssen wir dabei die berech­tigten Inter­essen des Daten­schutzes wahren. Aber ich halte es für meine Pflicht zu verdeut­lichen, dass die Inter­essen der Kreativen auch berech­tigte Inter­essen sind, die übrigens ebenso verfas­sungs­rechtlich geschützt sind. Das wird manchmal in der Diskussion – bewusst oder unbewusst – ausge­blendet.

promedia: Müsste zu diesem Thema nicht die Zusam­men­arbeit in Europa inten­si­viert werden?
Neumann: Die jüngeren Änderungen im Urheber­recht, der 2. Korb und das Durch­set­zungs­gesetz, beruhen ja auf europäi­schen Richt­linien, die ihrer­seits teilweise Ausprä­gungen von inter­na­tio­nalen Abkommen sind. Hier sind die Weichen also schon durchaus auf europäi­scher Ebene gestellt worden. Genauso, wie wir uns auf natio­naler Ebene immer wieder fragen müssen, ob die Bedürf­nisse aller Betei­ligten richtig ausge­lotet sind, gilt dies zunehmend auch für die europäische Ebene. Für die Tätigkeit der Verwer­tungs­ge­sell­schaften fehlt aller­dings ein solcher europäi­scher Rahmen bisher, obwohl die Bundes­re­gierung diesen schon vielfach bei der Europäi­schen Kommission angemahnt hat. Hier besteht schon seit langem Handlungs­bedarf. Ich halte es für wichtig, dass die kommende Europäische Kommission dieses Thema zügig aufgreift.

promedia: Die Grünen fordern statt besserer Vergütung eine Kultur­flatrate für das Internet. Könnten Sie sich damit anfreunden?
Neumann: Die Idee hört sich zunächst bestechend an, weil sie einen umfas­sen­deren Zugang zur Kultur verspricht. Prinzi­piell ist dies natürlich wünschenswert. Voraus­setzung ist aller­dings, dass die berech­tigten Inter­essen der betref­fenden Urheber gewahrt bleiben. Angesichts fortschrei­tender Digita­li­sierung und weiter­ge­hender Urheber­rechts­ver­let­zungen wird man mögli­cher­weise tatsächlich neue Wege gehen müssen. Ich bezweifle aller­dings, dass eine Kultur­flatrate ein solcher Weg sein kann. Grund­sätzlich stellt sich die Frage, ob angesichts eigener Geschäfts­mo­delle, an denen die Wirtschaft arbeitet, eine staat­liche Regelung sinnvoll ist. So entwi­ckeln sich z.B. im Musik­be­reich ja durchaus Geschäfts­mo­delle, die für die Zahlung einer bestimmten Summe eine unbegrenzte Zahl von Downloads ermög­lichen. Es fällt schwer zu glauben, dass solche Modelle weiterhin Bestand haben könnten bei einer gesetz­lichen Regelung, die generell die Verviel­fäl­tigung und Weitergabe von Werken im Internet gegen eine pauschale Gebühr zuließe. Ob die derzeit disku­tierte Höhe der Pauschale von monatlich 5-10 Euro die berech­tigten finan­zi­ellen Inter­essen der Kreativen insofern angemessen berück­sichtigt, erscheint mir mehr als zweifelhaft. Zum anderen stellt sich die Frage, ob eine solche Normierung europa­rechtlich zulässig wäre. Denn mit dem sogenannten Drei-Stufen-Test dürfen Beschrän­kungen die normale Verwertung des Werks nicht beein­träch­tigen und die berech­tigten Inter­essen des Rechts­in­habers nicht über Gebühr verletzen.

Des Weiteren darf man sich auch nicht der Illusion hingeben, eine Kultur­flatrate sei ein „Allheil­mittel“. Eine solche Pauschale kann sich immer nur auf Nutzungen beziehen, die keinen illegalen Hinter­grund haben. Der Download z.B. illegal ins Netz gestellter Filme vor deren Erstauf­führung oder der Download zu kommer­zi­ellen Zwecken wäre damit beispiels­weise nicht abgedeckt. Für solche und ähnliche Fällen kann es niemals eine Pauschale geben. Schluss­endlich erscheint mir in der jetzigen wirtschaft­lichen Situation eine zusätz­liche Abgabe der Bürge­rinnen und Bürger weder ein geeig­netes Ziel noch politisch durch­setzbar zu sein.

promedia: Sie hatten vor einigen Monaten erklärt, sie würden wieder das Amt des Kultur­staats­mi­nisters in der nächsten Regierung ausüben wollen. Stehen Sie noch zu dieser Äußerung?
Neumann: Ich habe mich in diesem Sinne bisher gar nicht geäußert, sondern nur erklärt, dass mir die Aufgabe des Staats­mi­nisters für Kultur und Medien viel Spaß und Freude macht.  (HH)

Aus: Promedia Nr. 8/2009, S. 4–6 – Wiedergabe mit freund­licher Geneh­migung des Promedia-Verlags.