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„Die wichtigsten Herausforderungen“: Christoph E. Palmer im Interview

Das Interview aus Blickpunkt:Film 14/2010 im Wortlaut:

Christoph E. Palmer über FFA-Debatte und Sender­ver­hand­lungen

„Herbe Enttäuschung über Kinobranche“

Berlin – Gut zwei Jahre nach ihrer Gründung kann die Produ­zen­ten­al­lianz mit dem Beitritt der Werbe­filmer die Erwei­terung des Verbands um die Sektion „Werbung“ melden. Geschäfts­führer Christoph E. Palmer über die wichtigsten Heraus­for­de­rungen des Verbands in den kommenden Monaten.

Sie wollen mit dem ZDF noch vor der Sommer­pause eine Einigung beim Thema Auftrags­pro­duk­tionen hinbe­kommen. Das ZDF hat jedoch deutlich signa­li­siert, dass es dem ARD-Kompromiss nicht folgen wird. Ist ein Kompromiss in den kommenden Wochen überhaupt noch möglich?
Wir führen erst seit Herbst 2009 vertie­fende Gespräche mit dem ZDF. Mit dem vermeintlich schwie­ri­geren Verhand­lungs­partner ARD erzielten wir innerhalb eines halben Jahres eine Verein­barung, wir liegen mit dem ZDF also noch völlig im Zeitrahmen. Ziel ist es, mit dem ZDF bis zur Sommer­pause ein Gesamt­paket zu verein­baren, das in der Substanz nicht hinter den Verein­ba­rungen mit der ARD zurück­bleiben soll. Gegenüber dem ARD-Papier gibt es Spiel­räume, die liegen schon in unter­schied­lichen Struk­turen und Verbrei­tungs­wegen begründet.

Welche Punkte sind strittig?
Das ZDF ist beim Thema Rechte­rückfall zurück­hal­tender als die ARD. Mit der ARD haben wir vereinbart, dass Auswer­tungs­rechte auf Wunsch nach fünf Jahren zurück an die Produ­zenten gehen, ein nicht exklu­sives Sende­recht der ARD bleibt jedoch. Die ARD mit den Wieder­ho­lungs­mög­lich­keiten in den dritten Landes­pro­grammen hat sich in dem Punkt leichter getan. Wir glauben jedoch, dass wir bei den Themen Spielfilm und Animation sowie bei der Erlös­be­tei­ligung positiv abwei­chende Verein­ba­rungen erreichen werden.

Kommt das ZDF den Produ­zenten bei der Erlös­be­tei­ligung nicht ohnehin schon vergleichs­weise weit entgegen?
Derzeit gewährt das ZDF den Produ­zenten Erlös­be­tei­li­gungen beim Auslands­ver­trieb von 50 Prozent, bei Pay-TV oder Kinover­wertung in Höhe von 20 bis 25 Prozent. Im ARD-Papier ist festgelegt, dass uns die ARD künftig über alle Auswer­tungs­stufen 50 Prozent der Einnahmen abgibt – unter der Voraus­setzung, dass auch das ZDF 50 Prozent gewährt. Das ZDF hat uns signa­li­siert, dass eine Einigung bei 50 Prozent wahrscheinlich ist. Das hätte für uns eine doppelte Wirkung: Unsere Erlös­si­tuation mit dem ZDF wird gestärkt, und bei der ARD gehen wir auf 50 Prozent hoch.

Mit den beiden kommer­zi­ellen Sender­fa­milien dürften die Verhand­lungen ungleich schwie­riger werden.
Die Flexi­bi­lität der Privaten, im Einzelfall zu abwei­chenden Regelungen nach oben zu kommen, ist vorhanden.

Aber die Verhand­lungen mit den Sendern sind nur der Einstieg für neue Terms of Trade?
Absolut. Aber Verhand­lungs­partner müssen anständig mitein­ander umgehen: Wir haben der ARD zugesagt, dass wir sie für die Laufzeit von vier Jahren nicht mit einem neuen Forde­rungs­ka­talog konfron­tieren werden. Wir haben für vier Jahre abgeschlossen und wollen in dieser Zeit die Zusam­men­arbeit intensiv mit Leben füllen.

Welche Erwar­tungen haben die Produ­zenten an die neuen Regeln für Product-Placement im privaten Rundfunk?
Bei der redak­tio­nellen Verant­wortung von Product-Placement ist für uns als Produ­zenten klar, dass nicht der Sender unila­teral vorgeben kann, was im Programm platziert werden muss. Natürlich wollen wir auch angemessen von den Einnahmen aus Place­ments profi­tieren.

Mit der ARD hat sich die Produ­zen­ten­al­lianz darauf geeinigt, die Gründung einer gemein­samen Auswer­tungs­ge­sell­schaft zu prüfen. Wie weit ist das Projekt?
Im Hinblick auf die ARD-Inten­dan­ten­sitzung im April haben wir mit der ARD einen Prüfauftrag vereinbart. Eine Unter­neh­mens­be­ratung wird für uns Vertriebs- und Verwer­tungs­mo­delle entwi­ckeln, die Produ­zenten und ARD in gemein­samen Verwer­tungs- und Vertriebs­struk­turen umsetzen könnten.

Hat die Produ­zen­ten­al­lianz nach der Umsetzung der Struk­tur­reform und den Wahlen vom 10. März (siehe BF 11/10, S. 8) die Struk­turen, um als schlag­kräf­tiger Verband agieren zu können?
Die neue Struktur der Allianz ist Erfolgs­garant dafür, dass wir die Ressourcen, die vorhanden sind, optimal einsetzen. Die entschei­dende Verbes­serung gegenüber der Vergan­genheit ist, dass wir von dem starren Schema­tismus von sekti­ons­be­zo­genen Tätig­keiten stärker zu einer übergrei­fenden Wahrnehmung von Aufgaben für alle Mitglieder kommen. Daher haben wir jetzt vier Direk­toren, die für die gesamte Allianz übergreifend arbeiten. Daneben bleiben die Sektionen mit eigenen Sekti­ons­leitern und Sekti­ons­vor­ständen bestehen. Jede Sektion legt selbst fest, ob der Sekti­ons­leiter in Perso­nal­union auch Direktor ist, was am Anfang sicher noch eher der Fall sein wird.

Schlanke Struk­turen sehen aber anders aus.
Im Vergleich zu vorher haben wir die Hierar­chien bereits verschlankt. Fast alle, die in der Allianz arbeiten, tun das in Teilzeit. Das setzt ein Höchstmaß an gedank­licher und arbeits­tech­ni­scher Disziplin voraus. Was wir mit einem Mini-Stab in einem Jahr hinbe­kommen haben, ist erstaunlich.

Warum hat die angestrebte Fusion aller Produ­zen­ten­ver­bände, auch mit dem Verband Deutscher Filmpro­du­zenten, am Ende doch nicht geklappt?
Wir haben dem Verband Deutscher Filmpro­du­zenten einen Koope­ra­ti­ons­vertrag angeboten. Bei den dortigen Wahlen wurden dann jedoch Vertreter der Bavaria nicht mehr in den Vorstand gewählt. Die Bavaria-Firmen sind daraufhin zu uns gekommen. In Deutschland bedarf es sieben Mitglieder, um einen Verein zu gründen. Ich bin ein Anhänger des Plura­lismus, wir haben keinen Monopol­an­spruch. Zeit und Wirklichkeit werden über Relevanz und Einfluss von Verbänden automa­tisch entscheiden. Wir bleiben aber offen für Neumit­glieder, bei uns ist jeder willkommen, der in Deutschland relevant produ­ziert.

Wie viele Mitglieder hat die Produ­zen­ten­al­lianz derzeit und sind noch Beitritte im größeren Umfang zu erwarten?
Es sind jetzt schon 155 Mitglieder. Am 26. März haben die Mitglieder des tradi­ti­ons­reichen Werbe­film­pro­du­zen­ten­ver­bands (VDW) ihren Beitritt als fünfte Sektion „Werbung“ zur Allianz beschlossen. Mit zwei Dutzend neuen Mitgliedern aus dem VDW werden wir dann schon circa 180 Firmen in der Allianz sein und reprä­sen­tieren zwischen 80 und 90 Prozent des deutschen Produk­ti­ons­vo­lumens. Für Ende des Jahrs 2010 sind 200 Firmen das Ziel.

Laut dem Aktionsplan der Allianz für 2010 soll noch im ersten Halbjahr eine Ser vicege­sell­schaft gegründet werden. Für welchen Zweck?
Das Leistungs­spektrum umfasst drei Themen­felder: Im Bereich Vermittlung sollen große Dienst­leis­tungs­an­gebote mit einem Mehrwert für die Mitglieder geschaffen werden: Reise­kon­di­tionen, Hotel- und Einkaufs­kon­di­tionen, Markt­macht bündeln bis hin zu einem Versor­gungswerk für die Mitglieder. Zweitens sollen zentrale Veran­stal­tungen wie unser Produ­zen­tenfest von der Service­ge­sell­schaft kommer­ziell durch­ge­führt werden. Als dritten Bereich wollen wir eine indivi­duelle Beratung für unsere Mitglieder. Diesen Bereich werden wir jedoch frühestens ab dem kommenden Jahr aufbauen. Alle Service­leis­tungen werden im Mitglieds­beitrag enthalten sein.

Sind die Vorgänge rund um die FFA-Diskussion nicht kontra­pro­duktiv im Bemühen der Allianz, bei der Politik Gehör zu finden für Ihre Belange der Filmwirt­schaft?
Es ist in der Politik schon eine herbe Enttäu­schung darüber zu spüren, dass aus der Filmwirt­schaft, die in den vergan­genen fünf Jahren partei­über­greifend stark unter­stützt wurde, nun das Solidar­prinzip der FFA infrage gestellt wird und Teile der Kinobranche damit das ganze System gefährden.

Welche Position vertritt die Allianz in der FFA-Debatte?
Kleine Novelle jetzt zügig beschließen, danach ergeb­nis­offen in alle Richtungen über Alter­na­tiven nachdenken.

Wie beurteilen Sie in dem Zusam­menhang die Zukunft des DFFF?
Ab 2011 greift die Schul­den­bremse der Bundes­re­gierung. Meine Hoffnung ist, dass die arbeits- und struk­tur­för­dernden Effekte sowie der Image­gewinn, den wir durch den DFFF für den deutschen Film erreicht haben, in der Politik gesehen werden, und er nicht als Subven­ti­ons­tat­be­stand einge­ordnet wird. Nach der NRW-Landtagswahl werden Sparmaß­nahmen in Deutschland angegangen werden, dann wird vieles in die Diskussion geraten. Es liegt am Geschick aller, die in der Filmwirt­schaft Verant­wortung tragen, die Erhaltung des DFFF zu gewähr­leisten.

Sie sind seit November 2008 Geschäfts­führer der Produ­zen­ten­al­lianz, seit März Allein­ge­schäfts­führer. Wo lagen Sie mit Ihrer Einschätzung, als Sie den Job übernommen haben, am weitesten daneben?
Falsch einge­schätzt habe ich den Idealismus der Produ­zenten. Am Anfang hatte man mir gesagt, die Branche sei wahnsinnig zersplittert und von Eigen­in­ter­essen getrieben, die werdet ihr nie auf einen Nenner bringen. Unter­schätzt wurde die Entschlos­senheit der Produ­zenten, nach Jahrzehnten der Zersplit­terung zu einem einheit­lichen Auftritt und damit zu großer Durch­set­zungs­kraft zu kommen. uh/ak

Aus: Blickpunkt:Film Nr 14/2010 vom 6. April 2010, Seite 10/11. Wiedergabe mit freund­licher Geneh­migung des Enter­tainment Media Verlags.