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Franckenstein fordert von Sendern erlösorientierte Vergütung

Im Interview mit promedia – das medien­po­li­tische Magazin fordert Christian Francken­stein, Bavaria-Geschäfts­führer und Mitglied des Produ­zen­ten­al­lianz-Gesamt­vor­stands, von TV-Sendern eine erlös­ori­en­tierte Vergütung auch bei sogenannten vollfi­nan­zierten Auftrags­pro­duk­tionen und stellt fest: „Der deutsche Produzent nimmt unter­pro­por­tional an der Wertschöpfung seiner Programme teil.“

Das Interview im Wortlaut:

„Free-TV ist der dickste Ast auf dem wir sitzen“

Bavaria-Chef fordert von TV-Sendern eine erlös­ori­en­tierte Vergütung auch bei Auftrags­pro­duk­tionen

Interview mit Dr. Christian Francken­stein, Vorsit­zender der Geschäfts­führung der Bavaria Film, Mitglied des Gesamt­vor­stands der Produ­zen­ten­al­lianz

Die Bavaria Film GmbH ist eines der größten und tradi­ti­ons­reichsten Medien­un­ter­nehmen in Europa. Gewachsen aus der Tradition eines 1919 gegrün­deten Studio­be­triebs, hat sich die Bavaria Film mit ihren Tochter- und Betei­li­gungs­firmen zu einer inter­na­tional operie­renden Produk­tions- und Dienst­leis­tungs­gruppe entwi­ckelt, die alle Segmente der audio­vi­su­ellen Industrie erschließt. Der Umsatz betrug im Geschäftsjahr 2013/2014 198 Mio. Euro und damit deutlich weniger als im Jahr zuvor mit 228,4 Mio. Euro. In einem promedia-Gespräch fordert Dr. Christian Francken­stein, Vorsit­zender der Geschäfts­führung der Bavaria Film seit Oktober 2014, dass die Sender die Produ­zenten auch bei einer hundert­pro­zen­tigen Auftrags­pro­duktion an den digitalen Verwer­tungs­er­lösen betei­ligen und auch eine Media­the­ken­aus­wertung, die über sieben Tage hinausgeht, vergü­tungs­pflichtig ist.

promedia: Herr Francken­stein, Sie haben 2007 auf den Marler Tagen der Medien­kultur zum Verhältnis Produzent-TV-Sender gesagt: „Dort, wo wir früher gemeinsam in einem Boot gepaddelt haben, herrscht heute ein Ungleich­ge­wicht: Wir Produ­zenten paddeln viel, doch nur wenig von diesem Einsatz schlägt auf unserer Seite zu Buche.“ Inwieweit existiert dieses Ungleich­ge­wicht auch jetzt, acht Jahre später, noch?
Francken­stein:
Im Grundsatz hat sich an der Aussage nichts verändert. Der deutsche Produzent nimmt unter­pro­por­tional an der Wertschöpfung seiner Programme teil. Unter dieser Grund­aussage lassen sich jetzt selbst­ver­ständlich viele Diffe­ren­zie­rungen ableiten.

promedia: Es wurden Eckpa­piere mit ARD und ZDF beschlossen. Reicht das aus, um wieder „gemeinsam“ zu paddeln?
Francken­stein:
Seit der Proto­koll­notiz zum 12. Rundfunk­än­de­rungs­staats­vertrag im Jahre 2008 gibt es Arbeits­gruppen zwischen ARD bzw. ZDF und der Produ­zen­ten­al­lianz, die im Kern eine Verbes­serung der Terms of Trade aus Sicht der Produ­zenten zum Ziel haben. Die Proto­koll­notiz spricht von „angemes­sener Vergütung“, die es bilateral zwischen den öffentlich-recht­lichen Sendern und den Produ­zenten für die jewei­ligen Programm- Genres zu erarbeiten gilt. Als Teilnehmer einiger dieser Arbeits­gruppen kann ich sagen, dass wir in vertrau­ens­voller Atmosphäre unsere Positionen austau­schen. Auch sind die jewei­ligen Eckpunkte ein Beleg dafür, dass hier durchaus Fortschritte erzielt worden sind. Nach anfäng­lichen Schwie­rig­keiten bei der Durch­setzung dieser neuen Verab­re­dungen können wir feststellen, dass die Eckpunkte nun auch in der täglichen Praxis – jeden­falls weitgehend – Eingang gefunden haben und damit nicht nur Papier­er­folge darstellen. Das ganze Thema Terms of Trade ist dabei als Prozess zu verstehen, für den es immer wieder alle Betei­ligten zu gewinnen gilt. Stehen­bleiben gibt es dabei nicht, dazu verändern sich unsere Indus­trien gerade viel zu schnell.

promedia: Die von Ihnen damals gefor­derte „zusätzlich verwer­tungs­ori­en­tierten Erlös­struktur zugunsten des Produ­zenten“, ist erst teilweise erreicht. Welche Vorstel­lungen haben Sie für die Erlös­be­tei­ligung bei digitaler Verwertung?
Francken­stein:
Auch mit den privaten Sendern werden erlös­ori­en­tierte Verein­ba­rungen für Produk­tionen getroffen. Hierbei handelt es sich aber um Einzel­fall­re­ge­lungen. Grund­sätz­liche allge­mein­gültige Eckpunk­te­ver­gleichbare Regelungen über Produk­ti­ons­ver­gü­tungen und Erlös­ver­ein­ba­rungen sind derzeit mit den Privat­sendern nicht zu erzielen. Das ist einfach so. Auf der Basis der aktuellen gesetz­lichen Regelungen ist das von Produ­zen­ten­seite auch zu akzep­tieren. Die Verwer­tungswelt wird immer komplexer, Programme sind heute vielfäl­tiger verwertbar als noch vor zehn Jahren. Ich halte eine erlös­ori­en­tierte Verwer­tungs­kom­po­nente, auch bei vollfi­nan­zierter Auftrags­pro­duktion, für zeitgemäß. Diese kann jedoch nur einsetzen, sofern der finan­zie­rende und damit risiko­tra­gende Sender vorab entspre­chend seines Risikos auch vergütet worden ist bzw. entspre­chende Ausstrah­lungen und Nutzungen des Programms vornehmen konnte. Auf dieser Grundlage sollte das „Mehr“ aus der digitalen Verwertung dann partner­schaftlich geteilt werden.

promedia: Beim neuen Online-Jugend­an­gebot von ARD und ZDF soll es keine 7-Tage-Frist mehr geben. Halten Sie dafür eine zusätz­liche Vergütung für erfor­derlich?
Francken­stein:
Diese Aussage kenne ich so nicht. Die Mediathek, das können Sie sich vorstellen, ist aus Produ­zen­ten­sicht wie Free-VoD und steht damit entgelt­lichen Verwer­tungs­formen wie SVoD oder AVoD entgegen. Ein guter Kompromiss wäre es, wenn eine über die prakti­zierte 7-Tage- Regel hinaus statt­fin­dende Media­the­ken­aus­wertung vergü­tungs­pflichtig würde.

promedia: Auch bei den 100-Prozent-Auftrags­pro­duk­tionen?
Francken­stein:
Auch bei 100- Prozent-Auftrags­pro­duk­tionen, da ein immer nutzbares Gut nicht nur mit der Vergütung der Herstel­lungs­kosten angemessen vergütet ist, sondern wie vorstehend beschrieben im Erfolgs­falle, also im Falle der Vielfach­nutzung auch eine erlös­ori­en­tierte Kompo­nente hinzu­kommen sollte.

promedia: Das ZDF hat sich mit der Produ­zen­ten­al­lianz jetzt verständigt, dass die Produ­zenten auch bei VoD-Verwertung mit 16 Prozent beteiligt werden. Das setzt aber eine Verwertung voraus. Müssen sich ARD und ZDF stärker generell um den Verkauf von TV-Produk­tionen für digitale Platt­formen kümmern?
Francken­stein:
Soweit mir bekannt, sind sowohl ARD als auch ZDF gerade dabei, erste Erfah­rungen mit Auswer­tungen auf digitalen Platt­formen außerhalb der Media­theken zu sammeln. Es geht hierbei wohl vor allem darum, die Kennt­lichkeit der Programm­her­kunft heraus­zu­stellen und damit die Auftrag gebende Sender­marke ins Bewusstsein der Programm­nutzer zu trans­por­tieren. Ich denke, dass Programme heute den Weg zum Konsu­menten finden müssen und nicht mehr, wie in der analogen Welt, in umgekehrter Richtung. Wir müssen aber Verständnis dafür aufbringen, dass die klassi­schen TV-Sender hier mit Bedacht voran­schreiten und zunächst einmal viel austesten, um gleich­zeitig die bestehende und ja noch sehr stabile Free-TV-Säule nicht zu beschä­digen. Dies ist auch im Interesse der Produ­zenten, da das Free-TV-Geschäft doch der dickste Ast ist, auf dem wir alle sitzen.

promedia: Eine der wichtigsten Überle­gungen bei der Novel­lierung des FFG ist die nach zusätz­lichen Geldquellen für die Finan­zierung der FFA. Wenn es bei den jetzigen Einzahlern bleibt – und diese nicht aufstocken – wird die FFA ab 2017 weniger Mittel zur Verfügung haben. Wäre das sehr drama­tisch? Auch durch die Kürzung des DFFF sind kaum weniger deutsche Filme produ­ziert worden?
Francken­stein:
Es ist wesentlich, dass die deutschen Förder­be­din­gungen sich nicht weiter verschlechtern, idealiter natürlich sogar die Basis verbreitert wird. Ein tragfä­higes natio­nales wie föderales Förder­system dient dem Leistungs­anreiz bzw. der Leistungs­be­lohnung. Dies umfasst meines Erachtens sowohl besonders hervor­zu­he­bende künst­le­rische Leistungen als auch heraus­ra­gende kommer­zielle Ergeb­nisse.

Aus: Promedia Nr. 7/2015, Wiedergabe mit freund­licher Geneh­migung des Promedia-Verlags.