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Interview: Themen, Fortschritte und Ziele der Produzentenallianz

Im Interview mit promedia erläutert Produ­zen­ten­al­lianz-Geschäfts­führer Christoph Palmer die aktuellen Themen, Fortschritte und Ziele der Produ­zen­ten­al­lianz.  Das Interview im Wortlaut:

„Der deutsche Produktionsstandort ist bedroht“

Produ­zen­ten­al­lianz fordert stärkeres Engagement der TV-Sender für die deutsche Filmwirt­schaft

In einem ausführ­lichen promedia-Gespräch hat der Geschäfts­führer der Produ­zen­ten­al­lianz Dr. Christoph E. Palmer die Situation der deutschen Filmwirt­schaft analy­siert und die Abhän­gigkeit sowohl von der Filmför­derung als auch von den TV-Sendern konsta­tiert. Palmer beschreibt in dem Interview eine Doppel­stra­tegie seines Verbandes: Zum einen fordert er eine Erhöhung der Förder­mittel vor allem aus Abgaben der Telekom­mu­ni­ka­ti­ons­un­ter­nehmen und von Verwer­tungs­platt­formen und zum anderen verlangt er, dass die TV-Sender auf einen Teil der bishe­rigen Online-Verwer­tungs­rechte verzichten, ohne dass sich bei TV-Auftrags­pro­duk­tionen der Eigen­anteil der Produ­zenten erhöht. „Wir streben weiterhin einen grund­le­genden Paradig­men­wechsel im Geschäfts­modell an, der den Produ­zenten in die Lage versetzt, über Rechte zu verfügen und sie zu verwerten“, so Palmer.

promedia: Herr Palmer, jährlich werden 170 Mio. Euro Förder­mittel alleine für die Kinofilm­pro­duktion aufge­wendet. Warum ist es für die Branche so drama­tisch – wie man den Presse­mel­dungen entnehmen kann – wenn der DFFF 2015 erneut reduziert wird und NRW die Mittel für die Filmför­derung verringert?
Palmer:
Förderung ist in Deutschland unver­zicht­barer Teil der Filmfi­nan­zierung und ermög­licht es, trotz des im inter­na­tio­nalen Vergleich relativ kleinen Marktes und der durch die deutsche Sprache einge­schränkten Verwertung im Ausland, Filme herzu­stellen, die im Heimat­markt mit unver­gleichbar teureren inter­na­tio­nalen Produk­tionen konkur­rieren können. Ohne Förderung gäbe es weder deutsche Filme, die bei Filmfes­tivals und Filmpreisen weltweit reüssieren, noch gäbe es solche, die viele Millionen Menschen dazu bringen, sich auf den Weg ins Kino zu machen. Jede Reduzierung der Förderung beschneidet auch die Möglichkeit, Filmpro­jekte mit angemes­senen Budgets auszu­statten. Kürzungen bedrohen überdies die Vielfalt des deutschen Films, auf die wir zu Recht stolz sein dürfen. Außerdem: Die Förder­mittel für die Produktion von deutschen Kinofilmen liegen tatsächlich in einer Größen­ordnung von 170 Mio. Euro, aber 70 Mio. davon werden von der Branche selbst aufge­bracht.

promedia: Manuela Stehr, die SPIO-Vorsit­zende, hat gesagt, dass der Anteil der Filmför­derung an der Finan­zierung abnehme „Förder­mittel machen heute im Schnitt nur noch 40 Prozent des Filmbudgets aus – vor zehn Jahren waren es noch rund 70.“ Damit dürfte doch eine Reduzierung nicht so gravie­rende Folgen haben?
Palmer:
Mir ist diese Statistik nicht konkret bekannt. Wenn ich ihre Angabe aber einmal als richtig unter­stelle, dann ist das ja zunächst eine sehr positive Aussage, da es dann den Produ­zenten offen­sichtlich gelungen ist, einen zunehmend größeren Anteil des Budgets ihrer Filme am Markt zu finan­zieren. Vermutlich liegt ein Grund für diese Verschiebung aller­dings auch an der deutlich gestie­genen Zahl von inter­na­tio­nalen Kopro­duk­tionen, bei denen die Beiträge der inter­na­tio­nalen Partner den über den Markt finan­zierten Anteil erhöhen. Außerdem zeigen die von Ihnen zitierten Zahlen, dass die deutschen Produ­zenten erheb­liche Fortschritte bei der Finan­zierung ihrer Filme aus dem Markt erzielt haben. Und dennoch: die verblei­benden 40% der Förderung sind für die Reali­sierung jeder einzelnen dieser Produk­tionen entscheidend. Stehen sie nicht zur Verfügung, so ist jede dieser Produk­tionen gefährdet und der Dreh muss zumindest verschoben werden. Auf dem Markt können weitere Einschnitte bei den Förder­mitteln jeden­falls nicht mehr kompen­siert werden. Die Budgets weiter abzusenken, ist auch keine Lösung, da der Kinofilm eine gewisse Wertigkeit der Ausstattung erfordert, ohne die es nicht gelingen wird, die Leute zu motivieren, ins Kino zu gehen. Somit bedeutet jede weitere Kürzung der Förder­mittel, dass Filme nicht reali­siert werden können und dass damit Autoren, Regis­seure, Schau­spieler und weitere Gewerke nicht beschäftigt werden können.

promedia: Sie beklagen, dass bei sinkenden Förder­mitteln die inter­na­tionale Wettbe­werbs­fä­higkeit des deutschen Filmes leide. Wie zeigt sich das konkret?
Palmer:
Wir beklagen nicht in erster Linie, dass sinkende Förder­mittel die inter­na­tionale Wettbe­werbs­fä­higkeit des deutschen Films bedrohen. Was bedroht ist, ist der Produk­ti­ons­standort. Vor allem durch den DFFF, aber auch durch das Zusam­men­spiel der FFA- und der Länder­för­de­rungen, ist Deutschland in den letzten Jahren zu einem ernst­ge­nom­menen und verläss­lichen Player auf der Weltkarte der Filmpro­duktion geworden. Von Roland Emmerich über die Wachowski-Geschwister bis hin zu Stephen Spielberg kürzlich kommen große und sehr große Namen, um hier hochbud­ge­tierte Produk­tionen durch­zu­führen. Das nutzt dem Produk­ti­ons­standort und allen, die in Deutschland mit Film arbeiten, weil die Leitungs­fä­higkeit der hiesigen Filmpro­duktion auch in Hollywood-Maßstäben ein beacht­liches Niveau erreicht hat. Stichwort: Know-how- Transfer. Die Folgen sind vielfältig und reichen bis in die Karrieren deutsch­spra­chiger Schau­spieler wie Christoph Waltz, der ohne die Gelegenheit, für Quentin Tarantino in „Inglou­rious Basterds“ den faszi­nie­renden Bösewicht zu spielen, heute sicher nicht der Oscar-prämierte inter­na­tionale Superstar wäre.

Die Folgen sind Wachstum, Beschäf­tigung und Innovation. Und weil die inter­na­tio­nalen Großpro­duk­tionen das Vierfache der von ihnen in Anspruch genom­menen DFFF-Mittel in Deutschland inves­tieren müssen, ist das Ganze auch volks­wirt­schaftlich kein Nullsum­men­spiel. Es bringt Geld ins Land, das ohne die Förderung nicht käme. Allein die acht Projekte mit den größten DFFF-Zuwen­dungen 2013 waren inter­na­tionale Kopro­duk­tionen, die zusammen mit rund 25 Mio. Euro gefördert wurden und ein auslän­di­sches Investment von zusätz­lichen 100 Mio. Euro ausgelöst haben.

Die sogenannten vagabun­die­renden Großpro­jekte sind wähle­risch, sie gehen dorthin, wo ihre Produ­zenten die besten Rahmen­be­din­gungen vorfinden, anders gesagt: Wo die Produk­ti­ons­an­reize am besten ausge­stattet und am leich­testen zugänglich waren. Der DFFF ist im inter­na­tio­nalen Vergleich eher im unteren Mittelfeld, die Förder­töpfe zum Beispiel in Großbri­tannien oder Kanada sind ungleich reicher. Die Konkurrenz ist also groß, und wenn aber ein Anreiz­modell auch nur in der Diskussion ist, verliert es schnell an Attrak­ti­vität. Das haben wir beim DFFF gesehen, welcher Schaden droht und teilweise auch schon einge­treten ist.

promedia: Der DFFF wurde u.a. auch mit dem Vorsatz gestartet, das Eigen­ka­pital der Produ­zenten zu erhöhen. Hat sich an der Eigen­ka­pi­tal­si­tuation gar nichts gebessert?
Palmer:
Da die Mittel des DFFF als Zuschuss gewährt werden, haben sie – ähnlich wie die Referenz­mittel der FFA – in der Tat praktisch Eigen­ka­pital erset­zenden Charakter. Sie haben es insoweit von Fall zu Fall ermög­licht, auch Filme mit etwas höheren Budgets zu reali­sieren. Positiv ist auch, dass die Produ­zenten zum Erhalt dieser Mittel keine Rechte abgeben müssen. Insoweit ist der DFFF im Rahmen der Finan­zierung tatsächlich mit Eigen­ka­pital der Produ­zenten zu vergleichen. Eine echte Verbes­serung der Eigen­ka­pi­tal­po­sition der Produk­ti­ons­un­ter­nehmen ist hingegen auch heute nicht gegeben. Hierzu wäre es erfor­derlich, dass die Produ­zenten tatsächlich eine realis­tische Chance erhalten, aus der Verwertung der von ihnen herge­stellten Filme nennens­werte Rückflüsse zu erzielen, die wiederum auch zu verbes­serten Rückzah­lungs­quoten bei den Förde­rungen führen würden. Mögliche Instru­mente, um hier signi­fi­kante Fortschritte zu erzielen, wären etwa ein generelles Erfor­dernis, in Verwer­tungs­ver­trägen Korridore zugunsten der Produk­ti­ons­un­ter­nehmen vorzu­sehen, und die Verein­barung von Escala­tor­zah­lungen der Sender bei erfolg­reichen Ausstrah­lungen von Kinofilmen im Fernsehen. Hierüber wird im Rahmen der FFG-Novelle intensiv zu sprechen sein. Die heutige Situation, bei der Produ­zenten nur bei Ausnah­me­er­folgen ihrer Filme die Chance haben, die von ihnen zur Schließung der Finan­zierung inves­tierten Eigen­mittel zurück­zu­ver­dienen, ist jeden­falls auf Dauer kein sinnvolles Geschäfts­modell.

promedia: Produ­zenten, Verleiher, Kinobe­treiber beklagen aber zunehmend, dass zu viele deutsche Filme produ­ziert und in die Kinos kommen und fordern mehr Qualität und weniger Masse. Können Sie sich dieser Forderung unein­ge­schränkt anschließen?
Palmer:
Diese Klage ist für mich schlecht nachvoll­ziehbar. Dass sie von Produ­zenten erhoben wird, halte ich für wenig wahrscheinlich. Aber auch die anderen Markt­teil­nehmer dürften, wenn sie sich in diesem Sinne äußern sollten, das Thema nicht wirklich zu Ende durch­dacht haben. Zum einen ist mit der wachsenden Zahl an Produk­tionen mit deutscher Betei­ligung über die letzten 10 bis 15 Jahre auch eine Steigerung des deutschen Markt­an­teils einher­ge­gangen, der auch den Verleihern und Kinobe­treibern zugute­ge­kommen ist. Zum anderen übersieht der Vorwurf, es würden von den Produ­zenten zu viele Filme am Markt vorbei produ­ziert, dass jeder dieser Filme auch einen Verleiher und Kinos (und oft auch einen Fernseh­sender sowie Förderer) gefunden hat, die an diesen Film und seine Qualität und Markt­fä­higkeit geglaubt haben und ihn deshalb in ihr Programm genommen haben. Analy­siert man die verschie­denen Gruppen der Filme mit deutscher Betei­ligung näher, so stellt man zudem fest, dass die Zahl der „rein“ deutschen Spiel­filme nur im geringen Umfang zugenommen hat. Gewachsen ist demge­genüber die Zahl der Dokumen­tar­filme und der inter­na­tio­nalen Co-Produk­tionen. Diese werden aber zumeist nur mit einer geringen Zahl von Kopien gestartet, so dass sie kaum dafür verant­wortlich gemacht werden können, dass dem „normalen“ deutschen Spielfilm Abspiel­mög­lich­keiten fehlen und es schwer und aufwändig geworden ist, eine nachhaltige Aufmerk­samkeit des Publikums zu generieren. Die Gründe hierfür dürfte jedoch nicht in der Zahl der deutschen Produk­tionen, sondern in der deutlich beschleu­nigten Auswertung aller Filme (auch der Block­buster), in der erhöhten Kopienzahl gerade der Erfolgs­filme, in der durch die Digita­li­sierung erleich­terten Flexi­bi­lität der Program­mierung („auf Schiene spielen“) und in der insgesamt gewach­senen Konkurrenz um die Aufmerk­samkeit des Publikums und der Feuil­letons durch alter­native Angebote (wie z.B. Games und TV-Serien) liegen. In den DFFF-Regularien wurde vor nicht allzu langer Zeit die Zahl der erfor­der­lichen Mindest­kopien (bzw. Wochen­ein­sätze) angehoben. Seit Anfang dieses Jahres gibt es bei der Projekt­film­för­derung der FFA zudem die sog. Förder­quote. Beide Maßnahmen sollen einer Förderung „per Gießkanne“ entge­gen­wirken. Wir plädieren dafür, die Wirkungen dieser Maßnahmen, die sich wegen des Zeitpunkts ihrer Einführung zum Teil noch gar nicht reali­sieren konnten, erst einmal abzuwarten und parallel hierzu sehr sorgfältig zu analy­sieren, ob es tatsächlich an der Zahl der (deutschen) Filme liegt, dass es offen­sichtlich heute für deutsche, aber auch für auslän­dische Filme schwie­riger geworden ist, einen mittleren Erfolg von z.B. 200.000 bis 500.000 Besuchern zu erzielen.

promedia: Also geht es darum, das Budget einzelner Filme zu erhöhen und die Gesamtzahl zu reduzieren…
Palmer:
Nein. Die Frage müsste vielmehr darauf gerichtet sein, ob der deutsche Film mit höheren Budgets und damit besserer Ausstattung eine höhere Erfolgs­chance am Markt hätte. Wenn diese Frage bejaht wird, müsste überlegt werden, wie man diese höheren Budgets finan­zieren kann und da käme neben höheren Sender­be­tei­li­gungen sicher auch höheren Förder­be­trägen ein wichtiger Aspekt zu. Ich bin in der Tat der Auffassung, dass es jedes Jahr eine Reihe deutscher Produk­tionen geben sollte, die finan­ziell so ausge­stattet sind, dass sie das Publikum auch visuell überra­schen und überzeugen können. Das ist jedoch sicher kein Allheil­mittel. Andere Stimmen plädieren dafür, dass gerade der mutigere, ausge­fal­lenere, ambitio­niertere Kinofilm gefordert sei, der über seine Geschichte, seine unbekannten Gesichter und aufgrund seines Sujets das Publikum zu erreichen sucht. Die Filmför­derung sollte nach meinem Verständnis diesen beiden Formen filmi­schen Schaffens Reali­sie­rungs­mög­lich­keiten bieten.

promedia: Die Zahl deutscher Filme hat sich innerhalb von zehn Jahren verdoppelt. Die Zahl der Kinobe­sucher ist dagegen konti­nu­ierlich rückläufig. Ist das nicht ein ungesundes Verhältnis?
Palmer:
Die gestiegene Zahl deutscher Filme zeigt als Erstes, dass wir in Deutschland eine ungeheuer aktive und vielfältige Filmland­schaft haben. Und dass diese Filme tatsächlich auch ins Kino kommen, wo sie zumindest eine Chance haben, gesehen zu werden, werte ich als Vorteil. Wenn man aber genauer hinsieht, erkennt man, dass sich der Großteil dieser Filme eher an spezielle Zielgruppen richtet und entspre­chend viel weniger als jene kostet, die sich an ein großes Publikum wenden.

promedia: Die Kinobe­treiber benötigen – nach eigenen Angaben – um finan­ziell über die Runden zu kommen, mindestens einen deutschen Markt­anteil von 35 Prozent. Wie kann das erreicht, wie können mehr Besucher für deutsche Filme begeistert werden?
Palmer:
Viele Kinobe­treiber haben in den letzten Jahren in ihren Häusern die Voraus­set­zungen für einen wirtschaft­lichen Erfolg gelegt. Nachver­hand­lungen mit den Eigen­tümern der von ihnen gepach­teten Kinos, die in den 90er Jahren des letzten Jahrhun­derts oft zu zunächst unwirt­schaft­lichen Bedin­gungen angemietet wurden, höhere Eintritts­preise, 3D-Zuschläge, steigende Conces­sions- Umsätze, die öffent­liche Förderung der digitalen Umstellung und ein von durch­schnittlich 10 % auf über 20 % gestie­gener deutscher Markt­anteil, der zusätz­liche Zuschauer in die Kinos gebracht hat, haben hier zusammen gewirkt, um diese positive Entwicklung zu ermög­lichen. Wir freuen uns, wenn die Kinobe­treiber heute mit uns die Auffassung teilen, dass ein weiter steigender Markt­anteil deutscher Filme ihre Renta­bi­lität weiter steigern würde. Offen­sichtlich hat somit gegenüber einigen Aussagen im Verfahren vor dem BVerfG ein Umdenken statt­ge­funden. Will man diesen Trend zu einem erhöhten Markt­anteil deutscher Filme aber weiter stärken und absichern, so darf man nicht gleich­zeitig die Voraus­set­zungen für eine wirksame Produk­ti­ons­för­derung in Frage stellen. Hier bin ich mir nicht sicher, ob das schon alle Markt­teil­nehmer verstanden haben.

promedia: Angesichts einer verän­derten Marktlage ist es nicht sicher, ob der FFA auch 2017 noch die gleichen finan­zi­ellen Mittel zur Verfügung stehen wie 2013 – und da waren Sie schon geringer als 2012. Wo soll mehr Geld herkommen?
Palmer:
Ja, das ist eine berech­tigte Sorge. Natürlich hoffen wir, dass in den nächsten beiden Jahren die Abgabe­pflicht auslän­di­scher VoD-Anbieter positiv geklärt sein wird und sie anfangen werden, in die FFA einzu­zahlen. Darüber hinaus sind wir unver­ändert der Auffassung, dass über eine Abgabe auch der Telekom­mu­ni­ka­ti­ons­un­ter­nehmen, die ihre Leitungen als Trans­port­mittel für audio­vi­suelle Inhalte vermarkten, gesprochen werden muss. Und der Beitrag der Fernseh­sender ist trotz freiwil­liger Zusatz­leis­tungen etwa der ARD seit der kleinen Novelle 2010 sicher zu niedrig angesetzt. Eine Verbes­serung kann es gerade bei letzteren aber nicht nur über die Höhe ihrer Einzah­lungen in die FFA geben. Mindestens ebenso geholfen wäre den Produ­zenten, wenn die Sender eine größere Zahl von deutschen Kinofilmen in der Primetime und der Second Primetime ausstrahlen und hierfür auch angemessene, mit inter­na­tio­nalen Produk­tionen vergleichbare Lizenz­preise bezahlen würden. Wenn aber tatsächlich nicht mehr Geld zusammen kommt, dann muss man sich darauf besinnen, was der vorrangige Zweck der FFA ist. Und das ist nach unserer festen Überzeugung nicht die Förderung von sich überschla­genden Innova­ti­ons­runden der Kinos und auch nicht die Förderung von Verleih­maß­nahmen, sondern die Förderung der Produktion von Filmen. Die hierfür von der FFA verwandten Mittel beliefen sich zuletzt auf kaum mehr als 40% der jährlichen Einnahmen. Sollten die Mittel der FFA also nur noch in gerin­gerem Umfang vorhanden sein, so muss dieser Prozentsatz erhöht werden.

promedia: Wie real ist es, dass Platt­formen und andere digitale Verwerter ab 2017 mehr bezahlen. Sie müssten es ja schon heute, aber es kommt nur wenig?
Palmer:
Die Verwertung von Filmen wird zunehmend über digitale Distri­bu­ti­onswege erfolgen. Folglich werden die dort mit Kinofilmen erzielten Umsätze weiter zunehmen. Für diese gilt es, im FFG 2017 einen angemes­senen Abgabesatz zu finden und die heute geltenden Regelungen gegebe­nen­falls anzupassen. Zwingend erscheint es, zu dieser Abgabe dann auch auslän­dische VoD-Anbieter mit ihren mit deutschen Kunden reali­sierten Umsätzen heran­zu­ziehen. Dann werden insoweit auch für diesen Bereich relevante Beträge in die FFA fließen. Ob sie aller­dings die Verluste vollständig kompen­sieren können, die sich aus dem wahrschein­lichen Rückgang der mit physi­schen Daten­trägern (DVDs und Blu-Rays) erzielten Umsätze ergeben, bleibt abzuwarten.

promedia: Müssen sich die Produ­zenten darauf einstellen in den nächsten Jahren mit deutlich weniger Förder­mitteln auszu­kommen?
Palmer:
Leider muss man konsta­tieren, dass manche Fernseh­sender ihre Betei­li­gungen an der Länder­för­derern reduzieren, wie wir es jetzt in Nordrhein-Westfalen gesehen haben. Anderer­seits ist der Beitrag der Sender ja kein selbst­loses Mäzena­tentum, sondern eine besondere Art von Programm­be­schaffung: Sie bekommen ja etwas für ihr Geld. Auch die Entwicklung beim DFFF ist natürlich besorg­nis­er­regend: Von 70 Mio. Euro für 2013 wurde er 2015 ja auf 50 Mio. Euro gekürzt. Fakt ist in jedem Fall, dass der DFFF auch mit 50 Mio. Euro nicht angemessen ausge­stattet ist.

promedia: Bleibt die Hoffnung Fernsehen und VoD. Sie haben das Eckpunk­te­papier mit der ARD erneut um ein Jahr verlängert, obwohl Sie mit einigen Regelungen anscheinend unzufrieden sind. Warum?
Palmer:
Wir haben mit den ersten Eckpunk­te­ver­ein­ba­rungen Ende 2009 absolutes Neuland betreten. Klar, dass wir – Produ­zenten und Sender – in der Zwischenzeit neue Erfah­rungen gemacht haben und nachjus­tieren müssen. Das Jahr, um das wir die Eckpunkte verlängert haben, gibt uns die Zeit dafür.

promedia: Was sollte im nächsten Eckpunk­te­papier auf jeden Fall geändert werden?
Palmer:
Wir streben weiterhin einen grund­le­genden Paradig­men­wechsel im Geschäfts­modell an, der den Produ­zenten in die Lage versetzt, über Rechte zu verfügen und sie zu verwerten. Der Weg dorthin ist mühsam, das heißt aber nicht, dass er nicht konse­quent gegangen wird.

promedia: Ein Lizenz­modell wird sowohl von der ARD als auch dem ZDF unter Verweis auf das „Sparsam­keits – und Wirtschaft­lich­keits­gebot“ abgelehnt. Verab­schieden Sie sich von dieser Idee?
Palmer:
Es gibt keine Anzeichen dafür, dass die Sender ihren Sparkurs, der sich insbe­sondere im Programm nieder­schlägt, ändern können oder wollen. Die Inhalte, die schon heute unter aller­höchstem Kosten­druck entstehen, werden die Sender in abseh­barer Zukunft nicht mal mehr zu diesen Bedin­gungen finan­zieren können. Da die Sender-Akzeptanz bei den Beitrags­zahlern, die das System ja immer noch mit mehr als 200 Euro jährlich finan­zieren, aber ohne angemessen ausge­stattete Quali­täts­in­halte auch bei Fiction und Unter­haltung weiter sinken wird, ist es für die Sender überle­bens­wichtig, eben diese Programme zu bekommen. Und da sie sie nicht mehr vollständig finan­zieren können, müssen die Produ­zenten die Möglichkeit bekommen, die Lücke durch eine Verwertung auf dem Zweit­ver­wer­tungs­markt auszu­gleichen.

Wir treten für ein Modell ein, nach dem die Sender die Rechte für eine bestimmte Zahl von Ausstrah­lungen für eine bestimmte Zeit erwerben. Für die verschie­denen Sende­plätze und Format­formen sollen Preis­kor­ridore definiert werden, die etwa dem entsprechen, was die Sender heute für entspre­chende Programme ausgeben. Und nach dem Ablauf der Lizenzzeit fallen die Verwer­tungs­rechte an den Produ­zenten zurück, der entscheiden kann, wer die Zweit­ver­wertung organi­siert und den Sender wiederum mit 50 Prozent an den Erlösen betei­ligen muss.

promedia: Sowohl bei der Quoten­re­gelung für deutsche Spiel­filme im Fernsehen als auch bei einer Verwendung des Rundfunk­bei­trages für die Filmför­derung gibt es verfas­sungs­recht­liche Bedenken. Sehen Sie dennoch eine Chance, das Fernsehen stärker für die deutsche Filmwirt­schaft in Verant­wortung zu nehmen?
Palmer:
Eine Quote für europäische Produk­tionen ist in der AVMD-Richt­linie sowie in § 6 Rundfunk­staats­vertrag vorge­sehen. Hierunter auch eine spezielle Förderung von Kinofilmen zu imple­men­tieren, wäre von den gesetz­lichen Vorgaben gedeckt. Auch sieht § 6 Abs. 4 Rundfunk­staats­vertrag schon heute vor, dass die Sender Mittel für die Filmför­derung verwenden können. Soweit es einen verfas­sungs­recht­lichen Streit über eine unmit­telbare Verwendung des Rundfunk­bei­trags zur Unter­stützung deutscher Produk­tionen gibt, kann, sofern politisch gewünscht, trotzdem eine verfas­sungs­kon­forme Lösung gefunden werden, die die Programm­au­to­nomie der Rundfunk­an­stalten wahrt.

promedia: Sind die neuen VoD-Platt­formen für die Produ­zenten innerhalb der nächsten 10 Jahre eine Alter­native zu Auftrags­pro­duk­tionen und Ko-Produk­tionen mit den klassi­schen TV-Sendern?
Palmer:
Entscheidend ist, dass die Produ­zenten aus der Auswertung auf VoD-Platt­formen eine Wertschöpfung generieren können – was heute nicht der Fall ist, weil sie an ihren Produk­tionen keine Rechte mehr besitzen. Und wenn dann auch der Wildwuchs bei den kosten­losen Media­theken der Sender auf ein vernünf­tiges und zuschau­er­freund­liches Maß beschnitten ist, wird der Online- Vertrieb sicher einen bedeu­tenden Platz neben dem linearen Fernsehen finden. Ob er sich sogar zu einer Alter­native dazu entwi­ckeln kann, wird die Entwicklung in den nächsten Jahren zeigen.

 
Aus: Promedia Nr. 1/2015, Wiedergabe mit freund­licher Geneh­migung des Promedia-Verlags.