Skip to main content
News

Kreile: Instrumentarium zur Piraterie-Bekämpfung in Deutschland „wenig hilfreich“

Im Interview mit dem medien­po­li­ti­schen Magazin Promedia (Mai-Ausgabe) spricht Prof. Dr. Johannes Kreile, Geschäfts­führer der Sektion TV der Produ­zen­ten­al­lianz über Urheber- und Leistungs­s­schutz­rechte. „Für die Produ­zenten ist es wichtig,“ so Kreile, „dass im Internet Struk­turen aufgebaut sind, die kosten­pflichtige On Demand Angebote für den Nutzer ermög­lichen. Damit einher­gehen muss eine wirksame Pirate­rie­be­kämpfung, hier ist insbe­sondere die Bundes­re­gierung gefordert, den Urhebern- und Leistungs­schutz­rechts­in­habern die notwen­digen Instru­men­tarien an die Hand zu geben, um die Piraterie wirksam zu bekämpfen.“ Das derzeitige Instru­men­tarium in Deutschland mit dem kompli­zierten Weg über die  Gerichte im Hinblick auf die Ermittlung von IP Adressen sei „wenig hilfreich“.

Der Beitrag im Wortlaut:

  • Zahlreiche Medien­un­ter­nehmen verfügen über Leistungs­schutz­rechte
  • Verlagen droht wegen der Einführung der E-Books Gefahr der Piraterie
  • VG Wort kann, anders als die Gema, keine Unter­las­sungs­an­sprüche geltend machen

„Datenschutz versus Schutz des geistigen Eigentums“

  • Interview mit Prof. Dr. Johannes Kreile, Sekti­ons­ge­schäfts­führer Fernsehen, Allianz Deutscher Produ­zenten – Film & Fernsehen e.V.

Während die Verleger ein gesetz­liches Leistungs­schutz­recht einfordern, das auch im Internet gelten soll, verfügen Fernseh­sender, Filmpro­du­zenten oder Musik­pro­du­zenten bereits über ein solches Recht und wenden es auch an, wie jüngste Ausein­an­der­set­zungen zwischen TV-Sendern und Suchma­schinen oder auch das Sperren von Musik­videos auf Youtube durch die Gema gezeigt haben. Wie Prof. Dr. Johannes Kreile, Urheber­rechtler und Sekti­ons­ge­schäfts­führer der ,Allianz Deutscher Produ­zenten“ im promedia-Interview erläutert, haben die TV Sender „gem. § 87 UrhG ein eigenes Leistungs­schutz­recht. Das schließt auch das Recht ein, zu entscheiden, ob Programm­an­gebote im Internet weiter­ge­sendet werden. Platt­formen wie Zattoo, die über 50 TV Sender live über das Internet verbreiten, bedürfen natürlich der Zustimmung der Sender für dieses Angebot.“ Zu einem Vergleich zwischen den Rechts­an­sprüchen aus der Verwertung bei TV-Sendern, Produ­zenten und Verlagen, Fragen an Prof. Dr. Johannes Kreile.

promedia: Herr Kreile, Verlage fordern jetzt sogenannte Leistungs­schutz­rechte. Sind sie dem Urheber­recht gleich­zu­setzen?
Kreile: Während das Urheber­recht die persönlich geistige Schöpfung schützt, gewährt das Leistungs­schutz­recht seinem Inhaber Schutz für die wirtschaft­liche und organi­sa­to­rische Leistung. Sowohl das Urheber­recht wie das Leistungs­schutz­recht als verwandte Schutz­rechte sind im Urheber­gesetz geregelt. Das Leistungs­schutz­recht steht z.B. den Filmher­stellern für die wirtschaftlich und organi­sa­to­rische Leistung im Rahmen des Filmher­stel­lungs­pro­zesses zu, ähnliches gilt für die Tonträ­ger­her­steller, die Verlage haben aber kein eigenes Leistungs­schutz­recht. Inter­es­san­ter­weise haben die Verlage bei Einführung des Urheber­ge­setzes im Jahr 1965 die Forderung nach einem eigenen Leistungs­schutz­recht nicht erhoben, vielmehr haben sie sich seit vielen Jahren aufgrund schuld­recht­licher Verträge die Rechte der Autoren abtreten lassen und aus dieser Rechts­po­sition heraus agiert. Nunmehr folg ein gewisses Umdenken. Auch die Verlage erkennen, dass eine eigen­ständige Rechts­po­sition neben den abgelei­teten Rechten der Autoren für den Schutz der Werke wichtig sein kann.

promedia: Für welche Inhalte existieren solche Leistungs­schutz­rechte im Internet?
Kreile: Der Inhaber eines Leistungs­schutz­rechts, also z.B. der Filmpro­duzent, der Tonträ­ger­her­steller, aber auch die Sender, die ebenfalls über eigene Leistungs­schutz­rechte verfügen, haben für dieses Recht ein eigen­stän­diges Verbots­recht, können also jede unberech­tigte Nutzung unter­sagen. Dies gilt auch im Internet. Das heißt, wer im Internet nicht die erfor­der­lichen Rechte vom Rechts­in­haber erwirbt, handelt urheber­rechts­widrig. Es liegt der Fall von Piraterie vor.

promedia: Warum existiert ein solches Recht bisher für Verlage nicht?
Kreile: Der Schutz der verle­ge­ri­schen Leistung wird nur über das Verlags­recht als ein vom Autor abgelei­tetes Recht gewährt. Das Verlags­gesetz regelt das Verlags­recht als ein ausschließ­liches Nutzungs­recht des Verlegers. Hiernach hat der Autor dem Verleger das ausschließ­liche Recht zur Verviel­fäl­tigung und Verbreitung des Werkes zu verschaffen (§ 8 Verlags­gesetz). Um eine ungestörte Ausübung dieser, also vom Urheber abgelei­teten Rechte zu ermög­lichen, gesteht das Verlags­gesetz dem Verleger weitere Abwehr­rechte einschließlich der Möglichkeit des Geltend­ma­chens von Schadens­ersatz im Falle der Verletzung zu. Im Internet gibt es jedoch inzwi­schen Platt­formen, aus denen z.B. Inhalte aus Schul­bü­chern unzuläs­si­ger­weise zum download zur Verfügung gestellt werden. Hier würde den Verlagen ein eigenes Schutz­recht nützen. Während früher die Verleger noch geglaubt haben, durch das Verlags­gesetz ausrei­chend geschützt zu sein, setzt sich heute im Zeitalter der Digita­li­sierung die Erkenntnis durch, dass ein eigen­stän­diges Leistungs­schutz­recht für die Verlage wichtig wäre.

promedia: Warum ist das für die Verlage wichtig?
Kreile: Ein eigen­stän­diges Verlags­recht in Form eines Leistungs­schutz­rechtes würde die Rechts­po­sition des Verlegers insofern verbessern, als er im Verlet­zer­prozess aus eigenem Recht vorgehen könnte und sich nicht nur auf abgeleitete Rechte berufen kann. In einem Prozess gegen einen Verletzer – bei Inter­net­pi­ra­terie ohnehin schwer genug – muss der Verleger im Zweifel auch das Bestehen des Verlags­rechts nachweisen, d.h. neben der Urheber­schaft des Autors auch das wirksame Zustan­de­kommen des Verlags­ver­trages. Diesen muss er dann auch gegebe­nen­falls noch beweisen. Hier bieten sich für einen dem Verleger nicht wohl geson­nenen Gegner einige Angriffs­punkte, gerade bei den für das Internet erfor­der­lichen Rechten gem. § 19 a UrhG, also dem Recht der öffent­lichen Zugäng­lich­ma­chung. In vielen alten Verlags­ver­trägen ist dieses Recht dem Verleger oft nicht einge­räumt worden.

promedia: Würden die Verlage so die unberech­tigte Nutzung ihrer Inhalte, z.B. durch Suchma­schinen verhindern können?
Kreile: Durch Suchma­schinen können Verlage allen­falls die unberech­tigte Nutzung erkennen, sie müssen jedoch dann die üblichen gericht­lichen Maßnahmen gegen die Verletzer, insbe­sondere auf Unter­lassung, einleiten, sei es straf­rechtlich, sei es zivil­rechtlich. Aus der Praxis der Pirate­rie­be­kämpfung wissen wir  jedoch, dass das Vorgehen gegen Piraterie im Internet höchst mühsam, kompli­ziert und in vielen Fällen nicht erfolg­reich ist. Dies beginnt schon damit, dass die Daten, wer hinter einer IP-Adresse steckt, nur im Falle von gewerb­lichen Verlet­zungen und dann auch nur auf richter­liche Anordnung heraus­ge­geben werden dürfen. Dies ist der Kernkon­flikt in der digitalen Welt, nämlich Daten­schutz versus Schutz des geistigen Eigentums.

promedia: Würde damit jede Verlinkung zu Verlags­seiten oder Nutzung von Verlags­in­halten kosten­pflichtig  sein?
Kreile: Ob und inwieweit Verlage Angebote kostenlos oder gegen Entgelt im Netz anbieten ist alleine deren wirtschaft­liche Entscheidung.

promedia: Wie ist ein solches Recht im Internet-Alltag durch­setzbar?
Kreile: Große seriöse Anbieter wie Google, Yahoo aber auch die Verlage achten das Urheber­recht auch im Internet. Piraten tun dies nicht. Die Musik­in­dustrie ist seit vielen Jahren von der Piraterie betroffen, die Filmin­dustrie ebenfalls seit einigen Jahren. Für die Verlage droht nun wegen des E-Books ebenfalls diese Gefahr.

promedia: Müsste es dafür eine spezielle Verwer­tungs­ge­sell­schaft geben?
Kreile: Die Verlage haben mit der VG Wort bereits eine Verwer­tungs­ge­sell­schaft, in der sie vertreten sind. Aller­dings kann die VG Wort keine Unter­las­sungs­an­sprüche – anders als z.B. die Gema – geltend machen.

promedia: Wie wird das Leistungs­schutz­recht für TV-Sender im Internet geregelt?
Kreile: Die TV Sender haben gem. § 87 UrhG ein eigenes Leistungs­schutz­recht. Die schließt auch das Recht ein, zu entscheiden, ob Programm­an­gebote im Internet weiter­ge­sendet werden. Platt­formen wie Zattoo, die über 50 TV Sender live über das Internet verbreiten, bedürfen natürlich der Zustimmung der Sender für dieses Angebot.

promedia: Trifft das auch auf alle Formen von Web-TV zu?
Kreile: Produ­zenten wie Sender haben auch  im Internet alle ihre Rechte im Hinblick auf die Auswertung ihrer Rechte. Unberech­tigte, d.h. nicht von Sendern oder Produ­zenten lizen­zierte Angebote stellen Piraterie dar.

promedia: Produ­zenten wollen ihre Filme verstärkt im Internet verwerten. Wie sind diese Inhalte dann geschützt?
Kreile: Für die Produ­zenten ist es wichtig, dass im Internet Struk­turen aufgebaut sind, die kosten­pflichtige On Demand Angebote für den Nutzer ermög­lichen. Damit einher­gehen muss eine wirksame Pirate­rie­be­kämpfung, hier ist insbe­sondere die Bundes­re­gierung gefordert, den Urhebern- und Leistungs­schutz­rechts­in­habern die notwen­digen Instru­men­tarien an die Hand zu geben, um die Piraterie wirksam zu bekämpfen. Das derzeitige Instru­men­tarium in Deutschland mit dem kompli­zierten Weg über die  Gerichte im Hinblick auf die Ermittlung von IP Adressen ist hier wenig hilfreich. Frank­reich beispiels­weise ist in der Bekämpfung der Inter­net­pi­ra­terie bereits weiter.

promedia: Führt die strikte Anwendung von Leistungs­schutz­rechten zunehmend zu einem kosten­pflich­tigen Internet und damit zu einer besseren Refinan­zierung der Inhalte?
Kreile: Jeder wirksame Schutz von Rechten, sei es Urheber, sei es Leistungs­schutz­rechte, ermög­licht entspre­chende Geschäfts­mo­delle, die zu einer Einnahme bei den Rechte­inhabern führen. Gerade in Zeiten der Digita­li­sierung und damit der Diver­si­fi­zierung der Verbrei­tungswege benötigen Rechte­inhaber und Produ­zenten jede Form der Refinan­zierung.

promedia: Ist das Leistungs­schutz­recht auch grenz­über­schreitend durch­setzbar?
Kreile: Das Leistungs­schutz­recht z.B. der Filmher­steller oder auch der Sender ist selbst­ver­ständlich grenz­über­schreitend durch­setzbar, gerade die Europäische Union, aber auch das Weltur­he­ber­rechts­ab­kommen und die revidierte Berner Überein­kunft bieten das erfor­der­liche Instru­men­tarium, um die Rechte von Produ­zenten, aber auch den Urhebern durch­zu­setzen. (HH)

Aus: Promedia Nr. 5/2009, S. 43–44 – Wiedergabe mit freund­licher Geneh­migung des Promedia-Verlags.