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MDR-Intendant Reiter: Verhandlungen mit Produzenten über Verwertungsrechte im Internet „kurz vor dem Abschluss“

Im Interview mit dem medien­po­li­ti­schen Magazin Promedia (November-Ausgabe) sagte Udo Reiter, die Verhand­lungen mit den Produ­zenten über die Verwer­tungs­rechte im Internet stünden mittler­weile kurz vor dem Abschluss. Es lasse sich die Prognose wagen, dass sich die Betei­ligten „unter aufmerk­samer Beobachtung der Bundes­re­gierung und der FFA wiederum zu fairen Bedin­gungen auch für die digitalen Online-Rechte verstän­digen werden.“ Einen Automa­tismus, wonach die Sender ohne zusätz­liche Vergütung die Produktion in ihren Media­theken nuttzen dürfen, sieht reiter nicht. Die Rundfunk­an­stalten seien aller­dings der Auffassung, „dass Media­theken dem zuneh­menden Bedürfnis der Zuschauer nach einer zeitsou­ve­ränen Nutzung der Hörfunk- und Fernseh­pro­gramme entsprechen“ und dass ihnen die Möglichkeit geboten werden sollte, „die in den linearen Programmen ausge­strahlten Beiträgen innerhalb von sieben Tagen nach Ausstrahlung kostenlos online abzurufen“. Dieser zeitlich eng mit der Ausstrahlung verknüpfte Abruf ist „nach Auffassung der ARD nicht zusätzlich zu vergüten, sondern wurde mit dem Sende­recht schon bezahlt.“

Das Interview im Wortlaut:

  • Gespräche zwischen ARD und Produ­zenten über Rechte­ver­wertung bei geför­derten Filmen kurz vor Einigung
  • ARD hält Proto­kol­lerklärung zum 12. Rundfunk­än­de­rungs­staats­vertrag verfas­sungs­rechtlich für bedenklich
  • Einge­schränkter Rechte­erwerb würde „zwingend eine Reduzierung der Finanz­bei­träge nach sich ziehen“

„Es wird auch im digitalen Bereich zu einer fairen Verteilung der Rechte kommen“

  • Interview mit Prof. Dr. Udo Reiter, Intendant des Mittel­deut­schen Rundfunks (MDR)

Kaum ein deutscher Produzent kann heute, trotz staat­licher Förder­mittel, einen Spielfilm ohne Betei­ligung eines TV-Senders produ­zieren. Allein die Landes­rund­funk­an­stalten der ARD haben sich im Jahr 2007 mit ca. 40 Mio. Euro an deutschen Spiel­film­pro­duk­tionen beteiligt. Darüber hinaus haben die ARD-Anstalten gemeinsam mit der Degeto im Jahr 2007 rund 306 Mio. Euro für fiktionale TV-Eigen­pro­duk­tionen aufge­wendet. Die Bedeutung der öffentlich-recht­lichen Sender für die deutsche Filmwirt­schaft spiegelt sich auch in einer sehr intensiv geführten Debatte um die Verwer­tungs­rechte im Internet und auf anderen neuen Verbrei­tungs­wegen wieder. Die Allianz Deutscher Produ­zenten fordert u.a., dass die Produ­zenten an der an der digitalen Verwertung auch finan­ziell beteiligt werden. Zudem sollte der Abruf von audio­vi­su­ellen Produk­tionen, die nicht als Eigen­pro­duktion herge­stellt werden, unzulässig sein. Der 12. Rundfunk­än­de­rungs­staats­vertrag fordert in einer Proto­kol­lerklärung die öffentlich-recht­lichen Anstalten auf, in ihren Selbst­ver­pflich­tungen Aussagen zu treffen, die „Film und Fernseh­pro­duk­ti­ons­un­ter­nehmen ausge­wogene Vertrags­be­din­gungen und eine faire Aufteilung der Verwer­tungs­rechte gewähren“ sollen. Die Verhand­lungen über die Rechte­ver­wertung bei geför­derten Gemein­schafts­pro­duk­tionen mit ARD und ZDF sollen weit fortge­schritten sein, während sie mit privaten Sendern noch am Anfang stehen. Fragen an den MDR-Inten­danten Dr. Udo Reiter, der innerhalb der ARD für die Filmför­derung zuständig ist.

promedia: Herr Reiter, wie ist in der Regel die Verwertung und Rechte­ver­teilung bei Gemein­schafts­pro­duk­tionen geregelt?
Reiter:
Die Rechte­ver­teilung ist in den „Allge­meinen Bedin­gungen zu Film-/Fernseh-Gemein­schafts­pro­duk­tionen“ vom 21. Februar 2002 geregelt. Diese zwischen den Produ­zen­ten­ver­bänden sowie ARD und ZDF ausge­han­delten Eckdaten gelten für Gemein­schafts­pro­duk­tionen innerhalb der FFA. Sie finden in aller Regel auch Anwendung auf Produk­tionen, die von den Förder­ein­rich­tungen der Länder gefördert werden. Bei Auftrags- oder Kopro­duk­tionen ohne Betei­ligung der Filmför­derung ist es Sache der Vertrags­par­teien, sich bei den Vertrags­ver­hand­lungen über eine angemessene Aufteilung der Verwer­tungs­rechte zu verstän­digen. Dabei spielt der jeweilige finan­zielle Beitrag die entschei­dende Rolle.

Inwieweit behalten bei solchen geför­derten Filmen die Produ­zenten auch die Verwer­tungs­rechte für Online und andere digitale Verwer­tungs­mög­lich­keiten?
Im Jahr 2002 war noch nicht klar, welche programm­liche und wirtschaft­liche Bedeutung eine digitalen Verwertung einmal haben wird. Die Rundfunk­an­stalten und Produ­zenten haben deshalb überein­stimmend in den Allge­meinen Bedin­gungen zu Film-/Fernseh-Gemein­schafts­pro­duk­tionen die Frage der Online-Verwertung und anderer digitaler Verwer­tungs­mög­lich­keiten ausdrücklich offen gelassen. Auf Grund der wachsenden Bedeutung dieser Verwer­tungs­mög­lichkeit wurden hierzu in diesem Jahr die Verhand­lungen aufge­nommen. Diese stehen mittler­weile kurz vor dem Abschluss.

Fernseh­filme und -serien werden in der Regel zu 100 Prozent von den Sendern finan­ziert. Unter welchen Bedin­gungen erhalten Produ­zenten generell Verwer­tungs­rechte?
Die Verwer­tungs­rechte der Produ­zenten richten sich nach Art und Höhe der Produk­ti­ons­be­tei­ligung.

Nach Aussagen von Produ­zenten sehen bei Auftrags­pro­duk­tionen die Verträge automa­tisch die Nutzung durch Media­theken vor, ohne dass der Produzent dafür eine Vergütung erhält. Warum wird so verfahren, bei den Media­theken handelt es sich doch um eine zusätz­liche Verwer­tungsform?
Einen Automa­tismus, wonach den vertrags­schlie­ßenden Rundfunk­an­stalten ohne zusätz­liche Vergütung automa­tisch die Nutzung der Produktion in ihren Media­theken gestattet wird, gibt es entgegen der Behaup­tungen von Produ­zenten nicht. Aller­dings sind die Rundfunk­an­stalten der Auffassung, dass Media­theken dem zuneh­menden Bedürfnis der Zuschauer nach einer zeitsou­ve­ränen Nutzung der Hörfunk- und Fernseh­pro­gramme entsprechen.
Die ARD geht nach dem Vorbild der BBC davon aus, dass den Zuschauern die Möglichkeit geboten werden sollte, die in den linearen Programmen ausge­strahlten Beiträgen innerhalb von sieben Tagen nach Ausstrahlung kostenlos online abzurufen. Damit wird den Gebüh­ren­zahlern die Möglichkeit gegeben, die von ihnen mit der Rundfunk­gebühr schon bezahlten Beiträge zeitsou­verän im zeitlichen Umfeld der Ausstrahlung zu nutzen. Dieser zeitlich eng mit der Ausstrahlung verknüpfte Abruf ist nach Auffassung der ARD nicht zusätzlich zu vergüten, sondern wurde mit dem Sende­recht schon bezahlt. Anders verhält es sich mit der Online-Nutzung nach diesen sieben Tagen.

Warum wird über die digitalen Verwer­tungs­rechte nicht gesondert verhandelt?
Über die Rechte­auf­teilung verhandeln ARD und ZDF zur Zeit mit der Allianz Deutscher Produ­zenten und dem Verband der Produ­zenten. Auch wenn die Verhand­lungen noch zu keinem endgül­tigen Abschluss gekommen sind, kann davon ausge­gangen werden, dass die öffentlich-recht­lichen Rundfunk­an­stalten mit den Produ­zenten im Rahmen der FFG-Novelle eine Einigung über die Aufteilung der digitalen Verwer­tungs­rechte erzielen werden. Wie schon bei den analogen Verwer­tungs­rechten wird es auch hier zu einer fairen Verteilung der Rechte kommen.

In einer Proto­kol­lerklärung zum § 6 des 12. Rundfunk­än­de­rungs­staats­ver­trages werden die öffentlich-recht­lichen Anstalten aufge­fordert, in ihren Selbst­ver­pflich­tungen Aussagen zu treffen, die „Film und Fernseh­pro­duk­ti­ons­un­ter­nehmen ausge­wogene Vertrags­be­din­gungen und eine faire Aufteilung der Verwer­tungs­rechte gewähren“. Welche Konse­quenzen ergeben sich darauf für die künftige Vertrags­ge­staltung mit den Produ­zenten?
Die ARD hat in einer Stellung­nahme gemeinsam mit dem ZDF gegenüber den Ländern klarge­stellt, dass die Produ­zenten bereits jetzt fair behandelt werden. ARD und ZDF engagieren sich mit 11 Mio. Euro jährlich bei der FFA. Die Landes­rund­funk­an­stalten bringen nochmals rund 30 Mio. Euro jährlich direkte Zahlungen in die Länder­för­de­rungen ein. Das ZDF beteiligt sich bei den Länder­för­de­rungen ebenfalls mit 10 Mio. Euro, die unmit­telbar aus dem Program­metat entnommen werden müssen. Darüber hinaus engagieren sich die Rundfunk­an­stalten als Kopro­du­zenten an der Produktion von Spiel­filmen. Ohne das finan­zielle Engagement der Sender als Kopro­du­zenten und ohne das Knowhow der Rundfunk­an­stalten wären zahlreiche Kinofilme trotz der Förderung durch die FFA und die Landes­för­de­rungen schlicht nicht zustande gekommen. Diesen Förder­bei­trägen stehen keine Gegen­leis­tungen der Produ­zenten gegenüber. Wenn ARD und ZDF an geför­derten Produk­tionen Rechte erwerben, so geschieht dies nur, weil sie neben den Förder­bei­trägen eigene Finanz­mittel in die Produktion mit einbringen.
Die von den Ländern gefor­derte Selbst­ver­pflichtung könnte nicht nur zu einem unter verfas­sungs- und europa­rechtlich äußerst proble­ma­ti­schen Sonder­pri­vat­recht (Urheber­recht) für öffentlich-recht­liche Rundfunk­an­stalten führen, sondern erweckt den falschen Eindruck, wonach ARD und ZDF bisher unfaire Vertrags­be­din­gungen prakti­ziert hätten.
Dem sind folgende Fakten gegenüber zu stellen:

  • Umfas­sende Rechte einschließlich der Online-Rechte werden nur bei vollfi­nan­zierten Produk­tionen erworben. Hierfür erhält der Produzent zwischen 6 Prozent und 13,5 Prozent Handlungs­kosten und 7,5 Prozent Gewinn auf Herstel­lungs­kosten und Handlungs­kosten. Einzel­rechte werden nach dieser Syste­matik nicht gesondert vergütet, vielmehr basiert die Vergütung auf der Übertragung sämtlicher Rechte an der Produktion (rights follow the risk).
  • Teilfi­nan­zierte Produk­tionen werden auch nur mit Teilrechten ausge­stattet.
  • ARD und ZDF – anders als private Sende­un­ter­nehmen – haben die „terms of trade“ fortlaufend mit den Produ­zen­ten­ver­bänden disku­tiert und Eckpunkte der Vertrags­be­din­gungen vereinbart. Dies hat beispiels­weise im ZDF zu zusätz­lichen Betei­li­gungen der Produ­zenten an Verwer­tungs­vor­gängen geführt, selbst wenn die Produktion vollfi­nan­ziert war.
  • Erlös­be­tei­ligung bei Kinover­wertung
  • Erlös­be­tei­ligung bei Auslands­ver­trieb
  • Erlös­teilung bei Pay-TV-Vertrieb im Inland.

Weiteren Gesprächen zu Regelungen auch im Bereich der Neuen Medien haben sich ARD und ZDF nie verschlossen. Diese wurden und werden auch mit dem neuen Produ­zen­ten­verband der Allianz Deutscher Produ­zenten geführt.Hätte ein einge­schränkter Rechte­erwerb Konse­quenzen aus Ihrer Sicht?Soweit der Rechte­erwerb der öffentlich-recht­lichen Rundfunk­an­stalten aufgrund medien­recht­licher Vorgaben einge­schränkt werden soll, ist zu beachten, dass dies zwingend eine Reduzierung der Finanz­bei­träge nach sich ziehen müsste. Andern­falls würden Rechte aus Gebüh­ren­mitteln über Markt­preisen vergütet, was zu einer unter beihil­fe­recht­lichen Gesichts­punkten verbo­tenen Wettbe­werbs­ver­zerrung führen würde. Folgrichtig würde dies künftig vollfi­nan­zierte Auftrags­pro­duk­tionen ausschließen. Ein gravie­render Stand­ort­nachteil für die deutsche Produ­zen­ten­land­schaft wäre die Folge. Gleich­zeitig folgt daraus, dass jedwede gesetz­liche Vorgaben unter­schiedslos für private Sende­un­ter­nehmen wie für öffentlich-recht­liche Rundfunk­an­stalten gelten müssen. Private Sende­un­ter­nehmen kennen aller­dings bisher vergleichbare Betei­li­gungen der Produ­zenten nicht. ARD und ZDF haben gemeinsam mit den Spiel­film­pro­du­zenten im Jahr 2001 in sechs Verhand­lungs­runden die „Allge­meine Bedin­gungen zu Film-/Fernseh-Gemein­schafts­pro­duk­tionen“ für die Rechte­auf­teilung bei Gemein­schafts­pro­duk­ti­ons­ver­trägen innerhalb der FFA ausge­handelt. Diese Verhand­lungen sind vom Bundes­ge­setz­geber und der FFA aufmerksam verfolgt worden und haben zu einem allseits als fair empfun­denen Kompromiss geführt. ARD und ZDF haben mit den Spiel­film­pro­du­zenten Ende Dezember 2007 zudem Gespräche über die Aufteilung der Rechte im On-Demand-Bereich an geför­derten Produk­tionen aufge­nommen. Trotz leichter Verzö­ge­rungen dieser Verhand­lungen im Hinblick auf die Neugründung des Produ­zen­ten­ver­bands lässt sich die Prognose wagen, dass sich die Betei­ligten unter aufmerk­samer Beobachtung der Bundes­re­gierung und der FFA wiederum zu fairen Bedin­gungen auch für die digitalen On-line-Rechte verstän­digen werden. Im Übrigen betrifft Filmför­derung nicht nur die öffentlich-recht­lichen Anstalten. Wenn überhaupt eine solche Regelung für sinnvoll erachtet würde, dann ist schon gar nicht nachvoll­ziehbar, weshalb die kommer­zi­el­len­Rund­funk­ver­an­stalter in der Proto­koll­notiz nicht erwähnt werden. Dagegen leisten die kommer­zi­ellen Veran­stalter noch immer keine vergleich­baren finan­zi­ellen Beiträge an die FFA und sie haben bis heute keine AGBs über eine angemessene Rechte­auf­teilung zwischen Sendern und Produ­zenten vereinbart.

Die Produ­zenten-Allianz fordert, dass der Abruf von audio­vi­su­ellen Produk­tionen, die nicht als Eigen­pro­duktion herge­stellt werden, unzulässig sein soll, da das zu einer Wettbe­werbs­be­hin­derung der Produ­zenten führt. Wie bewerten Sie diese Forderung?
Wie schon ausge­führt, zeichnet sich für die Gemein­schafts­pro­duk­tionen eine Einigung ab, die den wechsel­sei­tigen Inter­essen der Produ­zenten und der öffentlich-recht­lichen Rundfunk­an­stalten Rechnung trägt.

Zudem sollten Rechte, so die Produ­zen­ten­al­lianz, die von den Rundfunk­an­stalten nicht ausge­wertet werden dürfen, auch nicht erworben werden dürfen. Dies Forderung erscheint logisch. Können Sie sich dem anschließen?
Die digitale Auswertung erfolgt auf unter­schied­lichen Verwer­tungs­stufen und auf unter­schied­lichen Platt­formen. Diese neuen digitalen Vertriebswege für audio­vi­suelle Produk­tionen werden aller Voraus­sicht nach in den kommenden Jahre zuneh­mende publi­zis­tische und wirtschaft­liche Bedeutung erlangen.
Die Nutzung von Verwer­tungs­rechten, die bei den Rundfunk­an­stalten liegen, ist nach europäi­schem Recht unter Beihil­fe­aspekten auch geboten. Soweit den Rundfunk­an­stalten an Gemein­schafts­pro­duk­tionen Verwer­tungs­rechte einge­räumt werden, müssen sie diese auch nutzen. Insofern ist die Sorge der Produ­zenten, die Rundfunk­an­stalten könnten sich Rechte einräumen lassen, die sie am Ende nicht verwerten, unbegründet. (HH)

Aus: Promedia Nr. 11/2008, S. 35-37 – Wiedergabe mit freund­licher Geneh­migung des Promedia-Verlags.