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Product Placement: Streit um Kennzeichnung / Stand der Legalisierung

Es komme selten vor, dass ARD, ZDF und der Privat­sen­der­verband VPRT einer Meinung sind, schreibt Peer Schader in der Frank­furter Allge­meinen. Es müsse sich also „um eine besondere Angele­genheit“ handeln, wenn der ARD-Vorsit­zende Peter Boudgoust, der ZDF-Intendant Markus Schächter und der VPRT-Präsident Jürgen Doetz einen gemein­samen Brief an die Chefs der Staats- und Senats­kanz­leien der Länder schreiben.

Wenige Monate bevor Produkt­pla­zie­rungen im deutschen Fernsehen erlaubt werden, gebe es Streit darum, wie weit die Kennzeichnung der betrof­fenen Programme gehen soll, erläutert Schader weiter. In der SPD werde überlegt, Product Place­ments auch in Filmen und Serien kenntlich zu machen, die im Ausland einge­kauft werden. Dagegen wenden sich die Sender in ihrem gemein­samen Schreiben. Wenn die Kennzeichnung der Produkt­pla­zie­rungen im Fernsehen nur halb so kompli­ziert ausfällt wie die jetzige Diskussion, so Schader, werde von der gewünschten Trans­parenz nicht mehr viel übrig bleiben: Die Katze soll schön im Sack bleiben (FAZ vom 14.08.2009, Nr. 187 / Seite 33 – Medien)

In seiner Eigen­schaft als Direktor des Erich-Pommer-Instituts beschreibt Prof. Dr. Oliver Castendyk, Geschäfts­führer der Produ­zen­ten­al­lianz-Sektion Enter­tainment, im medien­po­li­ti­schen Magazin ProMedia (August-Ausgabe) nach einem besonders anschau­lichen Placement-Beispiel aus einem Hollywood-Filmden Stand der Diskussion um die Legali­sierung des Produkt­pla­zierung in Deutschland.

Der Beitrag im Wortlaut:

Product Placement – Wie weit geht die Legalisierung?

Von Prof. Dr. Oliver Castendyk, Erich Pommer Institut/ Univer­sität Potsdam
In dem Holly­woodfilm I Robot mit Will Smith in der Haupt­rolle finden sich in den ersten 20 Minuten Produkt­plat­zie­rungen der Firmen Audi, JVC, FedEx, Ovomaltine und Converse. Die Mehrzahl der Produkte ist in die Handlung einge­bunden. Besonders auffällig ist dies beim Placement der Schuhe: In einer Szene macht der Protagonist ein Paket auf und freut sich über seine Converse Vintage 2004, kurze Zeit später fragt ihn seine Großmutter, was für schöne Schuhe er anhabe und er erwähnt den Marken­namen ein zweites Mal. In einer dritten Szene streitet er sich mit seinem Chef in einem Schnell­re­staurant. Als der Protagonist den Imbiss verlässt, ruft ihm sein Chef nach: „Nice shoes!“ Diese Art von Produkt­plat­zierung nennt man „Integrierte Werbung“ oder auch „Creative Placement“. Sie geht über das klassische Placement hinaus, bei dem Marken­pro­dukte nur als Beiwerk verwendet werden: So ist das Fahrzeug des Kommissars in der Krimi­serie (a) ein Gegen­stand, der ohnehin in der darge­stellten Realität vorkommt (No-Name-Produkte gibt es bei Fahrzeugen nicht) und (b) werden die Fahrzeuge und die Marke weder besonders hervor­ge­hoben, noch wird ihnen in der Handlung eine besondere Aufmerk­samkeit geschenkt. Produkt­in­te­gration hat inzwi­schen ein derar­tiges Ausmaß angenommen, dass die mächtige Writer’s Guild of America die FCC, die ameri­ka­nische Rundfunk­auf­sicht, aufge­fordert hat, strengere Regeln aufzu­stellen und die Kennzeich­nungs­pflichten zu verschärfen1. Zeichnen sich in Deutschland ähnliche Entwick­lungen ab?


I. Stand der Umsetzung der AVMD-Richt­linie
Die Ende Dezember 2007 in Kraft getretene Richt­linie über audio­vi­suelle Medien­dienste2 (im Folgenden: AVMD-RL) lässt Produkt­plat­zie­rungen (Product Place­ments) in engen Grenzen zu3. Die einschlägige Regelung in Art. 3g soll mit dem 13. Rundfunk­än­de­rungs­staats­vertrag (RÄndStV) bis Ende 2009 in deutsches Recht umgesetzt werden. Es liegt ein Referen­ten­entwurf vor, der am 25. August von den Rundfunk­re­fe­renten und Anfang September von den Chefs der Staats­kanz­leien abschließend beraten werden soll. Um die Umset­zungs­fristen einhalten zu können, sollen die Minis­ter­prä­si­denten endgültig im Oktober über den 13. RÄndStV entscheiden.


Der den Mitglied­staaten einge­räumte Umset­zungs­spielraum ist groß: Das bisherige Verbot der bezahlten Produkt­ein­bindung beizu­be­halten, wäre ebenso denkbar, wie die liberale Regelung der Richt­linie unver­ändert in den Rundfunk­staats­vertrag zu übernehmen. Nach bishe­riger Planung soll bei der Umsetzung in Deutschland zwischen privaten und öffentlich-recht­lichen Sendern diffe­ren­ziert werden: Rundfunk­an­stalten soll die Produkt­plat­zierung untersagt werden, privaten Sendern soll sie – in den Grenzen der Richt­linie – gestattet werden.


II. Stand der Diskussion im Einzelnen
Im Folgenden möchte ich die Regelung kurz und knapp vorstellen und gleich­zeitig deutlich machen, an welchen Stellen es im Kreis der Länder­ver­treter noch Diskus­sionen gibt.


1. Begrenzung auf bestimmte Genres
Produkt­plat­zierung wäre erlaubt in Kinofilmen, TV-Movies und Serien, Sport­sen­dungen und Sendungen der leichten Unter­haltung, nicht aber z.B. in Infor­ma­tions- oder Kinder­sen­dungen. Disku­tiert wird über die Frage, ob und wie man Ratge­ber­sen­dungen behandeln soll. Überwiegt der Infor­ma­ti­ons­anteil, soll Produkt­plat­zierung nicht zulässig sein. Die Abgren­zungen werden schwierig sein. Es wird eine Aufgabe der Landes­me­di­en­an­stalten und der Gerichte sein, diese Begriffe zu klären.


Sendungen, die grds. Produkt­plat­zierung enthalten dürfen, müssen weitere Voraus­set­zungen erfüllen:


2. Redak­tio­nelle Unabhän­gigkeit
Inhalt und Programm­platz von Sendungen dürfen nicht in einer Weise beein­flusst werden, welche die redak­tio­nelle Verant­wortung und Unabhän­gigkeit beein­trächtigt. Es gilt das Verbot des sog. Themen­pla­ce­ments.


Wie das US-ameri­ka­nische Ausgangs­bei­spiel zeigt, ist die redak­tio­nelle Unabhän­gigkeit durchaus gefährdet. Es besteht die Gefahr, dass die werbe­trei­bende Wirtschaft auf eine Integration der Produkte und Dienst­leis­tungen in die Handlung besteht, Dialoge um Produkte herum geschrieben werden, Vertreter der Marken­in­dustrie am Set stehen und Vorgaben geben, wie – in welcher Länge, mit welchem Zoom, in welchem Winkel – die Kamera auf das platzierte Produkt zu richten ist. Die deutschen Film- und Fernseh­pro­du­zenten fordern deshalb die Verein­barung eines Verhal­tens­kodex, der sicher­stellt, dass ihre kreative Autonomie nicht beein­trächtigt wird.


3. Keine Kaufauf­for­derung oder werbliche Heraus­stellung
Platzie­rungen dürfen nicht unmit­telbar zu Kauf, Miete bzw. Pacht von Waren oder Dienst­leis­tungen auffordern, insbe­sondere nicht durch spezielle verkaufs­för­dernde Hinweise. Und sie dürfen das betref­fende Produkt nicht zu stark heraus­stellen.


4. Kennzeichnung
Grund­sätzlich müssen die Zuschauer auf das Bestehen einer Produkt­plat­zierung hinge­wiesen werden – und zwar vor der Sendung, im Abspann und nach jeder Werbe­un­ter­bre­chung. Bei Kaufpro­duk­tionen (Stichwort „James Bond“-Filme), bei denen der Sender den Inhalt i.d.R. nicht beein­flussen kann, darf der Gesetz­geber von der Kennzeich­nungs­pflicht absehen.


Die Mehrheit der Länder tendiert dazu, auch Kaufpro­duk­tionen nicht von der Pflicht zur Kennzeichnung auszu­nehmen. Deutsche Produk­tionen, die häufig im Auftrag der Sender produ­ziert werden, werden damit nicht benach­teiligt. Müssen Produkt­plat­zie­rungen z.B. in im Ausland produ­zierten Kinofilmen zukünftig gekenn­zeichnet werden, stellt dies an den inter­na­tio­nalen Lizenz­handel neue Heraus­for­de­rungen. Bei allen Neupro­duk­tionen müsste eine Liste mit Produkt­plat­zie­rungen (Produkte und Firmen) erstellt werden, die – ähnlich wie Musik­listen oder Cast- & Crew-Listen – mit dem Material und den Nachweisen der Recht­ekette an den jewei­ligen Lizenz­nehmer geliefert werden. Es versteht sich von selbst, dass diese Regelung erst für nach dem Inkraft­treten der Regelung herge­stellte Film- und Fernseh­pro­duk­tionen gelten kann: Im Nachhinein heraus­zu­finden, welches Unter­nehmen für welche Produkte und Dienst­leis­tungen in Filmen geworben hat, dürfte kaum möglich sein.

Fraglich ist weiterhin, wie der „Warnhinweis“ gestaltet werden soll. Dürfen oder sollen sogar die platzierten Waren, Dienst­leis­tungen und Marken ausdrücklich genannt werden? Sind wertende Beschrei­bungen der Produkte erlaubt? Hier liegt ein Vergleich zum Sponsor­hinweis nahe: Auch dieser diente ursprünglich lediglich der Aufklärung des Zuschauers, der selbst entscheiden sollte, ob die gespon­serte Sendung durch den Sponsor beein­flusst wurde oder nicht. Heute werden die Sponsor­hin­weise jedoch als Mini-Werbe­spots vermarktet. Der eigent­liche Zweck der Aufklärung des Zuschauers ist in den Hinter­grund getreten. Es besteht daher bei den Ländern die Tendenz, die Kennzeichnung zurück­haltend zu gestalten. Ein allge­meiner Hinweis „Diese Sendung enthält bezahlte Produkt­ein­bin­dungen!“ wäre jedoch zu pauschal, um den Zweck der Verbrau­cher­auf­klärung zu erfüllen. Es muss deswegen ein Mittelweg gefunden werden.


5. No Smoking
Produkt­plat­zie­rungen zugunsten von Tabak­er­zeug­nissen oder verschrei­bungs­pflich­tigen Arznei­mitteln sind insgesamt untersagt. Angesichts der klaren Regelung gibt es hier keine politische Diskussion. In vielen Staaten ist die entgelt­liche Platzierung von Zigaretten in Kinofilmen jedoch noch erlaubt. Filme, die derartige Place­ments enthalten, dürfen in Zukunft in der EU aller­dings nicht mehr im Fernsehen gezeigt werden.


6. Das Problem „Produkt­hilfe“
Bei öffentlich-recht­lichen Sendern ist es seit Jahrzehnten eine allseits akzep­tierte Tradition, unent­gelt­liche Produkt­hilfen zu verwenden. Das berühm­teste Beispiel ist die „MS Deutschland“, die von der Reederei Peter Deilmann seit vielen Jahren unent­geltlich für die Serie „Traum­schiff“ zur Verfügung gestellt wird. Auch bei privaten Sendern werden Fahrzeuge, PCs und Kleidung häufig in Form von Produkt­hilfen beigestellt. ARD und ZDF wollen diese Praxis fortführen. Sie haben seit Ende der 80er Jahre in ihren Werbe­re­ge­lungen strenge Regeln dafür aufge­stellt, u.a. das Verbot der übermä­ßigen Heraus­stellung, Verpflichtung zum regel­mä­ßigen Produkt­wechsel und ähnliches mehr. Gemäß der Richt­linie handelt es sich bei Produkt­hilfen jedoch grund­sätzlich um Produkt­plat­zie­rungen, für die u.a. die Kennzeich­nungs­ver­pflichtung gelten würde.


Aller­dings lässt die Richt­linie offen, was unter kosten­losen Beistel­lungen zu verstehen ist. Bei der Bemessung des Wertes kommen zwei Berech­nungs­me­thoden in Betracht: Zunächst könnte auf den absoluten Wert der Ware oder Dienst­leistung abgestellt werden. Vorzugs­wür­diger erscheint aller­dings eine relative Berechnung, wonach es auf das Verhältnis zwischen gestellter Ware oder Dienst­leistung und dem Budget der Produktion ankommt.4


Im Kreis der Länder ist umstritten, ob dem öffentlich-recht­lichen Rundfunk Produkt­hilfen von bedeu­tendem Wert weiterhin gestattet werden sollen. Insbe­sondere der Freistaat Bayern hat hier bisher eine strenge Position vertreten. Würde es zu einem Verbot kommen, müssten die Produkte käuflich erworben oder angemietet werden. Das Geld würde an anderer Stelle fehlen. Aus diesem Grund haben sich die Produ­zen­ten­ver­bände eindeutig für eine Beibe­haltung der bishe­rigen Praxis ausge­sprochen.


III. Fazit
Die Umsetzung der Regelung zu Produkt­plat­zie­rungen in der Richt­linie über audio­vi­suelle Medien­dienste ist in Teilen nach wie vor umstritten. Die nächsten Monate werden zeigen, wie weit die Libera­li­sierung im Bereich dieser weltweit üblich gewor­denen Werbeform in Deutschland gehen wird.

Anmer­kungen:

1 U.a. sollen die Produkte bzw. Hersteller der Produkt­plat­zie­rungen genannt werden; ein allge­meiner Hinweis „Die nachfol­gende Sendung enthält bezahlte Produkt­ein­bin­dungen“ reicht ihnen nicht.
2 Richt­linie 2007/65/EG des Europäi­schen Parla­ments und des Rates zur Änderung der Richt­linie 89/552/EWG des Rates zur Koordi­nierung bestimmter Rechts- und Verwal­tungs­vor­schriften der Mitglied­staaten über die Ausübung der Fernseh­tä­tigkeit v. 11.12.2007.
3 Art. 3 g AVMD-RL.
4 Castendyk. In: Castendyk/Dommering/Scheuer, European Media Law, Art. 3g AVMSD Rn. 17.

Aus: Promedia Nr. 8/2009, S. 28–29 – Wiedergabe mit freund­licher Geneh­migung des Promedia-Verlags.