Skip to main content
News

Produzentenallianz-CEO Palmer: Produzenten müssen Verfügungsmacht über Verwertungsrechte behalten

Im Interview mit dem medien­po­li­ti­schen Magazin Promedia (Januar-Ausgabe) spricht Dr. Christoph Palmer, Vorsit­zender der Geschäfts­führung der Allianz Deutscher Produ­zenten – Film & Fernsehen, über die in diesem Jahr anste­henden Aufgaben und Ziele der Produ­zen­ten­al­lianz. Dazu gehören neben den primär wirtschaft­lichen Zielen wie der Verbes­serung der Rahmen­be­din­gungen für die Produ­zenten auch, „die Bedeutung der Produ­zenten als freie Unter­nehmer mit vollem Markt­risiko“ zu verdeut­lichen. Mit einem Produk­ti­ons­vo­lumen von bis zu 3,5 Mrd. Euro im Fernsehen und im Kino stelle die Bewegt­bild­in­dustrie einen wichtigen Wirtschafts­faktor in Deutschland dar und sei überdies einer der innova­tivsten Wirtschafts­zweige.

Der Beitrag im Wortlaut:

  • Produ­zen­ten­al­lianz will 2009 eine Änderung der Terms of Trade gegenüber den TV-Sendern erreichen
  • Pauschale Bürgschaft für Produk­ti­ons­un­ter­nehmen gegenüber Banken geplant
  • Produ­zenten plädieren für Erhöhung der Länder­för­der­mittel, um mögliche Krisen­folgen abzumildern

„Der Produzent muss die Verfügungsmacht über seine Verwertungsrechte behalten“

  • Interview mit Dr. Christoph E. Palmer, Vorsit­zender der Geschäfts­führung des Verbands Deutscher Produ­zenten


Zu den wichtigsten Aufgaben des Produ­zen­ten­ver­bandes für 2009 gehört der Beginn der Verhand­lungen mit den Sendern über eine Verän­derung der Terms of Trade. Zudem soll die Entwicklung eines Zweit­ver­wer­tungs­marktes gefördert und mit einem Leitbild der Produ­zen­ten­schaft die Bedeutung der Produ­zenten für die Kreativ­wirt­schaft verdeut­licht werden. Mit einer pauschalen Bürgschaft für Produk­ti­ons­un­ter­nehmen gegenüber Banken, die durch eine Versi­cherung geleistet wird, will der Verband mögliche Krisen­aus­wir­kungen abmildern. Fragen an den neuen CEO Christoph Palmer zu möglichen Auswir­kungen der Krise auf die Filmwirt­schaft, das neue FFG und die Notwen­digkeit von Lobby­arbeit.

promedia: Herr Palmer, die Produ­zenten werben für sich mit guten TV- und Spiel­filmen. Wozu benötigt diese Branche eine Lobby­arbeit?
Palmer: Eine gute Inter­es­sen­ver­tretung in einer „unüber­sicht­lichen Welt“ erfordert das stete Gespräch mit Entschei­dungs­trägern aus Politik, Sendern, den Partnern in der Wertschöp­fungs­kette, aber auch in der Gesell­schaft, sowie den Transport von Argumenten in die Öffent­lichkeit. Alleine darauf zu bauen, dass quali­täts­volle Filme auch Produ­zen­ten­rechte sichern und Verhand­lungs­kon­di­tionen günstig gestalten ließen, hieße den Komple­xi­tätsgrad von Entschei­dungs­pro­zessen zu unter­schätzen.

Sie haben die Produ­zenten bisher „von außen“ wahrge­nommen. Welches Bild hat die Öffent­lichkeit von diesem Berufs­stand?
Ich glaube, ein überwiegend positives Image. Sie finden Akzeptanz als Kreative mit unter­neh­me­ri­schem Ansatz. In Teilen der Öffent­lichkeit scheint mir mitunter aber eine zu idealis­tische Vorstellung vorzu­herr­schen. Die vielfäl­tigen Anfor­de­rungen an den Beruf und die damit verbun­denen Belas­tungen sind sicher nicht in der Allge­meinheit bekannt.

Welches Bild möchten Sie gerne erreichen?
Die Allianz Deutscher Produ­zenten – Film & Fernsehen möchte die Bedeutung der Produ­zenten als freie Unter­nehmer mit vollem Markt­risiko verdeut­lichen, aber zugleich ihre künst­le­rische Grund­aus­richtung, ihre Sensi­bi­lität für neue Themen, ihre Experi­men­tier­freude und ihre Zuschau­er­ori­en­tierung aufzeigen.

Wie wollen Sie das erreichen?
Ich plädiere dafür, dass wir an einem Leitbild der Produ­zen­ten­schaft in Deutschland arbeiten. Wir müssen stärker klar machen, dass die Produktion audio­vi­su­eller Werke ein zentraler Bestandteil des Kultur­schaffens und der Kultur­wirt­schaft in Deutschland sind. Wir sind überwiegend geprägt von kleinen und mittel­stän­di­schen Unter­nehmen und garan­tieren Vielfalt. Mit einem jährlichen Produk­ti­ons­vo­lumen von bis zu 3,5 Mrd. Euro im Fernsehen und im Kino stellt die Bewegt­bild­in­dustrie einen wichtigen Wirtschafts­faktor in Deutschland dar. Zugleich sind wir einer der innova­tivsten Wirtschafts­zweige. Das alles gilt es zu verdichten und in der Kommu­ni­ka­ti­ons­stra­tegie besser zu vermitteln.

Wie wichtig ist die Verlän­gerung des DFFF um weitere drei Jahre für die Branche?
Die Finan­zierung von Filmpro­duk­tionen in Deutschland wurde durch die Einführung des DFFF entscheidend verbessert. Er gibt den Produ­zenten durch das Mittel der automa­ti­schen Förderung die notwendige Planungs­si­cherheit. Ohne den DFFF wäre es zudem in den vergan­genen Jahren nicht gelungen, auch große inter­na­tionale Produk­tionen nach Deutschland zu holen. Eine Verlän­gerung des DFFF um mindestens drei Jahre ist deshalb von entschei­dender Bedeutung.

An 1. Januar tritt das neue FFG in Kraft, was bringt es aus Ihrer Sicht den Produ­zenten?
Das FFG 2009 bringt eine wichtige Moder­ni­sierung des Filmför­de­rungs­ge­setzes. Die Förder­instru­mente werden besser aufein­ander abgestimmt und es findet eine dringend notwendige Anpassung an verän­derte Auswer­tungs­rea­li­täten, z.B. durch eine Verkürzung der Sperr­fristen statt. Wichtig ist auch die Einbe­ziehung neuer Nutzer­gruppen, wie z.B. der Platt­form­be­treiber.

Wo hätten Sie sich gerne mehr gewünscht?
Schmerzlich ist aus Produ­zen­ten­sicht die einschnei­dende Kürzung der Referenz­film­mittel. Bei den Sperr­fristen hätte sich die Allianz eine noch weiter gehende Flexi­bi­li­sierung, insbe­sondere bei der Video­ver­wertung gewünscht. Auch hätte die Einführung einer generellen gesetz­lichen Abgabe aller derje­nigen, die Filme nutzen, den Charakter eines Solidar­ge­setzes noch stärker betont als es die Gesetz gewordene Zweiglei­sigkeit von gesetz­licher Abgabe einer­seits und verhan­delten Beiträgen an die FFA anderer­seits deutlich machen kann.

Was bleibt bei den Rahmen­be­din­gungen noch zu tun?
Die Terms of Trade müssen auch für nicht-FFA-geför­derte Filme disku­tiert und neu justiert werden. Hier gilt es, die Voraus­set­zungen für eine angemessene Verteilung von Rechten zur Verwertung in der digitalen Welt zu schaffen. Von entschei­dender Bedeutung ist es zudem, die Voraus­setzung für einen funktio­nie­renden Pirate­rie­schutz zu schaffen. Hier zeigen uns Frank­reich und England, welche Wege (z.B. „Graduated Response Verfahren“) hier auch im Konsens zwischen Rechte­inhabern, Service­pro­vidern und Verbrau­cher­inter­essen gegangen werden können.

Die Förderung hat in den letzten Jahren zugenommen, privates Kapital ist aus der Filmwirt­schaft fast verschwunden. Sehen Sie – trotz der Finanz­krise – eine Chance, das zu ändern?
Es bleibt ein wichtiges Ziel, den Bereich der Film- und Fernseh­pro­duktion wirtschaftlich auf so gesunde Beine zu stellen, dass sie für Inves­toren privaten Kapitals inter­essant werden. Auch hier sollten die inter­na­tio­nalen Entwick­lungen sorgfältig analy­siert werden, um auch für Deutschland Modelle zu entwi­ckeln, die durch eine Anpassung der steuer­lichen Rahmen­be­din­gungen die Inves­ti­tionen privaten Kapitals in Film- und Fernseh­pro­duk­tionen erleichtern. In einem ersten Schritt sollten die Hinder­nisse, die der Medien­erlass für inter­na­tionale Co-Produk­tionen unter deutscher Betei­ligung bedeutet, endlich aus dem Weg geräumt werden. Diese Maßnahme hätte keinerlei negative Auswir­kungen auf die Finanzlage des Bundes. Auch darüber hinaus sind wir überzeugt, dass die „Rendite“, die der Einsatz klug struk­tu­rierter steuer­licher Anreize für den Staats­haushalt bringen könnte, deutlich im positiven Bereich liegen. Wir werden dies in der neuen Legis­la­tur­pe­riode initi­ieren.

Die Produ­zenten haben sich mit den Sendern bei den geför­derten Filmen über die Verwertung der VoD-Rechte geeinigt. Sind damit die Produ­zenten – zumindest bei der Spiel­film­ver­wertung – ausrei­chend für die digitale Welt abgesi­chert?
Die Einigung, die mit den öffentlich-recht­lichen und den großen Privat­sendern zu VoD-Rechten getroffen wurde, stellt einen Kompromiss dar. Dieser muss sich nun in der wirtschaft­lichen Realität beweisen. Wir werden sehr sorgfältig beobachten, ob die getrof­fenen Regelungen ausreichen, einen eigen­stän­digen Verwer­tungs­markt entstehen zu lassen, der den Produ­zenten und damit auch den Förderern die eigen­ständige Verwertung ihrer Filme im Online­markt und somit auch zusätz­liche Rückflüsse für die Förderer ermög­licht. Wir sind zuver­sichtlich, dass dies gelingen kann und werden die Erfah­rungen der nächsten Jahre in die mit den Sendern verein­barte Evalu­ierung der getrof­fenen Regelungen einfließen lassen.

Bei der Verwertung von TV-Produk­tionen gibt es noch keine Verein­barung. Wie wichtig ist die digitale Verwertung für die TV-Produ­zenten?
Wir sind sowohl mit den öffentlich-recht­lichen wie mit den privaten Sendern hier in Gesprächen. Unser Ziel ist es, dass wir die Vertrags­be­din­gungen für die Produk­ti­ons­wirt­schaft insgesamt verbessern, hierzu zählt insbe­sondere auch eine den Inter­essen beider Seiten entspre­chende Regelung für die digitalen Rechte, insbe­sondere die Video on Demand Rechte. Hier wollen wir erreichen, dass Vertriebs­mo­delle geschaffen werden, in denen die Produ­zenten entweder den Vertrieb selbst übernehmen oder entspre­chend dem Wert der Rechte angemessen beteiligt werden. Auch in der Vergan­genheit haben die Produ­zenten mit den Sendern bei neuen Verwer­tungs­formen Regelungen gefunden, so dass die Verhand­lungen mit den Sendern hier von Zuver­sicht geprägt sind.

Ist die Verein­barung bei den geför­derten Spiel­filmen ein Modell auch für TV-Produk­tionen?
Das Modell für den Bereich Kinofilm ist ein erster Schritt. Auch hier streben wir im Rahmen des Gesamt­kom­plexes weitere Verbes­se­rungen für eine Produk­ti­ons­wirt­schaft an. In einem ersten Schritt können die Verein­ba­rungen für geför­derte Fernseh­filme eine gewisse Vorbild­funktion haben, wir wollen aber auch Regelungen für den Bereich der klassi­schen Auftrags­pro­duk­tionen erzielen.

Wie weit wird die sich abzeich­nende Rezession auch die Produ­zenten erreichen?
Leider spüren wir bereits, dass die rückläu­figen Einnahmen aus der TV-Werbung weiter­ge­geben werden. Das Produk­ti­ons­vo­lumen insgesamt wird 2009 kleiner. Die Sender stehen unter Sparzwängen und deshalb ist für uns die Erholung der Werbe­märkte sehr wichtig. Kein Mensch kann im Augen­blick absehen, wie lange die rezes­siven Tendenzen anhalten. Ich warne davor schwarz zu malen und sich immer weiter in eine Krise hinein­zu­reden.

Benötigen die Produ­zenten einen „Schutz­schirm“ der Bundes­re­gierung, um die Krise zu überstehen?
Es ist völlig unrea­lis­tisch, dass über jeder Branche in Deutschland ein „Schutz­schirm“ der Bundes­re­gierung ausge­breitet wird. Für uns wäre schon wichtig, dass Kürzungen der Filmför­derung unter­bleiben oder sogar antizy­klisch z. B. in den Länder­för­de­rungen das Produk­ti­ons­för­der­vo­lumen ausge­weitet wird. Im Übrigen arbeiten wir an einzelnen Verbes­se­rungen für unsere Mitglieder und die Produ­zen­ten­land­schaft insgesamt: Eine pauschale Bürgschaft, abgesi­chert durch eine Versi­cherung, für Produk­ti­ons­un­ter­nehmen gegenüber Banken würde Bürokratie und Kosten begrenzen.

Wir stehen in sehr guten Verhand­lungen mit einer Versi­che­rungs­ge­sell­schaft und ich gehe davon aus, dass wir eine solche Bürgschaft sehr bald anbieten können.

Welche inhalt­lichen Schwer­punkte sehen Sie für Ihre Arbeit in den nächsten Monaten?
Wir haben im Jahr 2009 die zentrale Aufgabe, in den Verhand­lungs­prozess mit den Sendern um die so genanten Terms of Trade einzu­steigen. Die Proto­koll­notiz zum jüngsten Rundfunk­än­de­rungs­staats­vertrag gibt den Sendern auch die Aufgabe auf, gerechte, und ich füge hinzu, moderne Produk­tions- und Verwer­tungs­ver­hält­nisse mit uns zusammen, zu erarbeiten. Für die Allianz bleibt es das vordring­liche Ziel, die weitge­hende Verfü­gungs­macht des Produ­zenten über seine Verwer­tungs­rechte zu erhalten.

Der Aufbau eines effek­tiven Zweit­ver­wer­tungs­marktes ist dabei auch wichtig. Wir werden mit den Anstalten in das Gespräch eintreten und haben beispiels­weise mit dem ARD-Vorsitz jüngst bereits eine gemeinsame Arbeits­gruppe vereinbart.

Darüber hinaus gilt es jetzt vordringlich einen neuen ausge­wo­genen Mantel- und Gagen­ta­rif­vertrag für die Branche auszu­handeln, der Rücksicht auf die schwie­riger gewordene wirtschaft­liche Situation vieler Betriebe und die weltwirt­schaft­lichen Rahmen­be­din­gungen nimmt. (HH)

Aus: Promedia Nr. 1/2009, S. 9–10 – Wiedergabe mit freund­licher Geneh­migung des Promedia-Verlags.