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„Produzentenlobby mit ehrgeizigen Zielen“

Blickpunkt:Film bringt ein großes Interview mit den Allianz-Vorständen Uli Aselmann, Holger Roost-Macias und Alexander Thies.  – Das Interview im Wortlaut:

Neue Produ­zen­ten­lobby mit ehrgei­zigen Zielen

Die Kakofonie hat ein Ende

München – Nach langen, zähen Verhand­lungen hat sich im März 2008 die neue Lobby­ver­ei­nigung Allianz Deutscher Produ­zenten – Film & Fernsehen konsti­tu­tiert. Die neue Verbands­spitze will jetzt möglichst rasch Verbes­se­rungen für die Produ­zenten erreichen.

Ist die Allianz der starke Produ­zen­ten­verband, der er immer sein wollte?
Alexander Thies: Vorneweg erlauben Sie mir bitte, Folgendes zu sagen: Die Allianz ist sehr traurig, dass wir Bernd Burge­meister verloren haben. Das ist ein schmerz­licher Verlust, zumal wir eine Persön­lichkeit verloren haben, die als Inhaber und mutiger Produzent über Jahrzehnte hinweg dazu beigetragen hat, dass es die Allianz überhaupt gibt. Aber wir sind froh, dass das von ihm mit gebaute Haus den Ruf hat, ein sehr bewohn­bares zu sein. Zu Ihrer Frage: Ja, das Ziel ist erreicht. Durch eine intel­li­gente Konstruktion und durch Struk­turen, die arbeits­fähig sind. Das überzeugt die Produ­zenten. Ich glaube auch, dass die Angst vor Groß und Klein genommen ist, weil in der Allianz der Grundsatz gilt, dass jedes Mitglied eine Stimme hat. Wir sind auch nicht mit einem Allein­ver­tre­tungs­an­spruch angetreten, sondern wollen die Welt unter­neh­me­risch betrachten. Wir können die Ein-Mann-Firma, die diesen Blick vielleicht nicht hat, gar nicht vertreten. Unter­nehmen, die mittel­fristig in die Möglichkeit versetzt werden wollen, zu inves­tieren, zu produ­zieren und gegebe­nen­falls selbst zu vermarkten, haben wir zu einem großen Anteil versammelt. Dass es daneben noch Platz gibt für die, die sich anderen Zielen verschrieben haben, ist eher positiv.
Holger Roost-Macias: Wenn wir es als Mehrheit der Produ­zenten schaffen, bestimmte Rahmen­be­din­gungen im Markt zu verändern, dann hilft das natürlich auch jenen Produ­zenten, die nicht Mitglieder bei uns sind. Wir arbeiten als Vertretung für den Gesamt­markt der Produ­zenten.

Die Allianz hat bis zuletzt gerungen, alle Produ­zen­ten­ver­bände mit an Bord zu holen. Das ist nicht ganz gelungen. Was hat die AG Spielfilm bewogen, ihre Vorbe­halte aufzu­geben?
Uli Aselmann:
Nach der Gründung der Allianz war sehr schnell spürbar, wie beweglich der neue Verband ist, besonders im Hinblick auf die Integration kleinerer Unter­nehmen, die Angst hatten vor einer von großen Produk­ti­ons­firmen mit initi­ierten und dominierten Verei­nigung. Die AG Spielfilm hatte auf ihrem neuer­lichen Weg in die Fusion noch einige Änderungs­wünsche in der Satzung, die sicher­stellen sollten, dass kleinere Firmen ausrei­chend berück­sichtigt werden – und das wurde vom Gesamt­vor­stand der Allianz und der Mitglie­der­ver­sammlung ausnahmslos befür­wortet. Die Kakofonie unter­schied­licher Produ­zen­ten­ver­bände ist damit beendet.

Was hat die Association of German Enter­tainment Producers (AGEP) überzeugt, der Allianz beizu­treten?
HRM:
Wir Unter­hal­tungs­pro­du­zenten hatten unsere eigenen Probleme und haben versucht, diese in einer Arbeits­ge­mein­schaft zu lösen. Als Enter­tain­ment­sektion mit 17 Mitgliedern war es natürlich einfacher, sich geschlossen für einen Beitritt auszu­sprechen als in einem großen Verband.

Die Allianz vertritt die Mehrheit der Produ­zenten, aber einige wichtige Player fehlen
Ihnen trotzdem noch. Werden Sie die-se noch überzeugen können?
AT:
Wir sind am Anfang. Wir wollen daran arbeiten, dass die Allianz das wird, was die Produ­zenten brauchen. Es gibt keine Gründe, dass das nicht zusam­men­gehen könnte, außer die Häuser wollen es einfach nicht. Unser Fokus liegt nicht darauf, alle zu versammeln, er liegt auf der Verbes­serung der Rahmen­be­din­gungen für die Produk­ti­ons­wirt­schaft.

In der Allianz wird gemäß der Devise „One Company – One Vote“ abgestimmt. Ist das nicht gerade eine Einladung zur gefürch­teten Kakofonie?
AT:
Ich glaube, das Gegenteil ist der Fall: Wir haben viele Macher, die für ihr eigenes Risiko sprechen. Entscheidend ist, dass die Allianz genau der Austra­gungsort ist für die entschie­denen Diskus­sionen, damit wir wissen, was wirklich hilft. Wir stellen die Notwen­dig­keiten der Produk­ti­ons­wirt­schaft in den Vorder­grund unserer Arbeit und wollen konkrete Verbes­se­rungen durch­setzen. Davon profi­tieren dann auch unsere Verwer­tungs­partner, denn sie brauchen starke Produ­zenten, die inves­tieren und Stoff­ent­wicklung über Jahre betreiben können. Wenn man sieht, wie sich andere Branchen lobby­mäßig aufge­stellt haben, dann haben wir in der Filmwirt­schaft jetzt zum ersten Mal ein Konstrukt, das unabhän­giger ist von einer einzelnen Person, die sich in den Dienst der Sache stellt. Das ist der große Wurf, den die Allianz geschafft hat.

Wie reagiert der Markt auf den neuen Verband?
UA:
Sowohl Sender als auch Förderer reagieren positiv. Die sind natürlich glücklich, dass sie jetzt nicht mehr mit fünf verschie­denen Verbänden reden müssen.

Für Außen­ste­hende mutet die Struktur der Allianz mit Vorsit­zendem, zwei Stell­ver­tretern und jeweils zwei Vorsit­zenden für die drei Sektionen sehr komplex an.
AT:
Wir sind für unsere Aufgabe sehr nützlich aufge­stellt. Wer uns beitritt, muss sich auch engagieren, sonst ergibt es keinen Sinn. Weil die meisten Produ­zenten heute in verschie­denen Bereichen tätig sind, muss sich jedes Mitglied auch entscheiden, zu welcher Sektion es gehören möchte. Das Einbringen ist entscheidend, wer den Nutzen nicht sieht, den werden wir auch mit bestem Zureden nicht zu uns bekommen können. Ein großer Vorteil ist, dass die einzelnen Sekti­ons­mit­glieder auch in anderen Bereichen unter­neh­me­risch tätig sind, Kino und Fernsehen sind nicht mehr strikt getrennt, und Enter­tainment ist keine Insel. Das heißt, bei sehr vielen Fragen gibt es eine sehr große Schnitt­menge.

Welchen Anteil der Produk­ti­ons­land­schaft reprä­sen­tiert die Allianz?
AT:
Bei uns sind mittler­weile rund drei Viertel des Produk­ti­ons­vo­lumens in Deutschland präsent.
UA: Durch die Fusion mit der AG Spielfilm sind im Kinobe­reich jetzt zwischen 70 und 80 Prozent aller Produ­zenten Mitglieder in der Allianz.
HRM: Im Enter­tain­ment­be­reich kommen wir auf eine ähnliche Größen­ordnung von bis zu 80 Prozent aller Produk­ti­ons­firmen, die insgesamt jährlich rund 600 Mio. Euro umsetzen.

Was sind die wichtigsten Heraus­for­de­rungen der Allianz?
AT:
Unser oberstes Ziel ist: angemessene Vergütung für die Leistungen der Produk­ti­ons­wirt­schaft auch durch verän­derte Rahmen­be­din­gungen. Diese sind sowohl im Kino als auch im Fernsehen von Regeln aus den Sechziger- und Siebzi­ger­jahren geprägt. Wir erleben jetzt die digitale Revolution. Der Verbrei­tungsweg ist nicht mehr der Engpass, sondern das Programm. Die Betrachtung von Programm hat sich heute verändert, weil es mehrfach genutzt wird. Die Allianz muss verständlich machen, dass Programme nach dem Marktwert und nicht mehr nach den Herstel­lungs­kosten bewertet werden müssen. In einer digitalen Welt stellen Produ­zenten in erster Linie Rechte her. Ein Gut, das heute immer mehr wert wird, und deshalb müssen wir unsere Wertschöp­fungs­kette neu gestalten.
UA: In der Kinosektion müssen wir ganz schnell das Problem lösen, dass die Kinokette CineStar ihre FFA-Beiträge nur noch unter Vorbehalt zahlt. Das könnte eklatante Auswir­kungen auf die Produk­ti­ons­wirt­schaft haben. Mit den Sendern führen wir positive Gespräche zu der Online­aus­wertung in Media­theken. Wir hoffen, bis Oktober auch noch einiges bei der FFG-Novelle bewegen zu können. Für uns Produ­zenten ist es natürlich eine drama­tische Entwicklung, dass die Referenz­gelder ganz erheblich gekürzt wurden zugunsten anderer Förde­rungen.
HRM: Für den Unter­hal­tungs­be­reich ist die Inter­na­tio­na­li­sierung von Format­rechten ein drängendes Thema. Bisher hat Deutschland vor allem Format­rechte aus dem Ausland einge­kauft, lokal umgesetzt und dafür große Summen an Format­rech­te­händler bezahlt. Wir sind jetzt auf einem guten Weg, dass Deutschland eine Export­nation für Format­rechte wird – voraus­ge­setzt, dem Produ­zenten wird das Recht an seiner eigenen Kreation von den Sendern zugestanden, an deren Auswertung er dann auch umfassend beteiligt bleibt.

Wie reagieren die Fernseh­sender darauf, wenn Sie die Spiel­regeln ändern wollen?
AT:
Den Sendern kann nicht daran gelegen sein, dass ihre Basis für Kreati­vität austrocknet. Wir können zeigen, dass die Produ­zenten in den letzten Jahren in ihrer Inves­ti­ti­ons­fä­higkeit eben nicht gestärkt worden sind. Gleich­zeitig werden die Produ­zenten aber it den stark gewach­senen Notwen­dig­keiten der Sender konfron­tiert. Die Sender geben zu, dass sie ihre Zuschauer schwerer erreichen, dass sie mehr Marketing einsetzen müssen, mehr entwi­ckeln müssen und mehr Formate brauchen.
HRM: Als konkretes Beispiel kann ich RTL nennen: Anke Schäfer­kordt steht dem skeptisch, jedoch sehr aufge­schlossen gegenüber. Gesprächs­be­reit­schaft über die Terms of Trade hat auch der neue FreeTV-Vorstand von ProSiebenSat.1, Andreas Bartl, signa­li­siert.

Und die öffentlich-recht­lichen Sender?
HRM:
Auch hier gibt es Bewegung. Wir haben kürzlich einen Vertrag mit dem Bayeri­schen Rundfunk abgeschlossen, wo die Auslands­rechte an dem Format beim Produ­zenten liegen und der BR an Vertriebs­er­lösen beteiligt wird. Es gibt also durchaus auch Flexi­bi­li­sie­rungen im Total-Buy-out-Prinzip der Öffentlich-Recht­lichen.

Wenn die Produ­zenten stärker an der digitalen Auswertung parti­zi­pieren wollen, müssen sie dann nicht auch stärker in die Vorleistung gehen, innova­tivere Konzepte anbieten?
AT:
Ja und nein: Ja, wir wollen mehr inves­tieren können, brauchen dazu aber die Chance, Eigen­ka­pital aufbauen zu können. Und nein, weil wir ja schon in der Vergan­genheit großen Nutzen geschaffen haben, an dem wir aber – wenn überhaupt – nur sehr bedingt parti­zi­pieren konnten. In beiden Fällen kommen wir an einer Teilhabe an der Wertschöpfung unserer Produkte nicht vorbei.
HRM: Wenn man uns mangelnde Innova­ti­ons­freude vorwirft, muss man aber auch sehen, welche enormen Entwick­lungs­vor­läufe wir haben. Es reicht nicht mehr, nur mit einer Idee oder einem Exposé zum Sender zu gehen. Wir sagen heutzutage: Das sind die Kosten, das ist das detail­lierte Konzept von Folge eins bis 25, das sind die Protago­nisten, das sind die Motive und das ist die Verwer­tungs­kette, und alle notwen­digen Rechte haben wir bereits gesichert. Dann erst bekommen wir den Auftrag – nur ist dann die Hälfte unserer Arbeit schon fast gemacht.

In welchen Bereichen der neuen digitalen Auswer­tungs­kette sehen Sie das meiste Umsatz­po­tenzial für Produ­zenten?
HRM:
Im DVD-Bereich, bei den Abruf­rechten, im inter­na­tio­nalen Format­ver­trieb und bei der Wertschöpfung, die aus der Marken­ver­wertung herrührt.
UA: Im Kinobe­reich hat der Produzent zwar die Pay-TV-Rechte, muss bei Kopro­duk­tionen aber vorher den Sender­partner fragen, ob er die Rechte auswerten darf.
AT: Und auch im Ausland.

Bis wann will die Allianz bei den genannten Themen­be­reichen erste Fortschritte erreicht haben?
AT:
Die Verhand­lungen, die jetzt angestoßen wurden, werden sicherlich bis Jahresende zu Ergeb­nissen geführt haben. uh/ak

Zum Download:
Blickpunkt:Film Nr. 28/08 vom 7. Juli 2008, Seiten 9-11 – „Interview der Woche“ (PDF-Dokument, 3 Seiten, 295 KB)