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ZDF-Auftragsproduktionen: „Begrenztes Budget“ für Internet-Rechte

Im Interview mit dem medien­po­li­ti­schen Magazin promedia (September-Ausgabe) sagte ZDF-Intendant Markus Schächter, das ZDF habe schon jetzt einen sehr hohen Anteil von Eigen- und Auftrags­pro­duk­tionen im Abruf-Angebot. Auf einen entspre­chenden Rechte­erwerb bei Lizenz­pro­duk­tionen wie etwa Spiel­filmen  wolle  man aus Kosten­gründen „weitgehend“ verzichten. „Im Bereich der Eigen- und Auftrags­pro­duk­tionen“, so Schächter weiter, „ist das leichter zu bewerk­stel­ligen. Die Rechte werden mit den Produ­zenten verhandelt und sind schon jetzt in vielen Fällen regulärer Vertrags­be­standteil.“ Für zusätz­liche Kosten bei der Rechte­ver­gütung habe das ZDF ein „begrenztes Budget“ bereit­ge­stellt: „Im vergan­genen Jahr waren das 2 Mio. Euro. Daran sehen Sie, dass wir bereit sind, für diese Rechte zu zahlen – aber es gibt Grenzen.“

Zur den Verän­de­rungen der Medien­land­schaft durch die Digita­li­sierung sagte Schächter, das Internet sei „das Medium der Zukunft“. Er sei fest davon überzeugt, „dass nach einer Phase des Übergangs nicht mehr das Medium an sich, sondern Marken der entschei­dende Faktor sein werden.“ Dazu würden ganz neue Player gehören, „die mit ihrem schier unbegrenzten Kapital, großer Kreati­vität und umfang­reichen Commu­nities gegen die etablierten Marken antreten. Wir werden uns da sehr anstrengen müssen. Viele haben noch nicht verstanden, woher der Wind weht.“

Im Interview mit dem Medien­dienst DWDL.de sagte Schächter, Leitmedium bleibe noch lange Zeit das Fernsehen, „aber die Konvergenz führt dazu, dass man bald nicht mehr weiß, auf welchem Weg die Bilder auf den Schirm kommen. Aber dieses Leitmedium Fernsehen stelle sich selbst in Frage, wenn es keine Antwort auf die zuneh­mende Konvergenz finde: „Das Fernsehen bleibt noch lange Zeit das Leitmedium“ (frei zugänglich)

Das Interview mit Markus Schächter aus promedia 9/2008 im Wortlaut:

  • Digital­kanäle des ZDF sollen mit Zielgrup­pen­an­ge­boten junge Zuschauer erreichen
  • Digitale Sparten­kanäle und Internet sollen enger verzahnt werden
  • ZDF-Intendant erwartet Änderungen beim 12. Rundfunk­än­de­rungs­staats­vertrag

„Viele haben nicht begriffen, woher der Wind weht“

Interview mit Prof. Markus Schächter, Intendant des ZDF

ZDF-Intendant Markus Schächter hat jüngst neue Überle­gungen zur Weiter­ent­wicklung der digitalen Kanäle vorge­stellt. So soll der Dokukanal zu einem Programm­an­gebot ausgebaut werden, das junge Familien anspricht. Zielgruppe sind daher in erster Linie Zuschauer zwischen 25 und 50 Jahren sowie deren Kinder. Geplant ist ein hochwer­tiges und vielfäl­tiges öffentlich-recht­liches Alter­na­tiv­an­gebot zu den in dieser Alters­gruppe überwiegend genutzten Programmen der kommer­zi­ellen Sender. Im Fokus stehen Inhalte aus den Bereichen Bildung, Kultur, Wissen­schaft, Beratung, Infor­mation und Unter­haltung. Beim ZDFthea­ter­kanal soll an die Stelle des bishe­rigen Schlei­fen­pro­gramms, das überwiegend aus Wieder­ho­lungen besteht, ein struk­tu­riertes Gesamt­pro­gramm treten. Dieser digitale ZDFkul­tur­kanal würde sich der Darstellung der kultu­rellen Vielfalt widmen und dabei auch Formate anbieten, die ein jüngeres Publikum erreichen können.

promedia: Herr Schächter, die Diskussion auch um den 12. Rundfunk­än­de­rungs­staats­vertrag lässt den Schluss zu, dass das Internet für die künftige Medien­ordnung die entschei­dende Rolle spielen wird. Teilen Sie diese Auffassung?
Schächter: Die Medien­po­litik muss die Verän­de­rungen der Medien­land­schaft durch die Digita­li­sierung selbst­ver­ständlich aufgreifen. In Ansätzen ist erkennbar, dass die bisherige Form der ‚Rundfunk’-Staatsverträge mit ihren Begriff­lich­keiten und Defini­tionen nicht mehr in der Lage ist, die komplexe Medien­wirk­lichkeit zu beschreiben. Wenn große Zeitungs­verlage dieser Tage den Start mehrerer Web-Channels ankün­digen und in komplexe Produk­ti­ons­an­lagen für TV-Sendungen inves­tieren, dann wird sichtbar, dass die alte Trennung von TV, Hörfunk, Zeitung und Online nicht mehr besteht.

promedia: Wird das Internet das neue Leitmedium?
Schächter: Das Internet ist das Medium der Zukunft. Von daher bin ich mir nicht sicher, ob der Begriff Leitmedium dort noch trägt. Ich bin fest davon überzeugt, dass nach einer Phase des Übergangs nicht mehr das Medium an sich, sondern Marken der entschei­dende Faktor sein werden. An ihnen wird sich der Konsument orien­tieren. An ihnen machen sich Kriterien wie Glaub­wür­digkeit, Profes­sio­na­lität aber auch Sympathie fest. Zu diesen Marken im Medien­be­reich werden ganz neue Player gehören, die mit ihrem schier unbegrenzten Kapital, großer Kreati­vität und umfang­reichen Commu­nities gegen die etablierten Marken antreten. Wir werden uns da sehr anstrengen müssen. Viele haben noch nicht verstanden, woher der Wind weht.

promedia: Die Verleger haben jüngst gefordert, das duale System mit öffentlich-recht­lichen Medien­un­ter­nehmen auch im Internet allein für den Bereich von Fernsehen und Radio fortzu­schreiben. Halten Sie das für vertretbar?
Schächter: Das ist eine Position von vorgestern. Sie verkennt völlig die Eigen­heiten und die Dynamik des Internets. Dahinter stehen kaum verhohlene ökono­mische Inter­essen der Verleger.

promedia: Zugleich fordern die Verleger, dass der Drei-Stufen-Test von unabhän­gigen Dritten unter Betei­ligung der betrof­fenen privaten Medien durch­ge­führt werden soll und betrof­fenen Medien eine klagbare Rechts­po­sition einzu­räumen sei. Könnten Sie vor allem mit der Forderung nach einer „klagbaren Rechts­po­sition“ leben?
Schächter: Mit der gleichen Logik kann der Trainer von Borussia Dortmund fordern, bei der Mannschafts­auf­stellung seines Kollegen von Bayern München beteiligt zu werden und bei Bedarf dagegen gerichtlich vor zugehen. Wir haben eine eindeutige verfas­sungs­recht­liche Grundlage für den öffentlich-recht­lichen Rundfunk in Deutschland. Dazu gehört die Programm­au­to­nomie der Sender. Die gesell­schaft­liche Kontrolle unserer Aktivi­täten ist durch die plura­lis­tisch zusam­men­ge­setzten Gremien gewähr­leistet. Es kann doch nicht sein, dass private Wettbe­werber darüber befinden, welche Programme ARD und ZDF machen dürfen und welche nicht.

promedia: Viele Experten rechnen damit, dass die Digita­li­sierung zusätz­liche Kosten verur­sacht …
Schächter: Andere Experten sagen, dass durch die Digita­li­sierung – gerade auch im Bereich der Technik – mittel­fristig Kosten sinken werden. Wie auch immer, wir werden die notwen­digen Entwick­lungen unserer Programm­an­gebote und der techni­schen Verbreitung immer auch unter dem Kosten­aspekt kritisch betrachten. Wir werden Syner­gie­po­ten­tiale heben und Einspa­rungen vornehmen. Das ZDF hat in den vergan­genen Jahren gezeigt, dass es mit dem Geld der Gebüh­ren­zahler sehr effektiv umgeht. Wir haben einen gewal­tigen Schul­denberg abgetragen und schließen die laufende Gebüh­ren­pe­riode mit einer schwarzen Null ab.

promedia: An welcher Stelle muss das ZDF für die Durch­setzung der Digital­stra­tegie, z.B. den Ausbau der Mediathek, stärker sparen?
Schächter: Wir betrachten alle Kosten­po­si­tionen und werden auch im Programm nicht alles machen können, was wünschbar wäre.

promedia: Der VPRT hat Kritik an den Plänen geübt, den digitale Dokukanal in einen Famili­en­kanal umzuwidmen. Was ist denn das ZDF – kein Famili­en­kanal? Entsteht hier ein ZDF2?
Schächter: Das ZDF ist ein Vollpro­gramm, das sich grund­sätzlich an alle Zuschauer richtet. Wir müssen aber feststellen, dass der Alters­durch­schnitt mittler­weile bei etwa 60 Jahren liegt und dass sich viele junge Menschen, den kommer­zi­ellen TV-Anbietern zugewendet haben. Die gleiche Entwicklung kann man in ganz Europa beobachten – nicht nur beim Fernsehen, auch bei den Zeitungen. Mit der zuneh­menden Reich­weite unserer digitalen Kanäle sehe ich neue Chancen programm­liche Angebote zu machen, die für junge Menschen attraktiv sind. Hier können wir verän­derte Sehge­wohn­heiten berück­sich­tigen, die ein fest gefügtes Sende­schema in einem Haupt­pro­gramm nicht angemessen abbilden kann. Wir können neue Formen etablieren und durch die Zusam­men­stellung der Programme zielge­nauer auf die Inter­essen junger Familien hinsteuern. Gerade weil wir den Auftrag haben, die gesamte Gesell­schaft anzusprechen, müssen wir diese Chance nutzen.

promedia: Ist es nicht gegenüber der Politik eine Provo­kation, ein solches Vorhaben vor Inkraft­treten des 12. Rundfunk­än­de­rungs­staats­ver­trages zu verkünden?
Schächter: Die Politik hat uns aufge­fordert, für die geplante geschlossene Beauf­tragung der drei digitalen Kanäle Programm­kon­zepte vorzu­legen. Die haben wir erarbeitet und dem Fernsehrat präsen­tiert. In der Diskussion darüber ist deutlich geworden, dass die Gremi­en­mit­glieder unsere Bemühungen mit der Weiter­ent­wicklung des Doku-Kanals, jüngere Menschen wieder stärker anzusprechen, nachdrücklich unter­stützen. Die Konzepte liegen den Ländern vor und werden mit Blick auf die Verab­schiedung des Staats­ver­trages beraten.

promedia: Sie möchten auch den „Theater­kanal“ verändern. Warum?
Schächter: Wir haben – nicht erst heute – festge­stellt, dass die Programm­führung des Theater­kanals durch die Konzen­tration auf Performing-Arts keine ausrei­chende Grundlage für ein 24 Stunden-Progamm ist. Ohne diesen Kernbe­reich anzutasten, werden wir den Kanal in den kommenden Jahren inhaltlich breiter aufstellen. Auch hier nehmen wir uns vor, Formen zu finden, wie Kultur auch für jüngere Zuschaue­rinnen und Zuschauer attraktiv präsen­tiert werden kann.

promedia: Das Nachrich­ten­portal heute.de soll stärker mit dem „Infokanal“ verknüpft werden. Was versprechen Sie sich davon?
Schächter: Der Trend beim Umgang mit Infor­ma­ti­ons­medien ist eindeutig und er weist in Richtung Zeit- und Ortsou­ve­rä­nität. Das Internet mit seinen Angeboten führt dazu, dass die Menschen ihr Bedürfnis nach Infor­ma­tionen nicht mehr an den Sende­schemata von Fernseh- oder Hörfunk­pro­grammen orien­tieren. Von daher macht eine enge Verzahnung zwischen Infokanal und dem entspre­chenden Online-Angebot des ZDF sehr viel Sinn. Darüber hinaus können wir so mit größeren Synergien arbeiten. Das zeigt schon jetzt der Einsatz der „100 Sekunden heute“ auf den unter­schied­lichen Platt­formen des ZDF.

promedia: Die ZDF-Mediathek soll künftig möglichst alle Eigen- und Auftrags­pro­duk­tionen umfassen. Welche Konse­quenzen hat das für die Vertrags­ge­staltung mit den Produ­zenten?
Schächter: Wir haben schon jetzt einen sehr hohen Anteil von Eigen- und Auftrags­pro­duk­tionen im Abruf-Angebot. Aus Kosten­gründen haben wir gesagt, dass wir bei Lizenz­pro­duk­tionen – wie etwa Spiel­filmen – auf einen entspre­chenden Rechte­erwerb weitgehend verzichten.

Im Bereich der Eigen- und Auftrags­pro­duk­tionen ist das leichter zu bewerk­stel­ligen. Die Rechte werden mit den Produ­zenten verhandelt und sind schon jetzt in vielen Fällen regulärer Vertrags­be­standteil.

promedia: Kommen damit nicht auch zusätz­liche Kosten für die Rechte­ver­gütung auf Sie zu?
Schächter: Wir haben für die Rechte ein begrenztes Budget bereit­ge­stellt. Im vergan­genen Jahr waren das 2 Mio. Euro. Daran sehen Sie, dass wir bereit sind, für diese Rechte zu zahlen – aber es gibt Grenzen.

promedia: Wie groß sehen Sie die Chancen, dass der 12. Rundfunk­än­de­rungs­staats­vertrag an den von Ihnen kriti­sierten Stellen noch verändert wird?
Schächter: Ich hoffe, dass es noch Verän­de­rungen geben wird.

promedia: Sollte das nicht geschehen, welche Konse­quenzen hat das für das ZDF?
Schächter: Darüber werden wir gegebe­nen­falls nach dem 24. Oktober beraten. (DK)

Aus: promedia Nr. 9/2008, S. 21-22– Wiedergabe mit freund­licher Geneh­migung des promediaVerlags.