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Entertainment-Sektion der Produzentenallianz: „Eher ,jungen Wilde‘ als ‚alte Meister’“

Das Interview mit dem Geschäfts­führer der Sektion Enter­tainment der Allianz Deutscher Produ­zenten – Film & Fernsehen, Prof. Dr. Oliver Castendyk, mit dem medien­po­li­ti­schen Magazin Promedia im Wortlaut:

  • Produ­zenten von TV-Unter­hal­tungs­for­maten streben neue Terms of Trades mit den Sendern an
  • HU-Kosten sind bei Enter­tainment-Produ­zenten mehr als doppelt so hoch, als sie die TV-Sender vergüten
  • Aus- und Fortbil­dungs­mög­lich­keiten für das TV-Enter­tainment sollen verbessert werden

„Die Terms of Trade sind für uns 2009 das große Thema“

  • Interview mit Prof. Dr. Oliver Castendyk, Geschäfts­führer der Sektion Unter­haltung der Allianz Deutscher Produ­zenten

Die vor einem Jahr gegründete Allianz Deutscher Produ­zenten umfasst auch die namhaf­testen Produ­zenten der TV-Unter­haltung. 16 Mitglieds­un­ter­nehmen gehören bisher der Sektion Enter­tainment an. Den Stil der Sektion charak­te­ri­siert der Geschäfts­führer Oliver Castendyk als: „unkom­pli­ziert, pragma­tisch, direkt und dynamisch. Eher die „jungen Wilden“ als die ‚alten Meister’…“ Zu den nächsten Aufgaben gehöre die Herstellung fairer und inter­na­tional üblicher Terms of Trade für die Produ­zenten. Das werde selbst­ver­ständlich nicht über Nacht zu erreichen sein. Es sei, so Castendyk, das „langsame Bohren dicker Bretter“. Insoweit stehe dieses Ziel auch 2009 ganz oben auf der Agenda.

Außerdem werde die Diskussion um den 13. RÄndStV vorbe­reitet. Ein Thema dabei sei die Libera­li­sierung der Werbe­regeln im Fernsehen. Dies beinhaltet auch die Moder­ni­sierung und Präzi­sierung der Regeln zum Product Placement. In einem promedia-Interview zieht Oliver Castendyk eine Bilanz einjä­higer Sekti­ons­arbeit und wirft einen Blick auf die Probleme der Unter­hal­tungs­pro­du­zenten.

promedia: Herr Castendyk, bei Debatten und Berichten über die Film- und TV-Branche aber auch von Förderung, stehen vor allem die Spielfilm-Produ­zenten und Fiction-Produ­zenten für das Fernsehen im Zentrum der Aufmerk­samkeit. Sind Ihre Mitglieder Mitglieder 2. Klasse?
Castendyk:
Bei der Allianz gibt es keine Mitglieder 2. Klasse. Nach der Satzung ist jede Sektion gleich­be­rechtigt. Auch auf der mensch­lichen Ebene harmo­nieren die unter­schied­lichen Sektionen sehr gut mitein­ander. Es gibt keine Arroganz der Kinofilm­her­steller, keine Vorbe­halte der Mitglieder der Sektion TV-Produ­zenten. Warum auch?

Vielleicht weil ein Teil der Produ­zenten durch Förderung mehr gehät­schelt wird und Kultur produ­ziert…?
Förderneid gibt es gottseidank nicht. Und mit dem Kultur­be­griff ist es ohnehin so eine Sache. „Dalli, Dalli“ gehört – zumindest in den medien­wis­sen­schaft­lichen Standard­werken, die ich kenne – genauso zur Fernseh­kultur der frühen 70er Jahre, wie „Der Kommissar“.

Welche Produ­zenten können Ihrer Sektion angehören, wie weit geht die Bezeichnung Unter­haltung?
Die Kinofilm­pro­du­zenten sind in der Sektion „Kino“; zur Sektion „Fernsehen“ gehören tradi­tionell die Produk­ti­ons­firmen, die im Schwer­punkt Fiktion für das Fernsehen produ­zieren, zur Sektion „Unter­haltung“ dieje­nigen, bei denen der Schwer­punkt auf Unter­hal­tungs­pro­duk­tionen liegt, d.h. Shows, Reality, DocuSoaps, usw..

Von den drei Mitglieds­säulen der Allianz – welche Bedeutung haben die Mitglieder aus dem Enter­tain­ment­be­reich? Wie viele Unter­hal­tungs­pro­du­zenten gehören gegen­wärtig der Sektion an?
Die Bedeutung der Sektion Enter­tainment ist genauso groß wie die der anderen Sektionen. Unserer Sektion gehören derzeit 16 Mitglieds­un­ter­nehmen an, z.B. die Produ­zenten von „Deutschland sucht den Superstar“, „Wer wird Millionär“, „Schlag den Raab“ und viele mehr. Wir tragen zu über einem Drittel zum Budget bei und setzen uns mit ganzem Herzen und mit vollem Einsatz für die Ziele der Allianz ein. Die Sektion ist aus einer lockeren Arbeits­ge­mein­schaft von Enter­tain­ment­pro­du­zenten, der AGEP, hervor­ge­gangen. Dies prägt nach wie vor den Stil der Sektion: unkom­pli­ziert, pragma­tisch, direkt und dynamisch. Eher die „jungen Wilden“ als die „alten Meister“….

Wie reprä­sen­tativ ist die Sektion für die Branche?
Die größten Unter­hal­tungs­pro­du­zenten sind in der Allianz, u.a. Grundy UFA, Brainpool, Janus, MME Moviement, Endemol, Constantin Enter­tainment, Tresor, I & U. Grob geschätzt vertreten wir knapp Dreiviertel des Branchen­um­satzes. Von daher denke ich schon, dass man in aller Beschei­denheit von einer reprä­sen­ta­tiven Stimme der Enter­tainment-Produ­zenten ausgehen kann.

Was konnte die Allianz in dem einen Jahr ihres Bestehens für die Unter­hal­tungs-Produ­zenten leisten?
Die Allianz wurde im März 2008 gegründet. Seitdem ist auf allen wesent­lichen Feldern gearbeitet worden. Bei unserem Hauptziel, der Verbes­serung der Terms of Trade für die Produ­zenten, haben wir eine Proto­koll­notiz zum neuen Rundfunk­staats­vertrag erreicht. Sie verpflichtet die Rundfunk­an­stalten, faire und angemessene Bedin­gungen und Rechte­auf­tei­lungen mit den Produ­zenten zu verhandeln. Außerdem haben wir sowohl mit den Anstalten als auch mit den privaten Sendern Gespräche über die Terms of Trade aufge­nommen.

Wir haben unsere Sekti­ons­mit­glieder mit einem Verhand­lungs­leit­faden „Deal Making“ versorgt. Darin findet man nicht nur Beispiele für Rechte­auf­tei­lungen, sondern auch Rechen­bei­spiele für Bonus­re­ge­lungen, für Betei­li­gungen an Neben­rechten, oder für Format­li­zenzen.

Welche Aufgaben stehen als nächstes auf Ihrer Agenda?
Das Ziel, faire und inter­na­tional übliche Terms of Trade für die Produ­zenten zu erreichen, wird selbst­ver­ständlich nicht über Nacht zu erreichen sein. Es ist, wie Max Weber sagt, das „langsame Bohren dicker Bretter“. Insoweit steht dieses Ziel auch 2009 ganz oben auf unserer Agenda. Außerdem wird der 13.RÄndStV vorbe­reitet. Ein Thema dabei ist die Libera­li­sierung der Werbe­regeln im Fernsehen. Dies beinhaltet auch die Moder­ni­sierung und Präzi­sierung der Regeln zum Product Placement. Auch dieses Thema ist uns wichtig. Zuletzt möchte ich die Format­rechte nennen. Hier kann man urheber­rechtlich, aber auch wettbe­werbs­rechtlich etwas tun, um die kreativen forma­t­ent­wi­ckelnden Produk­ti­ons­un­ter­nehmen besser zu schützen. Bis jetzt bevor­zugen Gesetz und Recht­spre­chung die „Copycats“ und nicht die, die Geld und harte Arbeit in die Entwicklung eines Formats stecken.

Aber bei allen anderen Problemen: die Terms of Trade sind das große Thema auch in 2009. Die Produ­zenten wollen nicht nach dem Prinzip „Die letzten beißen die Hunde“ die Leidtra­genden einer sich verschär­fenden Einnahme- und Rendi­te­si­tuation der Sender sein. Wir müssen etwas tun.

Wie kann das gehen?
In anderen Ländern, wie etwa Großbri­tannien oder den USA gab es dasselbe Problem: Markt­mächtige Sender, die den Produ­zenten mehr oder weniger die Vertrags­be­din­gungen diktiert haben. Nachdem man im Verhand­lungswege jahrelang nicht weiter kam, kam in beiden Staaten der Gesetz­geber auf den Plan und hat die Sender zu ihrem Glück gezwungen. In den USA die FinSyn-Regelung, im Verei­nigten König­reich die Terms of Trade-Regelung des OFCOM. Dennoch: Wir hoffen, dass wir in den kommenden Verhand­lungen zu tragfä­higen und für beide Seiten akzep­tablen Ergeb­nissen kommen. Der Ruf nach dem Gesetz­geber ist immer nur der letzte Ausweg.

Inwieweit unter­scheiden sich die Probleme der Unter­hal­tungs­pro­du­zenten von denen der anderen?
Mit den Produ­zenten der anderen Sektionen verbindet uns mehr als uns unter­scheidet. An fairen Terms of Trade hat jeder Produzent Interesse; für eine Werbe­li­be­ra­li­sierung, die einem wichtigen Teil unseren Kunden, den Privat­sendern, mehr Geld in die Kasse spülen könnte, gilt dasselbe. Auch die Offen­haltung von Zukunfts­märkten im Internet ist allen ein wichtiges Anliegen. Der wesent­liche Unter­schied besteht darin, dass die Enter­tainer bisher überhaupt keine staat­liche Förderung erhalten. Filmför­derung gibt es für Kinofilme, fiktionale TV-Produk­tionen und lange Dokumen­ta­tionen, die im Kino laufen könnten.

Ein weiterer – weniger bedeut­samer – Unter­schied ist die Aus- und Fortbil­dungs­si­tuation. Während es im Bereich Kinopro­duktion eine Vielzahl von Filmhoch­schulen und auch Fortbil­dungs­mög­lich­keiten gibt, müssen sie für den Enter­tain­ment­be­reich erst aufgebaut werden. Auch das ist übrigens eine Aufgabe, mit der sich die Produ­zen­ten­al­lianz unter Feder­führung unserer Sektion gerade beschäftigt. Wir haben hier das Ziel, ein Volon­ta­ri­ats­pro­gramm zu entwi­ckeln.

Bereits heute haben die Enter­tainment-Formate einen großen Anteil am Gesamt­pro­gramm der TV-Sender. Da die TV-Sender angesichts der sich abzeich­nenden Werbe­rück­gänge 2009/2010 sparen müssen, wird der Anteil der Enter­tainment-Angebote doch sicher zunehmen? Und wird damit die Unter­haltung zu den Gewinnern der Krise gehören?
Das könnte sein. Die Sender müssen abwägen: die vergleichs­weise günsti­geren Herstel­lungs­kosten von Enter­tainment-Programmen, der die einge­schränkte Wieder­hol­barkeit gegen­über­steht. Derzeit erleben wir jeden­falls bei den Privat­sendern schon eine stärkere Program­mierung von Enter­tainment-Programmen. Aber um von „Gewinnern“ und „Verlierern“ zu sprechen, ist es definitiv zu früh. Um auch das ganz deutlich zu machen: Verlieren werden alle, wenn die Werbe­ein­nahmen der Sender zurück­gehen.

Förder­mittel vom Bund und von den Ländern fließen für Spiel­filme und Event-TV-Produk­tionen. Haben Sie sich damit abgefunden, keine Förder­mittel zu bekommen?
„Abgefunden“ klingt mir sehr endgültig. Sagen wir so: Die Förderung von Enter­tain­ment­pro­duk­tionen ist bisher kein großes Thema. Aber ausschließen kann ich natürlich nicht, dass es niemals eines wird. Insbe­sondere auf der Ebene der Länder­för­derung mag es in Zukunft Bundes­länder geben, die ihre medien­wirt­schaft­liche Zukunft weniger im Bereich der Kinofilm­pro­duktion sehen.

Auch in der Entwicklung eines weltweit erfolg­reichen Formats wie „Schlag den Raab“ steckt Kreati­vität, die das deutsche Handels­bi­lanz­de­fizit im Filmbe­reich zu verringern hilft.

Ein wichtiges Thema für TVMovie- und Spiel­film­pro­du­zenten sind die digitalen Verwer­tungs­rechte. Welchen Stellenwert hat dieses Thema für die TV-Unter­hal­tungs­pro­du­zenten?
Die Verwer­tungs­mög­lich­keiten im Internet sind auch für uns sehr spannend. Es tun sich neue Märkte auf. Bisher bringen sie noch wenig Umsätze, aber das wird sich in den nächsten Jahren ändern. Im Bereich des Kinofilms haben die Produ­zenten mit Hilfe der FFA und der Bundes­re­gierung schon einen Kompromiss mit den Sendern erreicht, der die Inter­essen beider Seiten berück­sichtigt.

Es betrifft zwar nur FFA-geför­derte Filme, da aber praktisch jeder Kinofilm­pro­duzent sich die Aussicht auf Referenz­för­derung nicht verbauen will, werden diese Terms of Trade zum Mindest­standard werden. In diese Richtung müssen wir auch bei TV-Produk­tionen kommen und zwar bei Fiktion und bei Unter­haltung.

Noch funktio­niert der klassische TV-Markt bei den Unter­hal­tungs­an­ge­boten sehr gut. Wie sehen Sie die Notwen­digkeit, ihre Wertschöpfung mit eigenen Produk­tionen auch in den Online- oder Mobil-Bereich zu verlängern?
Wie bereits gesagt: Der TVMarkt ist ein einiger­maßen saturierter Markt; Wachstum passiert im Internet und im Mobil-Segment. Klar, dass die Sender hier ausbauen. Ebenso klar ist, dass auch die Enter­tain­ment­pro­du­zenten einen Stück von diesem Kuchen brauchen, um langfristig überleben zu können. Die Sender wiederum sehen sich als „Plattform“ in allen Medien und für alle techni­schen Verbrei­tungs­arten. Ein Produzent, der eine eigene Plattform aufmacht, wie etwa Brainpool die Webseite „Myspass.de“, ist für Sender mit eigenen Platt­form­in­ter­essen der Sündenfall schlechthin.

Gleich­zeitig engagieren sich Sender zunehmend über eigene Töchter im Produk­ti­ons­markt. Hier muss man Wege finden, wie beide Seiten glücklich werden und nicht nur eine.

Noch mal zurück zum klassi­schen Fernsehen: Die Erfah­rungen zeigen, dass die Produ­zenten stark in Vorleistung und ins Risiko gehen müssen. Wie können sie das refinan­zieren?
Das sagen Sie so nett und selbst­ver­ständlich. Ich würde mir wünschen, dass Ihre Erkenntnis sich auch bei den Sendern durch­setzen würde. Gerade die öffent­lich­recht­lichen Sender halten an der Fiktion der sog. Vollfi­nan­zierung fest. Obwohl bestimmte Leistungen eines Produ­zenten, wie z.B. die Entwicklung von Stoffen nicht im Budget einer Auftrags­pro­duktion enthalten sind, werden gerne Sprüche geklopft wie „Wer zahlt, schafft an.“ In Wahrheit wird eben schon lange nicht mehr alles gezahlt, was der Produzent inves­tiert hat. Beispiel Handlungs­kosten: Diese sog. HU werden mit 6 Prozent der kalku­lierten Herstel­lungs­kosten pauschal abgegolten. Dieser Satz von 6 Prozent resul­tierte aus der Anfangszeit des deutschen Fernsehens. Mitte der 60er Jahre kam man auf ein Muster aus der Bauin­dustrie, bei der damals die Pauschale üblich war. Seitdem hat sich – das lässt sich nun wirklich nicht leugnen – einiges verändert.

Die Erwar­tungen der Sender an das, was der Produzent leisten muss, sind erheblich gestiegen. Ganze Leistungs­be­reiche sind neu hinzu­ge­kommen. Aber die sechs Prozent sind gleich geblieben. Die Sektion Enter­tainment hat bei ihren Mitgliedern erhoben, wie hoch die HU tatsächlich sind. Ergebnis: zwischen 10 Prozent und 18 Prozent. Wer’s nicht glaubt: Wir machen gerne unsere Bücher auf. Kurzum: Der steigende Produk­ti­vi­täts­druck in der Medien­wirt­schaft, die hohen Rendi­te­er­war­tungen der Eigen­tümer, die – infla­ti­ons­be­reinigt – stagnie­renden Programm­aus­gaben der öffentlich-recht­lichen Sender, werden zunehmend auf dem Rücken der Produ­zenten ausge­tragen.

Die Verhand­lungs­macht wurde genutzt und führte langsam immer stärker zu einem Markt­un­gleich­ge­wicht. Teilweise schon so stark, dass es zur Überle­bens­frage wird für manche Kollegen. Dies kann nicht so weiter
gehen.

Die Sender müssen sich bewegen; auch sie haben ein Interesse an einer gesunden und dynami­schen Produk­ti­ons­in­dustrie. Wir sind guten Mutes, dass wir weiter­kommen in 2009. Wie weit, werden wir sehen. (DK)

Aus: Promedia Nr. 2/2009, S. 33–35 – Wiedergabe mit freund­licher Geneh­migung des Promedia-Verlags.