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Position

Produzentenallianz fordert, Mehreinnahmen aus der Umstellung der Rundfunkgebühr ins Programm zu investieren

Im Interview mit dem medien­po­li­ti­schen Magazin Promedia erläutert Produ­zen­ten­al­lianz-Geschäfts­führer Christoph Palmer die Forderung der Produ­zen­ten­al­lianz, einen Teil der Mehrein­nahmen aus der Umstellung der Rundfunk­gebühr ins Programm zu inves­tieren. Trotz steigender Kosten blieben die Einnahmen von ARD und ZDF konstant, also werde umgeschichtet: „Wir haben gesehen, dass die Programm­kosten für die Sender die am leich­testen zu verän­dernden Posten darstellen – im Gegensatz etwa zu Ausgaben für Personal oder Pensionen, Technik, Betriebs­stätten, Regio­nal­struk­turen etc.“ Die zusätz­lichen Mittel würden dazu beitragen, „an frühere Quali­täts­stan­dards der Produk­tionen anknüpfen zu können und durch die Ermög­li­chung ausrei­chender Drehzeiten und einer angemes­senen Vergütung unter Einschluss der Kreativ­leistung der Produ­zenten auch jene beschä­menden Verhält­nisse zu mildern, in denen zu viele Kreative und Filmschaf­fende leben.“

Die Inves­tition eines Teils der Mehrein­nahmen aus dem Haushalts­beitrag ins Programm würde die Situation kurzfristig entspannen, „auf mittlere und lange Sicht bringt es aber nichts“, so Palmer weiter. Deshalb müsse das „seit Beginn der Auftrags­pro­duktion in Deutschland prakti­zierte Total-buy- out-Modell durch ein Lizenz­modell ersetzt werden, nach dem die Sender nur noch das Recht für eine bestimmte Zahl von Ausstrah­lungen in einem bestimmten Zeitraum erwerben. Die Zweit­ver­wer­tungs­rechte bleiben beim Produ­zenten. Er bestimmt, was wie, wo und von wem ausge­wertet wird und beteiligt den auftrag­ge­benden Sender an den Erlösen.“

Der Beitrag im Wortlaut:

Produ­zen­ten­al­lianz fordert mit Lizenz­modell Paradig­men­wechsel bei TV-Produk­tionen

„Die Filmwirtschaft braucht Wachstum“

Die Film- und Fernseh­pro­du­zenten fordern, einen Teil der Mehrein­nahmen durch den Rundfunk­beitrag ins Programm zu inves­tieren. Das sei – so die Produ­zen­ten­al­lianz – dringend erfor­derlich, weil die Budgets der öffentlich-recht­lichen Sender seit vielen Jahren zumindest stagnieren, meistens aber sogar fallen.

Gegenüber promedia plädiert der Geschäfts­führer der Allianz Dr. Christoph E. Palmer, bei Fernseh­pro­duk­tionen für die Umstellung von der Auftrags­pro­duktion zu einem Lizenz­modell: „Die Einführung eines Lizenz­mo­dells in Deutschland bedeutet einen Paradig­men­wechsel. Aber es ist der richtige Ansatz, weil nur so die Qualität des deutschen Fernsehens, auf das wir trotz allem stolz sein können, auch in Zukunft gesichert und gesteigert werden kann.“

promedia: Herr Palmer, Sie haben gefordert, dass ein Teil des Gebühren­über­schusses bei ARD und ZDF verbleiben und ins Programm inves­tiert werden soll. Aber die öffentlich-recht­lichen Sender erhalten heute bereits 7,5 Milli­arden Euro. Sollte das nicht ausrei­chend sein?

Palmer: Natürlich ist das eine gewaltige Summe, aber die öffentlich-recht­lichen Sender in Deutschland sind ja auch gewaltige Apparate, und sie haben gewal­tigen Kosten, die – wie überall – konti­nu­ierlich steigen. Die Einnahmen von ARD und ZDF steigen dagegen nicht. Also wird umgeschichtet. Wir haben gesehen, dass die Programm­kosten für die Sender die am leich­testen zu verän­dernden Posten darstellen – im Gegensatz etwa zu Ausgaben für Personal oder Pensionen, Technik, Betriebs­stätten, Regio­nal­struk­turen etc.

Das Bewusstsein, dass das Programm das Kernge­schäft und die eigent­liche Daseins­be­rech­tigung der Sender bildet, scheint sich angesichts der Sparzwänge bei ARD und ZDF an manchen Stellen zurück­zu­bilden.

promedia: Angenommen, ARD und ZDF hätten pro Jahr etwa 100 Millionen Euro mehr zur Verfügung, was würde das für die deutsche Produk­ti­ons­wirt­schaft bedeuten?

Palmer: Laut der Produ­zen­ten­studie haben die deutschen Fernseh­pro­du­zenten im Jahr 2011 mit den öffent­lichen- recht­lichen Sendern einen Gesamt­umsatz von 1,1 Mrd. Euro gemacht. Am Beispiel des „Tatort“ hat die Produ­zen­ten­studie anhand der Minuten­preise nachge­wiesen, dass die Budgets in den letzten Jahren deutlich gesunken sind. 2004 wurden für einen „Tatort“ durch­schnittlich 1,43 Mio. Euro ausge­geben, 2011 waren es nur noch 1,27 Mio. Euro. Mittler­weile, das will ich einräumen, wurde 2013 wieder etwas zugelegt. Die Kosten für Gagen oder Technik und Ausstattung sind aber natürlich gestiegen. Und: Allein durch die jährliche Inflation hat der Euro seit 2004 zusätzlich rund 15 Prozent seines Wertes verloren – ganz grob gerechnet.
Unterm Strich liefern die Produ­zenten heute also einen „Tatort“ für etwa 75 Prozent des Budgets von vor zehn Jahren. Andere Programme, insbe­sondere Dokumen­ta­tionen, Kinder­ani­ma­ti­ons­filme und Kino-Kopro­duk­tionen, dürften von der Verknappung noch stärker betroffen sein als der „Tatort“, der ja auch bei den Sendern als „Leuchtturm des deutschen Fernseh­films“ gilt. Würden jährlich zum Beispiel 100 Mio. Euro mehr ins Programm inves­tiert, bräche dadurch für die Produk­ti­ons­wirt­schaft bestimmt kein goldenes Zeitalter aus, aber die zusätz­lichen Mittel würden dazu beitragen, an frühere Quali­täts­stan­dards der Produk­tionen anknüpfen zu können und durch die Ermög­li­chung ausrei­chender Drehzeiten und einer angemes­senen Vergütung unter Einschluss der Kreativ­leistung der Produ­zenten auch jene beschä­menden Verhält­nisse zu mildern, in denen zu viele Kreative und Filmschaf­fende leben. Daneben könnten damit endlich Dokumen­tar­filme mit ausrei­chendem Budget verwirk­licht, Anima­ti­ons­filme müssten nicht mehr möglichst billig im Ausland erworben werden, sondern mit deutschen Produ­zenten könnten Kinder­pro­gramme reali­siert werden, die die Lebens­wirk­lichkeit der jüngsten Zielgruppe abbilden.

promedia: Wie kann sicher gestellt werden, dass dieses Geld auch in deutsche TV-Produk­tionen fließt?

Palmer: Protek­tio­nismus geht im europäi­schen Recht nicht. Aber der Fernseh­markt ist immer noch stark national geprägt, wegen der Kenntnis von „Land und Leuten“. Mir ist nicht bange, dass das Geld am Ziel „ankommt“.

promedia: Warum fordern Sie nicht direkt, dass ein Teil des Überschusses für Kino-Kopro­duk­tionen verwendet wird? Hier existiert ja die große Sorge, dass weiter gekürzt wird …

Palmer: Wir fordern, dass ein Teil der zusätz­lichen Einnahmen in das Programm inves­tiert werden soll, und dazu gehören natürlich auch Kino-Kopro­duk­tionen. Den Sendern im Einzelnen vorzu­schreiben, welche Quanti­täten für welche Genres verwendet werden sollen, halten wir eher nicht für zielführend.

promedia: Mit dem gleichen Recht könnten auch die Sport­ver­bände fordern, dass mehr Sport­rechte erworben werden. Zugleich gibt es bei der Erhebung des Beitrages Ungerech­tig­keiten. Ist Ihr Vorschlag nicht sehr inter­es­sen­ge­leitet?

Palmer: Natürlich ist unser Vorschlag inter­es­sen­ge­leitet, aber es sind nicht nur die Inter­essen aller Filmschaf­fenden, die dadurch verfolgt werden, sondern vor allem die Inter­essen der Zuschauer, die mit ihrem Haushalts­beitrag schließlich dieje­nigen sind, die das alles bezahlen und dafür auch in Zukunft einen angemes­senen audio­vi­su­ellen Gegenwert erwarten dürfen.

promedia: Es gibt den Vorschlag, die Werbung abzuschaffen. Damit ist das Programm nicht mehr so stark quoten­ge­steuert. Käme Ihnen dieser Vorschlag nicht auch entgegen?

Palmer: Nein. Es geht uns nicht darum, dass die öffentlich-recht­lichen Sender weniger Geld haben. Wir wollen im Gegenteil, dass es mehr wird, damit es ins Programm inves­tiert werden kann. Wir halten es auch für sehr wichtig, dass der öffentlich-recht­liche Rundfunk nicht nur über die Haushalts­abgabe finan­ziert wird, sondern weiterhin am Markt­ge­schehen teilnimmt.

promedia: Wo trifft die Sparsamkeit der TV-Sender die Produ­zenten am meisten?

Palmer: In der ausblei­benden Beauf­tragung neuer, inter­es­santer Projekte.

promedia: Sie sagen, dass die deutschen Produ­zenten bereits zu „Effizienz-Experten“ geworden sind. Das ist doch aber nicht grund­sätzlich verkehrt. Auch die deutschen PKW-Hersteller mussten zu Effizienz-Experten werden?

Palmer: Natürlich ist es gut und richtig, so effizient wie möglich zu arbeiten. Es gibt bei den Budgets aber eine Unter­grenze. Wenn die unter­schritten ist, kann kein quali­täts­volles Programm mehr herge­stellt werden. Ich befürchte, dass diese Grenze bei vielen Programmen sehr bald erreicht sein wird. Die Situation bei den PKW-Herstellern ist eine vollkommen andere: Hier sehen wir wenige Hersteller, die ihr Produkt vielen Kunden anbieten, die dafür bezahlen. Wie das Produkt beschaffen ist, wird auf dem Markt entschieden. Manche Kunden verlangen zum Beispiel nach besonders hochwer­tigen Ausstat­tungen und zahlen auch dafür. Die Industrie wird diese hochwer­tigen Ausstat­tungen also nicht aus Effizi­enz­gründen streichen.

Der Fernseh­markt in Deutschland ist dagegen kein Markt in diesem Sinne: Es gibt mit Hunderten von Fernseh­pro­duk­ti­ons­un­ter­nehmen viele Anbieter, mit den beiden öffentlich-recht­lichen und den beiden werbe­fi­nan­zierten Sender­gruppen aber nur vier Nachfrager. Der eigent­liche „Kunde“ – der Fernseh­zu­schauer –, der alles bezahlt, hat nur einen höchst mittel­baren und geringen Einfluss auf die Qualität des Produkts. Und selbst dort, wo ein Bedarf nach einer besonders guten Ausstattung erkennbar wird – zum Beispiel nach den neuen Quali­täts­serien, die von überall kommen, aber nur in Ausnah­me­fällen aus Deutschland –, können die Sender weiter­machen wie immer, weil sie keine Einbußen zu befürchten haben. Sich in der Mittel­mä­ßigkeit einzu­richten, stört ihr Geschäfts­modell nicht. Ein PKW-Hersteller, der Autos wie vor 20 Jahren verkauft, wäre dagegen sehr schnell vom Markt verschwunden.

promedia: Die Akzeptanz des Rundfunk­bei­trags hängt auch von der Höhe ab. Haben Sie nicht Sorge, dass die Akzeptanz leidet, wenn der Beitrag nicht gesenkt wird?

Palmer: Die Akzeptanz des Rundfunk­bei­trags hängt noch stärker davon ab, ob die „Beitrags­schuldner“ mit dem zufrieden sind, was sie für ihr Geld bekommen. Wir sind ganz sicher, dass die Beitrags­zahler lieber Quali­täts­pro­gramme sehen wollen, statt um einen symbo­li­schen Cent-Betrag entlastet zu werden.

promedia: Die Arbeits­gruppe Beitrags­sta­bi­lität der Länder will Ende 2014 ihren Bericht vorlegen. Wo sehen Sie Möglich­keiten für eine effek­tivere Arbeit des öffentlich-recht­lichen Rundfunks, ohne dass die Content-Produ­zenten darunter leiden müssen?

Palmer: Das ist die entschei­dende Frage. Die Inves­tition eines Teils der Mehrein­nahmen aus dem Haushalts­beitrag ins Programm würde die Situation kurzfristig entspannen – auf mittlere und lange Sicht bringt es aber nichts.

Die Einnahmen der Sender sind festge­schrieben, dort ist kein Wachstum zu erwarten. Die Produk­ti­ons­wirt­schaft ist aber wie jeder andere Wirtschafts­zweig auf Wachstum angewiesen, schließlich steigen ja auch die Kosten. Auch deshalb muss das seit Beginn der Auftrags­pro­duktion in Deutschland prakti­zierte Total-buy- out-Modell durch ein Lizenz­modell ersetzt werden, nach dem die Sender nur noch das Recht für eine bestimmte Zahl von Ausstrah­lungen in einem bestimmten Zeitraum erwerben. Die Zweit­ver­wer­tungs­rechte bleiben beim Produ­zenten. Er bestimmt, was wie, wo und von wem ausge­wertet wird und beteiligt den auftrag­ge­benden Sender an den Erlösen.

So ein Lizenz­modell wurde vor zehn Jahren in Großbri­tannien einge­führt, wo die Situation ähnlich war wie in Deutschland heute noch: Eine starke Abhän­gigkeit der Produ­zenten von den Sendern, sehr geringe Margen, kaum Wachstum, eine existenz­be­dro­hende Eigen­ka­pi­tal­schwäche eines ganzen Indus­trie­zweigs. Nach der Einführung des Lizenz­mo­dells haben sich die Umsatz­ren­diten der briti­schen Produ­zenten fast verdoppelt, die Umsätze aus dem Ausland verdrei­facht, und die Erlöse aus der Inlands­ver­wertung stiegen auf 160 Prozent. Davon haben auch die Sender in nicht geringem Maße profi­tiert.

Es ist uns vollkommen klar, dass die Einführung des Lizenz­mo­dells in Deutschland einen Paradig­men­wechsel bedeutet und entspre­chend schwierig und langwierig wird. Wider­stände in den Sendern müssen überwunden, die Politik muss überzeugt werden. Aber es ist der richtige Ansatz, weil sich so die Qualität des deutschen Fernsehens, auf das wir trotz allem stolz sein können, auch in Zukunft gesichert und gesteigert werden kann. Es wird die deutschen Produ­zenten in die Lage versetzen, an den Werten, die sie schaffen, zu parti­zi­pieren. Mit den Erlösen aus den Zweit­ver­wer­tungs­rechten werden sie Eigen­ka­pital bilden können, das sie in die Entwicklung besserer und innova­tiver Formate und Projekte inves­tieren können. Und so wird sich ein Markt entwi­ckeln, der diesen Namen auch verdient. (JG)

Aus: Promedia Nr. 3/2014, Wiedergabe mit freund­licher Geneh­migung des Promedia-Verlags.

Siehe auch: 19. KEF-Bericht: ARD und ZDF geben weniger für ihr Programm aus (4.3.2014)